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Schnelle Füchse und faule Hunde

Anfangs brachte die Kuba-Krise die Welt an den Rand eines Atomkriegs, dann veränderte sie die Einstellung zu Atomwaffen grundlegend. Schlagartig war den Supermächten 1962 die von Atomwaffen ausgehende Gefahr bewusst geworden. Es folgten Atomwaffensperr- und Abrüstungsverträge sowie das „rote Telefon“, eine Direktverbindung zwischen Washington und Moskau, die aber weder rot noch ein Telefon war.

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Da die politischen Führer von USA und Sowjetunion 1962 in den gefährlichen Stunden vor allem auch mit Kommunikationsproblemen zu kämpfen hatten, wurde 1963 in Genf die Einrichtung einer direkten Verbindung zwischen dem Weißen Haus in Washington und dem Kreml in Moskau beschlossen. Zwar wurde diese oft als „rotes Telefon“ bezeichnet, tatsächlich handelte es sich jedoch anfangs um eine Fernschreiberverbindung, die in den 1980er Jahren durch ein Fax und 2010 schließlich durch E-Mail und SMS abgelöst wurde.

Nixon mit „roter Telefonitis“

Nach Angaben ehemaliger US-Präsidenten bewährte sich die Direktverbindung - auch aus Gründen der Abhörsicherheit absichtlich schriftlich gehalten - in Krisensituationen immer wieder. Wie Henry Kissinger, Berater von Expräsident Henry Nixon, in seinen Memoiren schrieb, wurde das Medium dabei oft selbst zur Botschaft. Demnach habe das „rote Telefon“ Nachrichten mehr Nachdruck verliehen. Wie oft die Direktverbindung tatsächlich benutzt wurde und wird, ist bis heute unbekannt.

Am öftesten wurde jedenfalls der Text „the quick brown fox jumps over the lazy dog“ (Der schnelle braune Fuchs springt über den faulen Hund) über die transkontinentale Linie geschickt. Dabei handelt es sich um ein Pangramm, einen Satz, der alle Buchstaben des Alphabets enthält. Dieser wurde immer wieder zwischen Moskau und Washington hin und her geschickt, um die Funktionsfähigkeit der Verbindung zu testen. Schließlich sollten im Ernstfall fehlende Buchstaben nicht zu Missverständnissen führen, die einen Atomkrieg auslösen könnten.

Ab 1971 auch direkte Telefonverbindung

Daneben wurde 1971 tatsächlich auch eine direkte Telefonverbindung geschaffen, die allerdings nur zweitrangige Bedeutung hatte. Gerade in gefährlichen Situationen sollte die Schriftform auch zu besonnenerem Umgang miteinander führen. Erst als sich das Sprachbild vom roten Telefon schon längst eingebürgert hatte, wurde der Mythos vom roten Apparat ohne Wählscheibe viel später letztlich Realität - eher als modernes Machtinsigne denn als sinnvolles Kommunikationsmittel.

Auch über Rüstung muss man reden

Von grundlegender Bedeutung war vor allem die Erkenntnis aus der Kuba-Krise, dass man auch über Rüstung reden muss: Die erste Vereinbarung zur Eindämmung von Atomwaffen war 1968 der bis heute gültige Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation Treaty/NPT), der vorschreibt, dass die damals existierenden fünf Atommächte (Sowjetunion, USA, China, Frankreich und Großbritannien) keine Nuklearwaffen an Dritte weitergeben dürfen.

Staaten, die noch nicht im Besitz von Atomwaffen sind, dürfen diese auch nicht entwickeln/erwerben. Mittlerweile sind rund 190 Staaten dem Vertrag beigetreten, darunter auch Österreich. Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea, die den Vertrag nicht unterzeichnet haben, sollen heute über Atomwaffen verfügen. Der Iran, dem immer wieder vorgeworfen wird, Nuklearwaffen zu entwickeln - der das jedoch zurückweist - ist Mitglied des Vertrages.

Streit über Raketen auch 50 Jahre später

1972 trat der ABM-Vertrag (Anti Ballistic Missiles, Raketenabwehrsysteme) zwischen den USA und der Sowjetunion (UdSSR) in Kraft, der die Aufstellung entsprechender Systeme lediglich im Umkreis der Hauptstädte Moskau und Washington erlaubt. Die USA kündigten die Vereinbarung 2001 einseitig. Der ABM-Vertrag war Ergebnis der SALT-I-Verhandlungen. SALT I war 1972 der erste Vertrag, der die Zahl der Abschussvorrichtungen für Interkontinentalraketen begrenzte.

Dem ersten SALT-Vertrag folgten zahlreiche weitere darauf aufbauende Vereinbarungen. Zuletzt trat 2002 aufgrund des Scheiterns vorangegangener Verträge das SORT-Abkommen zwischen Russland und den USA in Kraft. Es sieht vor, dass bis zum 31. Dezember 2012 die Atomarsenale der einstigen Supermächte auf 1.700 - 2.200 Sprengköpfe reduziert werden. Kritiker glauben jedoch nicht an dessen Erfolg. Insofern hat sich in den letzten 50 Jahren wenig geändert: Moskau und Washington streiten immer noch über Raketen.

Und immer noch Guantanamo

Tägliche Realität sind die Folgen der damaligen Krise bis heute für Kuba. Dort hielt die Präsenz von USA und Sowjetunion/Russland auch nach Ende des Kalten Kriege an - Russland schloss seine letzte Militäreinrichtung erst 2001 unter großem Protest Kubas. Zuvor hatte der US-Kongress eine Schuldenerleichterung für Russland von der Schließung der Militärbasis abhängig gemacht. Der US-Marinestützpunkt Guantanamo existiert gemäß einem unbefristeten Vertrag bis heute.

Das infolge der Terroranschläge des 11. September 2001 bekannt gewordene US-Militärgefängnis in Guantanamo, existiert - entgegen anderslautenden Wahlkampfversprechen von US-Präsident Barack Obama - bis heute. Die Existenz der US-Militär-Enklave geht auf einen 1901 von Kuba unter US-Hegemonie verabschiedeten Verfassungszusatz (Platt Amendment) zurück, der den USA erlaubte, auf der Karibikinsel eine Flottenbasis zu errichten.

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