„Ein geringer Preis“
Ein US-Gericht hat die großen Tabakkonzerne dazu verurteilt, sich in einem öffentlichen Schuldeingeständnis zu Lügen zu bekennen. In Zeitungsanzeigen sollen die Unternehmen publik machen, dass sie die amerikanische Öffentlichkeit über die Gesundheits- und Suchtgefahren von Zigaretten „bewusst getäuscht“ haben, befand eine US-Bundesrichterin.
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Sie hatte bereits 2006 entschieden, dass die Hersteller gegen das Gesetz verstoßen hatten. Die Bundesrichterin wirft Konzernen wie Altria (vormals: Philip Morris) und Reynolds America vor, dass sie wider besseres Wissen Zigaretten mit geringem Teergehalt und Light-Sorten in der Werbung als weniger schädlich als herkömmliche Zigaretten angepriesen hatten. Das Verfahren basiert auf einer Klage der Regierung aus dem Jahr 1999.
Kampf gegen öffentliches Eingeständnis
Im konkreten Prozess ging es um den Wortlaut des Bekenntnisses. Die Zigarettenhersteller können nun erneut Berufung einlegen. Sie wehren sich dagegen, die Täuschung öffentlich eingestehen zu müssen, und berufen sich auf das Recht der freien Rede. Die Richterin argumentiert dagegen, der Wortlaut des Geständnisses sei keine Meinungs-, sondern eine Tatsachenäußerung.
Bleibt das Urteil aufrecht, wäre das die wohl dramatischste Niederlage für „Big Tobacco“ in den USA. Bezirksrichterin Gladys Kessler schrieb in ihrem Urteil, dass die neue Werbekampagne ein passendes Gegengewicht zu der gezielten Irreführung, die bis ins Jahr 1964 zurückreiche, schaffen würde. Die Werbeeinschaltungen müssen demnach zwei Jahre lang in verschiedenen Medien veröffentlicht werden. Die Details der Werbekampagne - etwa die Höhe der Kosten und in welchen Medien sie geschaltet wird - sind noch offen und könnten selbst wiederum eine lange juristische Schlacht auslösen.
„Rauchen tötet“
In seinem Urteil versuchte Richterin Kessler, die genaue Fassung von fünf verschiedenen Statements, die die Tabakkonzerne demnach veröffentlichen müssen, zu fixieren. Eines lautet: „Ein Bundesgericht hat entschieden, dass die beklagten Tabakkonzerne die amerikanische Öffentlichkeit absichtlich getäuscht haben, indem sie Zigaretten mit wenig Teer und Light-Zigaretten als weniger schädlich als reguläre Zigaretten verkauften und bewarben.“ Eine andere Feststellung, zu deren entgeltlicher Veröffentlichung die Tabakkonzerne gezwungen werden sollen, lautet: „Rauchen tötet durchschnittlich 1.200 US-Bürger. Täglich.“
Die Formulierungen wurden von Anti-Rauch-Aktivisten begrüßt. „Die Tabakfirmen dazu zu zwingen, endlich die Wahrheit zu sagen, ist ein geringer Preis, den sie für die verheerenden Folgen ihres Fehlverhaltens zahlen müssen“, so Matthew Myers von der Anti-Raucher-Gruppe Campaign for Tobacco-Free Kids. Diese Statements seien klar, auf den Punkt gebracht und einfach zu verstehen, lobte auch Ellen Vargyas von der American Legacy Foundation, die für ihre „Truth“-Werbekampagne bekannt ist, die erfolgreich das Rauchen bei Jugendlichen verringerte.
Justizministerium zufrieden
Die größten Tabakkonzerne gaben allein 2010 mehr als acht Milliarden Dollar (6,2 Mrd. Euro) für Werbung aus. Sie hatten sich in ihrem Kampf, nicht zu Wörtern wie „Betrug“ gezwungen zu werden, auf ihr Recht auf freie Meinungsäußerung berufen. Die Reaktionen fielen spärlich aus - im Wesentlichen beschränkten sich alle darauf zu betonen, man müsse das Urteil zunächst genau studieren. Ein Sprecher des US-Justizministeriums zeigte sich zufrieden mit dem Urteil.
Die Regierung zwinge Firmen in ähnlichen Fällen regelmäßig dazu, ähnliche Stellungnahmen abzugeben, betonte die Richterin. In einer früheren Phase des Verfahrens hatte das Justizministerium noch gehofft, die Tabakkonzerne zur Zahlung von 280 Mrd. Dollar bewegen zu können. Das Geld sollte für Entwöhnungsprogramme und andere Gesundheitsmaßnahmen eingesetzt werden. Das Ministerium senkte den Betrag schließlich auf 14 Mrd. Dollar. Doch Kessler entschied, dass die Konzerne gar nicht zur Finanzierung solcher Programme gezwungen werden dürften.
Zweite Front
Parallel dazu kämpft „Big Tobacco“ in einem anderen Verfahren gegen die Lebensmittelbehörde FDA. Diese hat neue grafische Warnhinweise für die Zigarettenpackungen vorgeschlagen - eines davon zeigt einen Mann mit einem Loch in der Kehle. Auch in diesem Fall argumentieren die Konzerne, dass damit ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt werde.
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