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Auftrag auch Thema bei Mitarbeitern?

Der vorsitzende Richter Georg Olschak hat die Einvernahme von Ex-ÖVP-Europaparlamentarier und Innenminister Ernst Strasser am ersten Prozesstag abgeschlossen. Strasser blieb in der mehrstündigen Befragung bei seiner Behauptung, er habe die zwei britischen Journalisten für Geheimdienstagenten gehalten.

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Olschak ließ allerdings Zweifel an dieser Rechtfertigung durchblicken. Aufhorchen ließ der Richter mit einem Zitat aus dem Akt, das nahelegt, dass ein möglicher lukrativer Auftrag der beiden vorgeblichen Lobbyisten auch unter Strassers Mitarbeitern Gesprächsthema war. Demnach soll eine Mitarbeiterin Strassers vor dessen Reise zu den vorgeblichen Lobbyisten nach London gesagt haben, „dass das viel Geld bringen würde, wenn das was wird“. Die ehemaligen Mitarbeiterinnen werden im Verlauf des Prozesses noch befragt.

Der Angeklagte Ernst Strasser

ORF.at/Roland Winkler

Richter Georg Olschak ist skeptisch über Strassers Verteidigungslinie

Was Strasser vorgeworfen wird

Die Vorwürfe im Prozess wiegen schwer: Strasser war in seiner damaligen Position als EU-Parlamentarier im November 2010 zwei als Lobbyisten getarnten Journalisten der Zeitung „The Sunday Times“ auf den Leim gegangen. Er hatte sich auf mehrere Gespräche mit den beiden Briten eingelassen, wobei er ihnen bei einem gemeinsamen Abendessen angeboten haben soll, für ein jährliches Honorar von 100.000 Euro die Gesetzgebung im Europäischen Parlament deren Wünschen entsprechend zu beeinflussen.

Das besagte Abendessen schnitten die beiden Journalisten heimlich mit, das Video verbreitete sich im Internet wie ein Lauffeuer und sorgte für breite Empörung bis weit über die Grenzen Österreichs hinaus - infolgedessen musste Strasser, der 2000 bis 2004 Innenminister war, Ende März 2011 schließlich als Delegationsleiter im EU-Parlament zurücktreten.

Der Angeklagte Ernst Strasser

ORF.at/Roland Winkler

Strasser trifft zu dem Prozess ein

„Das ist doch unvernünftig“

Mehrmals ließ Olschak Zweifel an der Darstellung Strassers durchblicken, er hätte die Charade der beiden verdeckt arbeitenden Journalisten von Anfang an durchschaut, sie aber für Geheimdienstmitarbeiter gehalten. „Die wollten eine Geisel haben, und eine Geisel kriegt man dann, wenn irgendeine kleine Unkorrektheit passiert, und dann sagen die: Lieber Freund, du musst jetzt tun, was wir wollen, sonst lassen wir dich auffliegen“, gab Strasser seinen damaligen Verdacht wieder. Als Zweck der Übung habe er vermutet, dass die USA sein Wohlverhalten im Zusammenhang mit dem umstrittenen Passagierdatenaustausch erzwingen wollten - Video dazu in iptv.ORF.at.

Olschak meldete Zweifel an dieser Darstellung an. Der Richter wollte von Strasser wissen, warum er – wenn er schon einen Erpressungsversuch vermutet habe – den Briten dann belastende Aussagen geliefert und etwa seine Bereitschaft zur Mitwirkung an ihren Lobbyingvorhaben signalisiert habe. Wenn man eine Geheimdienstintrige vermute, „dann gebe ich ihnen doch nicht das Hölzel in die Hand und sage: Ich habe das in eurem Sinne so bearbeitet. Das ist doch unvernünftig.“

Strasser: Wollte Agenten „aufblatteln“

Der frühere Innenminister beharrte allerdings darauf, er habe die mutmaßlichen Agenten „aufblatteln“ wollen. Heute würde er das freilich nicht mehr machen und würde stattdessen BVT-Chef Peter Gridling einschalten, um sich einen Prozess zu ersparen, räumte Strasser ein: „Ich weiß, dass der Herr Gridling das in die Rundablage legt, aber ich sitz’ dann wenigstens nicht mehr vor Ihnen.“

Dem Gericht riet Strasser daher, seine von den britischen Journalisten versteckt mitgefilmten Aussagen nicht für bare Münze zu nehmen: „Die Videos zeigen ja das Folgende: Da sitzen sich zwei Parteien gegenüber, die sich die meiste Zeit anlügen.“ Warum er dann so detaillierte Angaben zu den Geschäften seiner Firmen gemacht habe, wollte Olschak wissen. Dazu Strasser: „Wenn die das sind, was ich vermutete, dann haben die das sowieso gewusst.“

Strasser sieht „Übersetzungsfehler“

Einiges Belastendes führte Strasser auch schlicht auf Übersetzungsfehler zurück – etwa jene Passage, in der er über die „Gutmenschen“ im Europaparlament lästert. Im englischen Original habe er nämlich von den „good people in the parliament“ gesprochen und das bedeute schlicht „die lieben Leute im Parlament“. „Nach meinem Lexikon heißt Gutmenschen auf Englisch ‚do-gooder‘ oder auch ‚goody two shoes’“, sagte Strasser. Wenig später gab er freilich auch zu bedenken: „Englisch ist nicht meine Muttersprache, daher kann ich mich dort nicht so gut ausdrücken wie im Deutschen.“

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. Im Zentrum stehen dann die verdeckt aufgenommenen Videos der britischen Journalisten.

OLAF übermittelte Bericht

Die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF hat ihre Untersuchungen zu Strasser abgeschlossen. Der Bericht und die Empfehlungen ergingen vergangenen Montag an das österreichische Parlament und die Staatsanwaltschaft. Im Bericht werden „gerichtliche und disziplinarische Folgemaßnahmen“ empfohlen, hieß es am Montagnachmittag gegenüber der APA.

Für OLAF ist der Fall abgeschlossen, weitere Details wurden nicht genannt. Die weitere Entscheidung obliege nun den österreichischen Behörden. Ob diese den OLAF-Bericht im Prozess berücksichtigen, obliege ihnen selbst, hieß es.

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