„Ordentliche Abschlüsse“ gefordert
Am Mittwoch beginnt das Feilschen um einen neuen Kollektivvertrag (KV) für über eine halbe Million Angestellte im österreichischen Handel. Die Gewerkschaften nehmen sich diesmal nichts Geringeres vor, als den Handel aus dem „Niedriglohnbranchen“-Eck herauszuholen. Die Zeiten müssten endlich vorbei sein, gaben sich die Verhandler kämpferisch.
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Kein KV umfasst mehr Beschäftigte, keiner mehr Frauen. Gemeinhin gelte der Handelsberuf aufgrund niedriger Bezahlung und ungünstiger Arbeitszeiten als unattraktiv, kritisierten Gewerkschaftsvertreter nach einer Besprechungsrunde am Mittwochabend im Vorfeld der KV-Runde. Das Bruttodurchschnittsgehalt für Vollzeitbeschäftigte sei monatlich um rund 380 Euro niedriger als das Durchschnittsgehalt von Angestellten anderer Branchen, zitierten die Arbeitnehmervertreter aus einer IFES-Umfrage.
Pochen auf Einstufung in richtigen Vertrag
Hauptaugenmerk der diesjährigen Verhandlungen sei es, den Lohnunterschied des Handels zu anderen Branchen kleiner zu machen, sagte Arbeitnehmer-Chefverhandler Franz Georg Brantner von der Privatangestelltengewerkschaft GPA-djp. Für seinen Koverhandler Manfred Wolf könnte die eine Hälfte schon dadurch erreicht werden, dass „man die Beschäftigten endlich alle richtig einstuft“. „Die andere Hälfte erreicht man durch entsprechende Gehaltserhöhungen“, so Wolf.
Einen konkreten Prozentsatz gab die Gewerkschaft, die den Handelskollektivvertrag auf Arbeitnehmerseite aushandelt, noch nicht bekannt. Das werde in bewährter Tradition kurz vor der ersten Verhandlung intern vereinbart und dann den Arbeitgebern präsentiert, hieß es. Die Arbeitnehmervertreter machten aber klar, dass „ordentliche Abschlüsse“ herausschauen müssen. Der private Konsum schwäche sich nicht ab, der Handel schütte weiter Millionen aus und stehe gut da.
„In Richtung 1.400 Euro“ Mindestgehalt
Als Basis für die Gehaltserhöhung wird eine Inflationsrate von etwa 2,65 Prozent herangezogen. „Damit den Menschen netto real etwas bleibt, muss die Erhöhung zumindest um einen Prozentpunkt über der Inflationsrate liegen“, sagte GPA-Vizechef Karl Proyer. Es sei aber „völlig klar, dass es Richtung 1.400 Euro geht“. Derzeit beträgt das Mindestgehalt im Handel 1.350 Euro brutto für Vollzeitkräfte. 2011 einigten sich die Sozialpartner auf eine gestaffelte Gehaltserhöhung von im Schnitt 3,6 Prozent, jedoch mindestens 50 Euro.
Ein weiteres zentrales Anliegen der Gewerkschaft ist die sechste Urlaubswoche, die Handelsangestellte nur bekommen, wenn sie 25 Jahre durchgehend im selben Unternehmen arbeiten. Aus Vordienstzeiten sowie Schul- und Studienzeiten werden bisher maximal zwölf Jahre angerechnet. Im Schnitt blieben Beschäftigte nur zwei bis fünf Jahre bei einem Arbeitgeber, „da erleben sie die sechste Urlaubswoche nie“, meinte Brantner. Nur fünf Prozent kämen derzeit in den Genuss der sechsten Urlaubswoche.
Droht „Zerschlagung der Sozialpartnerschaft“?
Beim Wunsch der Arbeitgeber, den Kollektivvertrag flexibler zu gestalten und die Ausbezahlung von Resturlauben zu ermöglichen, hat die Gewerkschaft bereits abgewunken. Bei der Samstagsarbeit will die Gewerkschaft dem Handel etwas entgegenkommen und „ein bisschen mehr an Wahlmöglichkeiten“ gewähren. Derzeit dürfen Handelsmitarbeiter nur an jedem zweiten Samstag arbeiten, was aus Sicht der Arbeitgeber nicht mehr zeitgemäß ist.
Obwohl in Österreich 97,5 Prozent der Arbeitnehmer einen Kollektivvertrag haben und damit so viele wie nirgends sonst, sieht Proyer den Kollektivvertrag unter Druck. „Gewisse Arbeitgeber haben es auf die Zerschlagung der Sozialpartnerschaft angelegt“, meinte er mit Blick auf die Metaller, die heuer erstmals getrennt verhandeln, und auf den Journalisten-Kollektivvertrag, der von den Arbeitgebern aufgekündigt wurde - vor dem Hintergrund immer weiter verbreiteter journalistischer Dienstverträge, die den korrekten Kollektivvertrag umgehen.
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