Themenüberblick

Parteitag als Wahlkampfauftakt

Mit einem milliardenschweren Sozialprogramm wollen die deutschen Grünen die Reformagenda 2010 korrigieren und per Mitte-links-Kurs möglichst viele Wählerstimmen gewinnen. Das Geld für Arbeitslose, der Hartz-IV-Satz, soll von 374 auf 420 Euro steigen - das könnte 2,5 Milliarden Euro kosten.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Zwingend soll das an die Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde gekoppelt werden, was die Sozialkassen um bis zu 1,5 Milliarden Euro entlasten soll. Parteichef Cem Özdemir sagte vor rund 800 Delegierten, dass sich die Grünen als soziale Partei positionieren sollten. „Es sind zu viele, die ausgegrenzt sind, die sich nicht artikulieren können.“

Dafür soll der Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent für Einkommen ab 80.000 Euro pro Jahr steigen. Eine Abgabe von 1,5 Prozent auf das Vermögen von Reichen soll über zehn Jahre 100 Milliarden Euro bringen. Das Erbschaftssteueraufkommen soll verdoppelt werden.

Kindergrundsicherung angedacht

Minijobs sollen nach dem Wunsch der Grünen eingedämmt und bald abgeschafft werden. Die Leiharbeiter sollen mindestens den gleichen Lohn wie Stammbelegschaften erhalten, die Befristung von Arbeitsverträgen soll erschwert werden. In der kommenden Wahlperiode wollen die Grünen bei der Einführung einer Kindergrundsicherung mit einem Betrag für alle Kinder beginnen. Vor allem ein allmähliches Abschmelzen des Ehegattensplittings soll dies finanzieren. Kinderfreibeträge für Eltern, Kindergeld und Kinderregelsätze sollen im Gegenzug abgeschafft werden.

Auch Rentenalter Thema

Bei Parteitag wurde auch über Sanktionen für Langzeitarbeitslose und die Rente mit 67 heftig debattiert. Am Ende setzte sich der Vorstand durch mit der Forderung nach einer befristeten Aussetzung der durch Arbeitsagenturen ausgesprochene Sanktionen für Hartz-IV-Bezieher, solange die Betroffenen nicht mehr Rechte gegenüber ihren Fallmanagern bekommen.

Bei dem Anstieg des Rentenalters auf 67 Jahre soll es generell bleiben. Es soll aber eine steuerfinanzierte Garantierente von rund 850 Euro für alle geben, die mehr als 30 Jahre gearbeitet oder Kinder erzogen haben und mit ihrer Pension nicht auskommen. Mit drei Milliarden Euro sollen Einkommensschwache bei Gebäudesanierung und Energiesparen gefördert werden.

Attacke auf Merkel

Özdemir sagte, die Partei wolle eine gerechtere Gesellschaft, die niemanden zurücklässt. „Viele Leute sind bereit, mehr zu leisten und Verantwortung zu übernehmen, wenn man ihnen erklärt, wofür das Geld verwendet wird.“ Der schwarz-gelben Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warf Özdemir grundfalsche Prioritäten vor. „Wenn sogar das Mutterland des Kapitalismus, Großbritannien, sich einen Mindestlohn leisten kann, dann wird es höchste Eisenbahn“, sagte er. Statt des unsinnigen Betreuungsgeldes sei es wichtig, Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten besser auszustatten.

Absage an Koalition mit CDU/CSU

Die Fraktionschefin im deutschen Bundestag Renate Künast sagte: „Wir sind selbstbewusst, weil wir in den letzten Jahren unsere Hausaufgaben gemacht haben.“ Die Grünen setzten das Signal, dass Schwarz-Gelb keine Zukunft habe. Die Grünen werden vom ehemaligen Umweltminister und jetzigen Fraktionschef im deutschen Bundestag, Jürgen Trittin, und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt in den Bundestagswahlkampf geführt. Beide betonten, nicht mit der CDU/CSU koalieren zu wollen, sondern deren Wähler gewinnen zu wollen.

CSU-Chef Horst Seehofer hält Trittin für das größte Hindernis für ein schwarz-grünes Bündnis. „Trittins politische Vorstellungen sind meilenweit von denen der Union entfernt“, sagte Seehofer der „Bild am Sonntag“. Linke-Chef Bernd Riexinger kritisierte die Absage an Schwarz-Grün in der „Augsburger Allgemeinen“ als unglaubwürdig: „Die Führung hat Schwarz-Grün auf der Rechnung, sonst müsste sie eine Koalition mit der Union per Beschluss klipp und klar ausschließen.“

Basil Wegener und Georg Ismar, dpa

Link: