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„Innerhalb weniger Tage verschwunden“

In Südwestfrankreich ist einer Baufirma ein folgenschwerer Irrtum unterlaufen. Sie riss ein historisches Gebäude aus dem 18. Jahrhundert ab, das sein neuer Besitzer aufwendig renovieren hätte wollen. Das „Opfer“ ist Schloss Bellevue, Eigentümer und Gemeinde stehen nach eigenen Worten „unter Schock“ - beide traf die Nachricht gleichermaßen überraschend.

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"Es war vor ungefähr drei Wochen. Es war auf einmal nicht mehr zu sehen, zitierte die französische Tageszeitung „SudOuest“ kürzlich eine unmittelbare Anrainerin des Gebäudes in der südwestfranzösischen Kleinstadt Yvrac, rund elf Kilometer von Bordeaux entfernt. „Innerhalb weniger Tage war es verschwunden.“ Auf dem 13.000-Quadratmeter-Anwesen blieben nur Reste des historischen Bauwerks übrig.

Die Zeitung fand sogar noch einen Reim zu dem Baufiasko: „Keine schöne Aussicht mehr auf Bellevue, denn Bellevue ist nicht mehr“ (wobei „Bellevue“ so viel wie „schöne Aussicht“ oder „schöner Anblick“ bedeutet, Anm.): „Plus de belle vue sur Bellevue, Bellevue n’est plus.“

„War der Stolz und die Freude von Yvrac“

Der Stadtverwaltung Yvrac und den früheren bzw. derzeitigen Eigentümern dürfte weniger zum Lachen sein. „Das Schloss Bellevue war der Stolz und die Freude von Yvrac“, sagte die frühere Besitzerin Juliette Marmie. Nun stehe der ganze Ort mit seinen 2.500 Einwohnern unter Schock, genauso wie der neue russische Eigentümer Dimitri Stroskin. Er sei „das erste Opfer“ des Irrtums, sagte Stroskin der französischen Zeitung.

Wie es dazu kam, konnte sich niemand ganz erklären. Die durchzuführenden Arbeiten seien auf der Bautafel „eindeutig als Renovierung spezifiziert gewesen“, so der „SudOuest“ - geendet hätten sie als „Radikalrenovierung“. Einen positiven Bescheid für eine Instandsetzung habe es seit Juni 2011 gegeben, sagte der Bürgermeister von Yvrac, Claude Carty.

„Das Malheur ist geschehen“

„Ich wüsste keine Erklärung dafür, wieso das Schloss zerstört worden ist“, sagte Stroskin. „Auch wenn das Gebäude in einem sehr schlechten Zustand war, wollte ich es renovieren.“ Laut „SudOuest“ ist Stroskin Eigentümer eines Logistikunternehmens mit Sitz im polnischen Warschau, das Geschäfte in Polen, Frankreich und Russland macht. Er hatte ein polnisches Bauunternehmen mit den Arbeiten beauftragt.

Nach der folgenschweren Panne zeigte sich der russische Geschäftsmann geknickt, aber kulant. Er werde „die Verantwortlichen für diesen Irrtum nicht suchen. Das Malheur ist eben geschehen.“ Stattdessen wolle er das Schloss wieder aufbauen - und zwar völlig originalgetreu. Es solle kein Spielplatz für den klischeehaften russischen neureichen Oligarchen sein, betonte Stroskin sinngemäß: „Achtung! Ich bin nicht im russischen Erdöl- oder Erdgasgeschäft.“

Er habe das Gebäude in sein Herz geschlossen, nachdem er jahrelang in Frankreich nach einem Anwesen gesucht habe. Nun wolle er gemeinsam mit einem Pariser Architekten binnen zwei Jahren Schloss Bellevue wieder aufbauen. Laut „SudOuest“ wurde das Gebäude einst von einer reichen Familie aus Bordeaux gebaut, die es als Nebenwohnsitz nutzte.

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