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Die Geschichte von „Made in Germany“

In der Zeit der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert waren die Briten aufgrund der immens wachsenden Produktionsmöglichkeiten führend, wenn es um neue Erfindungen ging. Deutschland hinkte hinterher und versuchte, über Spionage an Ideen zu kommen. Um billige Kopien aus Deutschland zu „brandmarken“, führten die Briten das Ramschsiegel „Made in Germany“ ein - doch dieses sollte einen wundersamen Imagewechsel erleben.

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Genau 125 Jahre danach gibt es die Herkunftsbezeichnung „Made in Germany“ noch immer - als weithin bekanntes Gütesiegel. Doch der Blick zurück in die Zeit der Industriellen Revolution zeigt einen bemerkenswerten Imagewandel. Denn Anfang des 19. Jahrhunderts brummten die Fabriken und Fertigungshallen in Großbritannien, die neuen Möglichkeiten und die unbegrenzten Dienstzeiten der Arbeiter ließen neue Erfindungen wie Pilze aus dem Boden schießen.

Von deutschen „Studienreisen“

Ganz anders war die Situation in Deutschland, wo von Industrialisierung noch keine Spur war. Darum machten sich Industriespione auf den Weg nach England, um sich dortiges Know-how unter den Nagel zu reißen, um es in Deutschland in den eigenen Fabriken umgehend anwenden zu können. Etliche deutsche Unternehmen schickten Mitarbeiter auf „Studienreise“, wie es offiziell hieß.

Zurück in Deutschland brachten die Studienreisenden ihr Wissen gleich in ihre Fabriken, wo die kopierten Konzepte in zweitklassige Ware, die zu Billigpreisen auf den Markt geworfen wurde, ergingen. Schnell überlauerten die Briten die zirkulierenden Ramschimitate und verpassten den Deutschen ein entsprechendes Image. Und ist der Ruf ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert: Sogar namentlich gekennzeichnete Markenprodukte wurden kopiert. Anfänglich lediglich mit Hohn belegt, schlug das Stimmungsbild gegen die Deutschen bald auf Empörung um.

Die Briten führten ein Siegel ein, das aus Deutschland importierte Produkte als ebensolche kennzeichnete - der Stempel „Made in Germany“ haftete in der Folge auf Billigimitaten aus Deutschland. Dem zugrunde lag der 1887 vom englischen Parlament beschlossene „Merchandise Marks Act“. Dieser schrieb vor, dass auf Waren unmissverständlich das Herkunftsland anzugeben sei. Sogar bekannte Stimmen aus Deutschland kritisierten die eigenen Produkte, als „billig“ und „schlecht“ qualifizierte sie der bekannte deutsche Ingenieur Franz Reuleaux ab.

Aufstieg zum Gütesiegel

Doch die Abneigung der Briten und die negative Bestandsaufnahme in den eigenen Reihen riefen eine veränderte Dynamik hervor. Die interne und externe Kritik wirkte beflügelnd, viele Fabriken starteten eine Qualitätsoffensive, verbesserten das Preis-Leistungs-Verhältnis. Bald waren die Produkte jenen aus Großbritannien ebenbürtig.

Somit wandelte sich „Made in Germany“ bald zu einem Gütesiegel - der von den Briten als Negativsiegel gedachte Schriftzug bewirkte auf einen Schlag das Gegenteil. Denn die deutschen Waren standen den britischen in Sachen Qualität um nichts nach, noch dazu waren sie teils deutlich günstiger. Deutschland konnte noch billiger produzieren als der Konkurrent, schließlich existierten dort noch keine Gewerkschaften. In Großbritannien waren diese bereits seit 1872 staatlich anerkannt.

Aufstieg zu Marktführern

Die Qualitätsoffensive verschaffte vielen Produkten zu einem Weg in den britischen Binnenmarkt, zwischen 1883 und 1893 stieg der Gesamtwert der von Deutschland nach England exportierten Waren um ganze 30 Prozent. Bald fanden sich heute noch existierende Produkte in den Regalen Londons und New Yorks: Marken wie Aspirin, Faber-Castell und Märklin stiegen zu unangefochtenen Marktführern auf - alle mit dem Siegel „Made in Germany“ versehen.

Noch immer hohes Ansehen

Heute genießt das Siegel zumindest unter den Deutschen einer Umfrage zufolge weiterhin großes Vertrauen. Für rund 70 Prozent der Deutschen stehe es für hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards, teilte die Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) zuletzt in Frankfurt am Main unter Verweis auf eine Studie mit.

Die Mehrheit der Deutschen (58 Prozent) bevorzuge bei Kaufentscheidungen bewusst entsprechende Produkte, erklärte die DGQ unter Berufung auf die repräsentative Umfrage. 54 Prozent zahlten demnach auch mehr für ein Produkt „Made in Germany“. Allerdings war ein Drittel der Befragten auch der Meinung, dass der Stellenwert des Gütesiegels gesunken sei.

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