Knapp jedes vierte Kind betroffen
Falsche Ernährung, Übergewicht und die damit verbundenen Zivilisationskrankheiten sind ein zunehmendes Problem in den Industriestaaten. Die USA werden in diesem Zusammenhang gerne als Negativbeispiel Nummer eins genannt, aber Europa - auch Österreich - ist scheinbar dabei „aufzuholen“. Mittlerweile bringen 40 Prozent der Österreicher mehr auf die Waage, als der Gesundheit guttut.
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Direkte Vergleiche mit dem letzten Ernährungsbericht (aus dem Jahr 2008) lassen sich wegen unterschiedlicher Erhebungsmethoden nicht ziehen. Fest steht laut der aktuellen Version 2012, die das Gesundheitsministerium Ende September veröffentlichte, allerdings, dass der Speiseplan insgesamt immer noch zu viel Fett, Zucker und Salz enthält und die Österreicher gleichzeitig zu wenig Bewegung machen. Obst und Gemüse kommen zu selten auf den Teller. Logische Folge: „Die Energiebilanz stimmt nicht“, so Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) anlässlich der Veröffentlichung.
Die Zahlen steigen mit zunehmendem Alter bei beiden Geschlechtern, wobei Übergewicht bei Männern (52 Prozent) viel häufiger ist als bei Frauen (28 Prozent). Bei den 65- bis 80-Jährigen macht der Anteil rund ein Drittel aus.
„Ergebnisse besorgniserregend“
Bei Schulkindern (sechs bis 15 Jahre) sind 24 Prozent zu dick, davon acht Prozent adipös (fettleibig). Damit steigt die Wahrscheinlichkeit auf gesundheitliche Spätfolgen. Bei den Buben kämpfen 26 Prozent mit den Kilos, bei den Mädchen bringen 22 Prozent deutlich zu viel auf die Waage. 2008 war der Prozentsatz (andere Erhebungsmethode, Anm.) der übergewichtigen Kinder bei 19 Prozent gelegen.
BMI und Übergewicht
Ein grundsätzlicher (aber nicht immer eindeutiger) Indikator für Normal- bzw. Übergewicht ist der Body-Mass-Index (BMI). Er errechnet sich nach der Formel Körpergewicht durch Körpergröße in Metern zum Quadrat (kg/m2). Bei Erwachsenen bedeutet laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein BMI von unter 18,5 Untergewicht, einer bis 24,9 Normal- und ein höherer Wert Übergewicht. Ab einem BMI von 30 spricht man von Adipositas.
Die Ergebnisse seien insgesamt „besorgniserregend“, resümierte Stöger. Zum Vergleich: In den USA beträgt die Anzahl der krankhaft Übergewichtigen laut Daten des Center for Disease Control and Prevention (CDC, Daten 2009/2010, Anm.) unter den Erwachsenen bereits 35,7 und bei Kindern und Jugendlichen (zwei bis 19 Jahre) fast 17 Prozent. Der Anteil der fettleibigen Kinder ist damit mehr als doppelt so hoch wie hierzulande.
In allen Altersgruppen findet sich auch das bereits früher beobachtete Ost-West-Gefälle, sowohl beim Gewicht als auch beim Ernährungsverhalten. Die Menschen in Ostösterreich (in Wien, Niederösterreich, der Steiermark und dem Burgenland) sind dicker und haben tendenziell ungünstigere Ernährungsgewohnheiten als jene in den westlichen Bundesländern.
Wissen ist da - nur Umsetzung fehlt
Auf dem Speiseplan stehen laut Experten zu oft Fleisch und Fleischwaren, insbesondere bei Männern. Die verzehrten Mengen an Obst und Gemüse liegen laut aktuellem Ernährungsbericht deutlich unter den Empfehlungen. Auch stärkehaltige Produkte wie Brot, Reis und Getreide, Nudeln und Kartoffeln, Milch und Milchprodukte sowie Hülsenfrüchte kommen zu selten auf den Teller. Das Essen ist zu einseitig.
Seit der Veröffentlichung des letzten Berichts 2008 hat sich offenbar nicht viel geändert. „Obwohl das Wissen um eine gesunde Ernährung in der Bevölkerung sehr hoch ist, mangelt es offensichtlich an der Umsetzung“, hatte es schon damals geheißen.
Salzstreuer in Griffweite
Durch den hohen Anteil an Fleischwaren und Wurst an der Ernährung steigt - und zwar in allen Altersgruppen - die Zufuhr an Kochsalz über das empfohlene Maß. Mehr als die Hälfte der Erwachsenen greift sogar so oft zum Salzstreuer, dass die Menge den als gesundheitlich bedenklichen Wert von zehn Gramm übersteigt. Auch der Verzehr von Süßwaren, Knabbereien und zuckerhaltigem Gebäck ist laut dem Bericht quer durch alle Altersgruppen zu hoch.
Am Trinkverhalten haben die Ernährungsexperten nichts auszusetzen. Die Empfehlung von mindestens 1,5 Litern täglich in Form von Leitungs- oder Mineralwasser bzw. ungesüßten Getränken im Mittel wird erreicht. Bei den meisten Vitaminen und Mineralstoffen ist die Zufuhr ebenfalls ausreichend.
„Aktionsplan“ gegen Kilos
Im Jahr 2009 hatte das Gesundheitsministerium den „Nationalen Aktionsplan Ernährung“ ins Leben gerufen. Dessen Ziel ist es laut Ausgabe 2012, ernährungspolitische Maßnahmen und Strategien zu bündeln, um so eine „Trendumkehr der steigenden Übergewichts- und Adipositaszahlen bis 2020 zu erreichen“. Ein Schwerpunkt ist etwa das Thema Schulverpflegung, um beim Problem Übergewicht bereits frühzeitig bzw. präventiv anzusetzen.
Generell sei „ein Anstieg der ernährungs- und lebensstilassoziierten Erkrankungen“ in Österreich zu beobachten. In acht Jahren, heißt es in dem Papier, dürften bereits mehr als drei Viertel aller Todesfälle in den Industriestaaten auf das Konto dieser typischen Zivilisationskrankheiten gehen. Die Risikofaktoren: Übergewicht, einseitige Ernährung, Rauchen, zu viel Alkohol und zu wenig Bewegung. Für den Ernährungsbericht 2012 wurden zum ersten Mal neben anthropometrischen Messungen (Gewicht, Größe, Bauchumfang etc.) und Befragungen zur Nahrungsaufnahme auch bei allen 1.002 Testpersonen laborchemische Analysen von Blut- sowie Harnproben durchgeführt.
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