Themenüberblick

Ein Typenschein für Immobilien

Schon seit 2009 ist die Vorlage eines Energieausweises bei Verkauf oder Vermietung einer Immobilie Pflicht. Seit 1. Dezember 2013 drohen jedoch Sanktionen, wenn das Gutachten nicht rechtzeitig vorgelegt wird. Die Maßnahmen sind notwendig, da die bisherige Praxis gezeigt hat, dass kaum Gutachten eingeholt werden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Verschärfung der Gesetzeslage auf Basis einer EU-Richtlinie soll bei Immobilienkauf und -miete das Thema Energieverbrauch und die daraus resultierenden laufenden Energiekosten stärker ins Bewusstsein rücken. Wesentlichste Neuerung ist, dass Verkäufer und Vermieter schon beim Inserieren ihrer Immobilie zwei Werte aus dem Energieausweis angeben müssen. Andernfalls drohen Verwaltungstrafen von bis zu 1.450 Euro. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen privaten oder gewerblichen Verkäufer/Vermieter handelt und ob die Projekte mit Preisangabe im Internet oder in Zeitungen veröffentlicht werden.

Schlechte Werte verringern Kauf- oder Mietpreis

„Heute weiß jeder, dass ein Zehn-Liter-Auto schlechte und ein Drei-Liter-Auto gute Verbauchswerte aufweist. Diese Bewusstseinsbildung soll nun auch im Immobilienbereich stattfinden. Mit den neuen Kennzahlen können Interessenten das schon früh klar erkennen und besser vergleichen“, so Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Verbandes der Österreichischen Immobilienwirtschaft (ÖVI), im Gespräch mit ORF.at.

Denn je besser der thermische Zustand des Gebäudes ist, desto weniger laufende Energiekosten fallen an. „Bei schlechten Energiewerten kann das als Verhandlungsargument zur Senkung des Kauf- oder Mietpreises genutzt werden. Über kurz oder lang kann es sich dann niemand mehr leisten, ein schlechtes Energiezeugnis zu haben und die Energiebilanz im Immobilienbereich wird generell besser,“ so Immobilienexperte Holzapfel weiter.

Die Immobilieninteressenten werden sich dabei an neue Abkürzungen in den Inseraten gewöhnen müssen. Hinter kryptischen Kürzeln wie „HWB 22, fGEE 0,93“ verbergen sich die energietechnischen Eckdaten der Immobilie, ähnlich wie im Typenschein eines Autos.

Energieausweis

ovi.at

Der neue Energieausweis listet zahlreiche Faktoren auf

Monatlich 262 Euro für Energie

Einsparungspotenzial gibt es demnach genug. Mehr als die Hälfte der österreichischen Haushalte wohnt in Ein- und Zweifamilienhäusern. Laut Angaben der Energieagentur (auf Basis der Konsumerhebung der Statistik Austria) betragen die durchschnittlichen Ausgaben der Haushalte für Energie 262 Euro monatlich. Dabei entfallen 31 Prozent bzw. 81 Euro auf Raumwärme und Warmwasser, 24 Prozent bzw. 63 Euro auf Strom und 45 Prozent auf Verkehr.

Keine Aussage über tatsächlichen Verbrauch

Doch woher bekommt man einen Energieausweis? Wer sich vorstellt, ein beauftragter Techniker komme mit speziellen Messgeräten vorbei, um den thermischen Zustand des Gebäudes zu ermitteln und das dann in den individuellen Energiepass einzutragen, der irrt. Tatsächlich gibt das zweiseitige Energiegutachten samt angehängtem Befund nur Richtwerte wider, die anhand der Informationen über verwendete Baumaterialien in den Plänen errechnet werden. Das kann theoretisch auch aus der Ferne geschehen, ohne dass das Objekt je begutachtet wurde. Über den tatsächlichen Verbrauch sagt das Gutachten ohnehin nichts aus.

„Es stimmt, dass die ausgewiesenen Energiewerte einer Praxismessung nicht standhalten“, so ÖVI-Geschäftsführer Holzapfel weiter. „Diese Unschärfen hat die EU in ihren Vorgaben jedoch bewusst in Kauf genommen, da die Kosten für den Energieausweis sonst weit höher liegen würden.“ Derzeit belaufen sich die Kosten laut Holzapfel bei einem Einfamilienhaus auf circa 300 bis 400 Euro, bei einem 2.000 Quadratmeter großen Zinhaus auf circa 1.500 bis 2.500 Euro. Bereits eingeholte alte Energieausweise behalten auch nach dem 1. Dezember weiter ihre zehnjährige Gültigkeit.

Zertifizierung steht noch aus

Gerade aufgrund dieser Unschärfe müssen Energieausweise mit größter Sorgfalt erstellt werden, um zumindest in die Nähe der echten Verbrauchswerte zu kommen. Und hier liegt ein Stolperstein: Bisher sichern sich etliche Berufsgruppen die lukrative Einnahmequelle Energieausweis - vom Baumeister über den Gebäudetechniker bis zum Rauchfangkehrer und speziellen Energieinstituten in einigen Bundesländern.

Eine zentrale Anlaufstelle gibt es nicht. „Seriös kann ein Energiegutachten sicher nur von einem Experten und nach einer Vor-Ort-Besichtigung erstellt werden,“ so Holzapfel. „Derzeit wird daher an einer Zertifizierung gearbeitet, damit sich die Kunden der Qualität sicher sein können.“

Problem: Einzelne Wohnungen im Gebäude

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass es beim Verkauf oder der Vermietung einer einzelnen Wohnung ausreichend ist, einen auf das gesamte Gebäude bezogenen Energieausweis vorzulegen. Wobei eine südseitig gelegene Wohnung im zweiten Stock ein ganz anderes Energieverhalten aufweist als etwa eine nordseitige Wohnung über der Hofeinfahrt. Ein genau das Objekt betreffender Energieausweis ist jedoch nicht vorgeschrieben. So kommt es, dass in ein und demselben Gebäude die Werte des Energieausweises stimmen und nicht stimmen. Kritiker fordern hier weitere Nachbesserungen.

Ob die neue Energieausweisoffensive das Energiebewusstsein unter europäischen Immobiliensuchenden erhöhen und in die Kaufentscheidung einfließen wird, bleibt abzuwarten. Erst die Durchsetzung wird zeigen, ob die EU-weite Erziehungsmaßnahme greift.

Beate Macura, ORF.at

Links: