Eins aus 260 Trillionen
Der Oberste Gerichtshof Kanadas hat dem US-Pharmakonzern Pfizer das Patent für das Potenzmittel Viagra entzogen. Nach kanadischem Recht müsse ein Erfinder genau Auskunft über seine Erfindung und deren Funktionsweise geben, um dafür das exklusive Verkaufsrecht zu haben, begründete das Gericht in Ottawa am Donnerstag seine Entscheidung.
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Pfizer habe gewusst, jedoch nicht bekanntgemacht, dass Sildenafil der einzige von mehreren Bestandteilen der Pille sei, der die Erektion verbessere. „Das Patentsystem beruht auf einem ‚Geschäft‘ oder einer Gegenleistung“, erklärte das Gericht. Der Erfinder bekomme für eine begrenzte Zeit das Exklusivrecht für seine neue Erfindung, müsse dafür aber seine Erfindung offenlegen, damit die Gesellschaft von dem Wissen profitiere.
„Wenn es keine vollständige Offenlegung gibt, kann es keine exklusive Monopolrechte geben“, hieß es zur Begründung des Urteils. Nach Ansicht des kanadischen Patent- und Kopierschutzexperten Michael Geist stärkt das Urteil die Intention, dass das Patentrecht der breiten Öffentlichkeit nutzen muss.
Cashcow des Pharmariesen
Viagra ist Pfizers sechstwichtigstes Medikament und damit einer der wichtigsten Gewinnbringer. Jährlich wird es rund zwei Milliarden Mal verkauft. Der Absatz wurde durch das Konkurrenzprodukt Cialis von Eli Lilly bereits geschmälert.
Konkurrent kündigt Viagra-Kopie an
Das israelische Generikaunternehmen Teva hatte gegen Pfizer geklagt in der Hoffnung, schon vor Auslaufen des Viagra-Patents ein gleichwertiges Medikament auf den Markt bringen zu können. Teva kündigte nun in einer Stellungnahme an, bald mit der Produktion zu beginnen. Mit dem künftigen Produkt würden die Kunden „Millionen sparen“. Zudem werde das Medikament für Menschen zugänglich sein, die es sich sonst nicht leisten könnten. Zuvor hatte Pfizer Patentklagen von Teva in den USA, Spanien, Norwegen und Neuseeland erfolgreich abgewehrt.
„Sehr enttäuscht“
„Pfizer erwartet in Kürze, dass in Kanada ein Generikakonkurrenzprodukt auf den Markt kommt. Das Unternehmen ... ist über das Urteil enttäuscht“, so ein Sprecher in einer ersten Stellungnahme. Pfizer wollte allerdings nicht sagen, wie viel das Unternehmen bisher auf dem kanadischen Markt mit dem Potenzmittel verdiente.
Pfizers kanadisches Viagra-Patent, das 1998 in Kraft trat, umfasst 260 Trillionen verschiedene chemische Verbindungen. Aber nur eine Verbindung - Sildenafil - war wirksam, und das Gericht kam zum Schluss, dass das Patent nicht ausreichend Informationen zur Verfügung stellte, die es anderen Firmen ermöglichen, Viagra zu produzieren. Pfizer habe sich dazu entschlossen, die Information nicht offenzulegen, so das Höchstgericht. Auch habe Pfizer in seiner Stellungnahme an das Höchstgericht keine Erklärung angeboten, warum es die Information zurückgehalten habe.
Urteil gegen „Spiel“ von Pfizer
„Pfizer hat vom Patentrecht profitiert, indem es ein exklusives Monopol erhielt, während das Unternehmen die Offenlegung trotz der im Patentrecht festgelegten Offenlegungspflichten vorenthielt“, hieß es in der Urteilsbegründung. „Aus Prinzip und einer stichhaltigen Begründung wegen kann es Haltern von Patenten nicht erlaubt werden, mit dem Patentsystem auf diese Art und Weise zu ‚spielen‘.“
Damien Conover, ein Analyst des Hedgefonds Morningstar, geht davon aus, dass das Urteil nur geringe Auswirkungen auf den Viagra-Absatz in den USA haben wird, auch wenn Menschen bei „Lifestyle“-Medikamenten wie Viagra eher zu Generika greifen als bei lebenswichtigen Medikamenten.
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