Die Kunstkammer, eine Verschleppung
Dass die Wiedereröffnung der Kunstkammer im Wiener Kunsthistorischen Museum (KHM) nun gefeiert wird, ist ein PR-Kunststück: Denn eigentlich hätten es nur ein paar „Schließtage“ im Frühjahr 2002 sein sollen, die am Ende elf Jahre gedauert haben werden. Die Zutaten dieser typisch österreichisch verschleppten Geschichte waren fehlender Realitätssinn und fehlendes Geld.
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Die Schließung unter dem damaligen Direktor Wilfried Seipel erfolgte still und heimlich. In den Monaten davor hatte Seipel von einer demnächst bevorstehenden raschen und unkomplizierten Neuaufstellung gesprochen. Kurz nach der Schließung gab es die erste Ankündigung der partiellen Wiedereröffnung am 11. Oktober 2002. Unzählige weitere Nennungen eines Datums für die Wiedereröffnung sollten folgen, auch unter der jetzigen Direktorin Sabine Haag. Alle genannten Termine hatten die Gemeinsamkeit, dass sie nicht eingehalten wurden.
Missglückter Poker?
Möglicherweise wollte Seipel mit der Schließung der Kunstkammer pokern und zusätzliche Budgetmittel für sein Haus herausschinden, um die Blamage einer geschlossenen Kunstkammer - die schließlich einige der wichtigsten Kunstschätze Österreichs beherbergte - abzuwenden. Kritiker von Seipels Jahren als KHM-Direktor (1990 bis 2008) bemängelten allerdings, er habe sich zu sehr auf einzelne imageträchtige Ausstellungsprojekte konzentriert und dabei das Haus als solches vernachlässigt.

APA/Barbara Gindl
Seipel mit „Saliera“
Seipel entschied sich damals, die wichtigsten Stücke der Kunstkammer in der Gemäldegalerie auszustellen. Die Not redete man sich zur Tugend hoch: Von einem „lebendigen Dialog“ zwischen Gemälden und Kunstgegenständen war die Rede, von so entstehenden „Eye-Openern“, die vorher „nicht zu erahnende Zusammenhänge“ sichtbar machen würden. Seipels Vorgänger Hermann Fillitz etwa sprach allerdings von einer „unlogischen Aufstellung“.
Der dreijährige „Ausflug“ des Salzfasses
Das „Asyl“ der Kunstkammer-Gegenstände in der Gemäldegalerie betraf auch das Salzfass des Benvenuto Cellini, bekannt als „Saliera“. Sie fand in einer straßenseitigen Galerie Aufstellung - allerdings nur rund ein Jahr: In den frühen Morgenstunden des 11. Mai 2003 wurde sie gestohlen. Der Täter stieg über ein Baugerüst ein und hatte leichtes Spiel. Fillitz kritisierte die mangelnden Sicherheitseinrichtungen ebenso wie der vormalige Kunstkammer-Chef Manfred Leithe-Jasper. Der wurde daraufhin prompt von Seipel mit „Hausverbot“ belegt.
Drei Jahre lang war die Saliera weg. 2006 stolperte der Täter über den Versuch, das Kunstwerk gegen Lösegeld zurückgeben zu wollen. Die Kritik an Seipel durch alle Parteien mit Ausnahme der ÖVP wurde immer stärker, auch wegen des anhaltenden Kunstkammer-Problems. Immer wieder aufs Neue verkündete Seipel, im jeweils folgenden Jahr werde es mit der Wiedereröffnung wirklich so weit sein, gepaart mit Ankündigungen etwa einer Untertunnelung des Museumsplatzes oder einer zusätzlichen Ausstellungshalle im Hof des Museums.
Immer mehr Kosten, immer späterer Termin
Parallel zu den hochtrabenden Plänen stiegen die projektierten Kosten für die Kunstkammer-Wiedereröffnung. Anfangs hieß es, sie sei aus dem laufenden Budget zu bestreiten. Dann war von 6,5 Mio. Euro die Rede. Bei der letzten Bekanntgabe durch Haag belief sich die Summe auf 18,35 Mio. Euro, davon 3,5 Mio. durch Sponsoren. Auch Haag verschätzte sich weiter, was den Zeitpunkt der Wiedereröffnung anging: Die jetzige „Preview“ nur eines Raumes ist das Überbleibsel ihres ursprünglich geplanten Wiedereröffnungstermins.
In den Jahren seit 2002 verbrachten viele Stücke aus dem Bestand der Kunstkammer unterwegs. Auf unzähligen Ausstellungen an allen möglichen Orten meist außerhalb Österreichs waren sie zu sehen, während die „Schließtage“ in der KHM-Kunstkammer weiter andauerten. Haag liegt die Kunstkammer dabei besonders am Herzen: Vor ihrer Bestellung zur Direktorin war die Spezialistin für Kunstgegenstände aus Elbenbein und Bernstein selbst für die Kunstkammer-Bestände verantwortlich.
Lukas Zimmer, ORF.at
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