CSU zieht Notbremse
Nach dem Vorwurf versuchter Einflussnahme auf das ZDF gibt CSU-Sprecher Hans Michael Strepp seinen Posten auf. Der 44-Jährige habe Parteichef Horst Seehofer am Donnerstag gebeten, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden, teilte die Partei in München mit. Seehofer habe der Bitte entsprochen. Die Affäre hatte der CSU den Wahlkampfstart vermasselt, mit dem Rücktritt Strepps wurde die Notbremse gezogen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Strepp soll mit einem Anruf in der ZDF-„heute“-Redaktion am Sonntag versucht haben, einen Fernsehbericht über den bayerischen SPD-Parteitag mit der Kür des SPD-Spitzenkandidaten Christian Ude zu verhindern. Er selbst hatte das in einem Brief an den Sender, den die CSU am Mittwoch veröffentlichte, bestritten.
„Schwerer Schritt“
Seehofer bezeichnete den Rückzug Strepps als unvermeidlich, notwendig und richtig. Es gebe, was den umstrittenen Anruf Strepps in der „heute“-Redaktion betrifft, weiterhin unterschiedliche Bewertungen vom ZDF auf der einen und von Strepp auf der anderen Seite, sagte Seehofer am Donnerstag am Rande einer Landtagssitzung in München. Weil man diesen Widerspruch nicht habe auflösen können, sei Strepps Rückzug unvermeidlich.
Strepp sei als Pressesprecher die Schnittstelle zu den Medien und hätte seine Aufgaben unter diesen Umständen nicht weiter fortführen können. Gleichzeitig sprach Seehofer von einem „schweren Schritt“. Er habe mit Strepp in den vergangenen Jahren sehr gut zusammengearbeitet. Seehofer hatte wegen der Affäre sogar seine Teilnahme an der Ministerpräsidentenkonferenz abgesagt.
Warum rief Strepp an?
Schon zuvor hatte die CSU den Versuch der Einflussnahme vehement bestritten: Seehofer betonte mehrmals, dass der Versuch nicht zu tolerieren wäre. „Es widerspräche unserer Grundhaltung. Wir sind eine tolerante Partei.“ CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erklärte, Strepp habe in einem Schreiben an den stellvertretenden Chefredakteur des ZDF, Elmar Theveßen, den Vorwurf versuchter Einflussnahme bestritten, zugleich aber „eine Entschuldigung gegenüber dem ZDF ausgesprochen für den Fall, dass ein anders gearteter Eindruck entstanden sein sollte.“
In einem Schreiben Strepps heißt es, er habe selbstverständlich auf die Berichterstattung des ZDF weder Einfluss genommen noch habe er das vorgehabt. „Ein etwaiger anders gearteter Eindruck aus dem Telefonat vom Sonntag erklärt sich mir deshalb nicht“, schrieb Strepp. Seehofer sagte dazu: „Ich muss mich auf eine solche schriftliche Stellungnahme verlassen.“ Was Strepp schriftlich erkläre, sei für ihn Realität. Eine Frage beantwortet die CSU aber nicht: Wenn der Sprecher nicht intervenieren wollte, welchen Grund hat er sonst für den Anruf gehabt?
ZDF: Anruf war „eindeutig“
Die „Süddeutsche Zeitung“ meldete, CSU-Sprecher Strepp habe vom diensthabenden Redakteur verlangt, die „heute“-Sendung am Sonntag um 19.00 Uhr möge bitte nicht über den Landesparteitag der SPD berichten. Der Parteitag war allerdings später Thema in der „heute“-Sendung.
Auch der Mainzer Sender blieb "bei der Darstellung, dass Strepp am Sonntag in der „heute"-Redaktion angerufen und die geplante Berichterstattung über den Landesparteitag der SPD infrage gestellt hatte“. ZDF-Chefredakteur Peter Frey teilte mit, der Anruf sei „eindeutig gewesen“, aber man sei dem Berichterstattungsauftrag nachgekommen.
Mehrere Kontaktversuche
Nach Darstellung von ZDF-Intendant Thomas Bellut belegen mehrere Vorgänge, dass Strepp die Berichterstattung habe beeinflussen wollen. Demnach ergebe sich die Intention einer Beeinflussung auch aus einer SMS an den Leiter des ZDF-Landesstudios München Sonntagfrüh. Schon darin habe sich Strepp nach dem geplanten Umfang der „Berichterstattung Ude“ erkundigt. Später habe Strepp erfolglos versucht, mit dem Leiter der ZDF-Hauptredaktion „Aktuelles“ Kontakt aufzunehmen, um über den SPD-Parteitag zu telefonieren, führte Bellut weiter aus.
Schon vorher hatte Frey gefordert, Strepp müsse die Frage beantworten, warum und mit welcher Intention er direkt in der „heute“-Redaktion angerufen habe. Er sei mit der Reaktion der Kollegen sehr zufrieden. „Wir senden, was wir senden, egal wer anruft.“
Scharfe Kritik
Die politische Konkurrenz reagierte mit scharfen Vorwürfen: „Das Bauernopfer ist gefallen“, erklärte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. „Doch wir wollen wissen, wer die Verantwortung für den Anruf des Pressesprechers trägt. Es ist schwer vorstellbar, dass der Pressesprecher völlig eigenmächtig handelte.“ Der „kläglich gescheiterte Einschüchterungsversuch“ zeige, dass „aus Angst vor dem Machtverlust im eigenen Land hier die Grundfesten unserer Demokratie skrupellos mit Füßen getreten“ werden.
Der bayerische Grünen-Landeschef Dieter Janecek betonte: „Der Zensurversuch der CSU zeigt ihr erbärmliches Verständnis von Pressefreiheit und ihre Angst vor Machtverlust.“ Die Grünen im Bundestag reagierten mit „ernsthafter Sorge“ auf die Berichte über den angeblichen CSU-Versuch einer Einflussnahme auf die ZDF-Berichterstattung. Er sei darüber „wirklich schockiert“, sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Volker Beck am Donnerstag im „Morgenmagazin“ der ARD. Der medienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Burkhardt Müller-Sönksen, sprach von einem „schweren Fall von Bedrohung der Rundfunkfreiheit“.
Journalisten fordern weniger Politeinfluss
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) forderte weniger Einfluss der Politik auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Politiker meinten, „ihnen gehört dieser Rundfunk, weil sie in den Gremien sitzen und dort entscheiden können“, sagte der Verbandsvorsitzende Michael Konken der ARD.
„Wir hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht hier über etwas mehr Staatsferne bald entscheiden wird, und die Politik zunehmend mehr aus diesen Gremien verschwindet.“ Der stellvertretende Chef der Gewerkschaft Verdi, Frank Werneke, verlangte von Seehofer ein Bekenntnis zur Pressefreiheit und zur Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Links: