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Debatte mit vielen Fallstricken

Fünf Wochen vor der US-Wahl treffen Präsident Barack Obama und sein Herausforderer Mitt Romney in einer ersten TV-Debatte erstmals direkt aufeinander. Im Mittelpunkt des eineinhalbstündigen Rededuells am Mittwochabend (Ortszeit) in Denver (Colorado) steht die Innenpolitik - vor allem die Wirtschaft und die hohe Arbeitslosigkeit.

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Es handelt sich um die erste von insgesamt drei Fernsehdebatten. Das Duell, das vom öffentlichen TV-Sender PBS ausgerichtet wird, verläuft nach strengen Regeln. Die Fragen stellt der Moderator Jim Lehrer, Obama und Romney haben jeweils zwei Minuten für eine Antwort.

Mitt Romney

AP/ Evan Vucci

Romney macht vor seinen Anhängern gegen Obama mobil

Kommentatoren in Washington sprechen von der möglicherweise letzten Chance Romneys, seinen Rückstand in den Umfragen aufzuholen. Bereits vor Beginn des Wahlkampfes hatte es allerdings von Insidern der Republikaner geheißen, Romneys Vorsprung auf Obama müsse groß sein, um mögliche Patzer bei den TV-Duellen auszugleichen. Auch der Unmut der Konservativen über die wenig fulminante Wahlkampagne des früheren Gouverneurs und Finanzinvestors wächst.

Die weiteren TV-Duelle

Die zweite TV-Debatte findet am 16. statt. Es handelt sich um ein „Town Hall Meeting“, ein Bürgertreffen, bei dem die Zuschauer die Fragen stellen. Das dritte und letzte TV-Duell am 22. Oktober steht im Zeichen der Außenpolitik. Vizepräsident Joseph Biden und der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan treffen am 11. Oktober aufeinander. ORF III überträgt alle TV-Duelle live, das erste am Donnerstag ab 3.00 Uhr.

Obama setzt auf „Romney vs. Romney“

Akribisch entwerfen US-Medien im Vorfeld Szenarien, welchen Verlauf die Debatten nehmen könnten. So enthüllen sie etwa, dass Romney, der Herausforderer, vor allem auf „Zinger“ setzen will - auf kurze, scharfe Bemerkungen, mit denen er Obama aus dem Gleichgewicht bringen will. „Ich weiß, dass die Leute von den Medien schon darüber spekulieren, wer die besten Zinger hat“, so Obama. Offenbar will der amtierende Präsident auf solche Sprüche gar nicht erst eingehen. Laut Jennifer Psaki, Wahlkampfsprecherin des Präsidenten, spricht Obama „direkt zum amerikanischen Volk“.

Hinter den Kulissen hofft man allerdings auf Patzer Romneys. Die Strategie vom Duell „Romney vs. Romney“ macht die Runde, wie US-Medien berichten. Niemand könne den Herausforderer besser erledigen als dieser sich selbst. Der für seine Fettnäpfchen bekannte republikanische Kandidat stelle sich wahrscheinlich selbst ein Bein, so die Hoffnung der Demokraten um Obama.

Barack Obama

AP/Carolyn Kaster

Obamas vorbereitete Reden begeistern seine Anhänger

Training mit Sparringpartnern

Laut dem Republikanern bereitet sich Romney bereits seit Wochen akribisch auf die TV-Debatten vor. Im Obama-Lager gibt man sich gelassener. Der amtierende Präsident habe wegen seiner Arbeit nur an den Wochenenden vor den Debatten Zeit, sich vorzubereiten. Gründe für den Zeitmangel seien etwa „die Ereignisse im Nahen Osten, sein voller Reiseplan und einfach die Fesseln des Regierens“, so Obama-Kampagnensprecherin Psaki.

Die Kandidaten setzen auf erfahrene Übungsgegner. Romney trainiert mit Senator Rob Portman aus Ohio. Obama suchte sich den Ex-Präsidentschaftskandidaten John Kerry aus. Der trat 2004 gegen den damaligen Amtsinhaber George W. Bush selbst in TV-Duellen an.

Die Schwachpunkte der Kontrahenten

TV-Debatten behagen den beiden Politikern an sich weniger, lieber sprechen sie direkt vor Menschenansammlungen. Romney steht unter Zugzwang, da er in den Umfragen hinterherhinkt. Kein US-Präsidentschaftskandidat hat allerdings mehr Erfahrung mit Debatten als er. Allein bei seiner gescheiterten Bewerbung 2008 für die Kandidatur seiner Partei trat er zu mehr als 15 Rededuellen an. Bei den Vorwahlen in diesem Jahr waren es sogar mehr als 20. Der Republikaner hat sich dabei kämpferisch gezeigt, kommt aber auch steif und verlegen herüber.

Obama wiederum mag zwar für seine vorbereiteten Reden berühmt sein, aber in Debatten strahlt er manchmal auch Unsicherheit aus. Zudem wirken einige seiner Antworten herablassend oder flapsig. Mitunter macht er den Eindruck, als wäre er immer noch der Jusdozent, der er einst an der Universität von Chicago war.

Der Gegner muss größer gemacht werden

Entsprechend versuchten beide Seiten im Vorfeld die Erwartungen zu dämpfen und auch ihre Gegner größer zu machen. Romney sei ein guter Redner, sagte Obama am Sonntag bei einem Auftritt an einer Schule in Nevada. „Bei mir geht’s so.“ Dabei betonen Experten, bei den Rededuellen gehe es eher um die Quoten der TV-Sender denn um wirkliche wahlentscheidende Ereignisse. Die allermeisten Wähler wüssten schon vor dem ersten „Showdown“ (TV-Sender CNN), wo sie am 6. November ihr Kreuz machen werden.

Republikaner hoffen auf „Gamechange“

Die Republikaner hoffen allerdings entgegen der Expertenmeinung darauf, dass Romney gleich in der ersten Debatte die Lage auf einen Schlag herumreißen könnte. „Am Donnerstagmorgen wird das gesamte Rennen verändert sein“, prophezeit Chris Christie, der populäre Gouverneur aus New Jersey. Dabei verweisen Studien darauf, dass es in den vergangenen 50 Jahren bestenfalls zwei Debatten gab, die das Wahlergebnis entscheidend beeinflussten, wie die „New York Times“ berichtet.

Experten betonen, dass nur echte Aussetzer, schwere Patzer oder rhetorische Blackouts dazu führen könnten, dass eine Debatte zum „Gamechanger“ wird - zum Ereignis, das die ganze Ausgangslage wenige Woche vor der Wahl völlig durcheinanderwirbelt. Ob sich Obama oder Romney derartige Schwächen leisten, ist mehr als fraglich. Auch dass einer der beiden wütend mit der Faust auf den Tisch haut oder entnervt aus der Haut fährt, gilt als extrem unwahrscheinlich - dazu sind die Kontrahenten schlichtweg zu professionell.

Romneys Sündenregister

Sowohl Romney als auch Obama sind schon in Fettnäpfchen getreten. Romneys Problemliste ist lang: Die Nominierung des fiskalpolitischen Falken Ryan zum Vizepräsidentschaftskandidaten im Sommer verpuffte, auch der maue Wahlparteitag Ende August erzeugte keine Wechselstimmung. Dazu leistete sich der Kandidat immer wieder Patzer. Vor allem ein heimlich aufgenommenes Video von einem Spendendinner, bei dem Romney fast die Hälfte der Wählerschaft in die Nähe von Sozialschmarotzern rückte, kratzte an seinem Image.

Konservative Kommentatoren gingen mit Romney hart ins Gericht. Der „Weekly Standard“ nannte die Äußerungen des Kandidaten „dumm und arrogant“, das „Wall Street Journal“ beschrieb Romneys Kampagne als „rollende Katastrophe“. Das Magazin „National Review“ berichtete, Vizekandidat Ryan habe in der vergangenen Woche mit mehreren konservativen Meinungsmachern telefoniert, um dem Eindruck einer scheiternden Kampagne entgegenzuwirken. In einer Talksendung des Nachrichtensenders Fox News räumte Ryan am Sonntag ein, dass es einige „Fehltritte“ gegeben habe.

Auch Obama nicht immer sattelfest

Obama seinerseits lieferte dem politischen Gegner eine Steilvorlage, als er Geschäftsleuten erklärte, nicht sie hätten ihre Firmen aufgebaut, das sei mit Regierungshilfe geschehen. Seine Formulierung „You didn’t build that“ übernahmen die Republikaner in ihre Wahlwerbung.

In den US-Medien hat sich aber zunehmend die Meinung durchgesetzt, dass Obama trotz der historisch hohen Arbeitslosigkeit auf eine zweite Amtszeit zusteuert. Der Präsident liegt der Website Realclearpolitics.com zufolge in landesweiten Umfragen im Schnitt vier Prozentpunkte vorne. Ihm werden auch die besseren Chancen eingeräumt, beim Urnengang am 6. November die nötigen 270 Wahlmännerstimmen zu ergattern: In entscheidenden US-Staaten wie Ohio, wo die Arbeitslosigkeit für die USA gesehen niedrig ist, und in Florida sehen Meinungsforscher den Amtsinhaber in Führung.

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