Euro-Zone erhöht Druck auf Samaras
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) reist am Dienstag erstmals seit Beginn der Euro-Schuldenkrise nach Griechenland. Bei dem eintägigen Kurzbesuch in Athen sind Gespräche mit Regierungschef Antonis Samaras und Staatspräsident Karolos Papoulias geplant. Außerdem will Merkel mitten in der schweren Wirtschaftskrise des Landes mit griechischen und deutschen Unternehmern zusammentreffen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Für den Besuch wurden in der Hauptstadt Athen massive Sicherheitsvorkehrungen getroffen, mehrere Tausend Polizisten sollen im Einsatz sein. Demonstrationen innerhalb des Regierungsviertels waren am Vorabend verboten worden. Verdächtig aussehende Passanten wurden laut Augenzeugenberichten kontrolliert. Aus Sicherheitsgründen sollen auch sechs U-Bahn-Stationen und zwei Schulen geschlossen werden. Die linke Opposition und Gewerkschaften riefen zu Protesten gegen Sparauflagen auf, die das hoch verschuldete Land für internationale Hilfen umsetzen soll.
Die seit Anfang Juni amtierende Regierung unter Samaras hofft auf finanzielle Erleichterungen und Zugeständnisse der internationalen Geldgeber. Ohne Zustimmung der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), deren Bericht inzwischen spätestens November erwartet wird, kann Griechenland nicht mit dem neuen Kredit in Höhe von 31 Milliarden Euro rechnen.
Schuldenabbau in weiter Ferne
Die Euro-Gruppe und der IWF zollten so wie Merkel im Vorfeld ihres Besuchs Griechenland Anerkennung für seine Fortschritte. Die Währungspartner signalisierten aber zugleich ein Ende ihrer Geduld: Bis in knapp zwei Wochen solle Griechenland die 89 Zusagen umsetzen, die vereinbart worden seien, sagte Euro-Gruppe-Chef Jean-Claude Juncker in der Nacht auf Dienstag. Die mehrstündigen Beratungen beschrieben Teilnehmer als „robust und gründlich“. Aus der Diplomatensprache übersetzt heißt das intensiv und ohne Einigung.

APA/EPA/Orestis Panagiotou
Deutsche Demonstranten solidarisieren sich in Athen mit den Griechen
Vor allem der Schuldenstand Griechenlands sorgt für Kopfzerbrechen. Nach einer Einschätzung des IWF wird Athen das Ziel der Schuldenreduzierung bis 2017 nicht erreichen. Die griechische Gesamtverschuldung werde in fünf Jahren bei 152,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, teilte der IWF am Dienstag mit. In Zusammenhang mit den Finanzhilfen für Griechenland war eine Verschuldung von maximal 137,3 Prozent des BIP geplant.
IWF-Chefin Christine Lagarde machte in der nächtlichen Pressekonferenz klar: „Es gibt Fortschritte an Ort und Stelle. Aber es muss noch mehr getan werden, an allen Fronten.“ „Handeln bedeutet handeln und nicht nur reden“, fügte sie hinzu. EZB-Chef Mario Draghi sprach ebenfalls die „wahrnehmbaren Reformschritte“ an, mahnte Athen aber gleichzeitig zu größeren Anstrengungen. „Bei den Reformen muss in Griechenland mehr getan werden.“
„Keine Mitbringsel“
Vor Merkels Besuch dämpfte Berlin die Hoffnungen der Griechen auf rasche Zugeständnisse beim Spar- und Reformprogramm. Von Merkel seien keine „Mitbringsel“ zu erwarten, hieß es in Berlin. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, Grundlage für alle Entscheidungen sei der noch ausstehende Bericht der Troika. Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte am Montagabend in den ARD-„Tagesthemen“, Merkel werde mit den Griechen nicht über den Troika-Bericht reden. Es gehe vielmehr darum, „was wir völlig unabhängig davon europäisch, aber vor allem auch bilateral, national tun können, um Griechenland zu helfen“.
Wirtschaftsminister Philipp Rösler knüpfte weitere Zugeständnisse der Euro-Partner an die Umsetzung von Reformen. „Der Besuch der Bundeskanzlerin in Griechenland zeigt, dass wir nach wie vor zur Solidarität bereit sind, allerdings gilt ebenso nach wie vor, dass die zugesagten Reformen auch umgesetzt werden müssen“, sagte Rösler der „Rheinischen Post“ (Dienstag-Ausgabe). „Ob das gelingt oder nicht, wird der Troika-Bericht zeigen.“
„In aller Freundschaft“
Merkel selbst sagte am Montagabend auf einer CDU-Regionalkonferenz in Düsseldorf, in Athen werde sie „in aller Freundschaft über das sprechen, was noch zu leisten ist“. Strenge Regeln in Europa seien unverzichtbar. Mittelmaß reiche nicht aus, und „der Langsamste in Europa“ könne nicht das Tempo bestimmen. Der griechische Regierungschef stimmte sein Kabinett nach Informationen der „Bild“-Zeitung (Dienstag-Ausgabe) auf einen Neuanfang ein. „Wir beginnen ein neues Kapitel in den Beziehungen unserer Länder“, sagte Samaras demnach.
Scharfe Kritik von Sinn
Der deutsche EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) forderte Impulse für Wachstum und Beschäftigung in Griechenland. „Die Griechen sparen inmitten einer schweren Wirtschaftskrise massiv, mit bitteren sozialen Folgen und negativen Effekten für die Wirtschaft. Deshalb braucht Athen jetzt zusätzlich zu den Reformen einen Impuls, um Wachstum und Beschäftigung zu stimulieren und so aus der Schuldenspirale herauszukommen“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Dienstag-Ausgabe).
Der Münchner Ökonom Hans-Werner Sinn warf Merkel vor, sich lediglich Zeit bis nach der Bundestagswahl zu kaufen. „Die ehrliche Botschaft wäre: Man kann den Griechen im Rahmen des Euro kein Sparprogramm zumuten, das sie wettbewerbsfähig macht. Europa und Griechenland müssten gemeinsam einen Weg suchen, damit das Land den Anschluss finden kann. Das wäre ein temporärer Austritt aus der Euro-Zone“, sagte Sinn der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag-Ausgabe). Diese Botschaft überbringe Merkel den Griechen leider nicht.
Links: