„Großes Drama und kleines Glück“
Über 15.000 verkaufte DVD-Boxen, hymnische Kritiken schon vor dem Fernsehstart und das Potenzial zur kultigsten und kreativsten österreichischen Fernsehserie seit dem „Mundl“ - das ist die neue Voralpensaga und -groteske „Braunschlag“, die ab 18. September in ORF eins zu sehen ist.
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„Braunschlag“ ist der Name eines gottverlassenen und fiktiven Waldviertler Nestes, das von seinem ebenso abgehalfterten wie bauernschlauen Bürgermeister Gerri Tschach (Robert Palfrader) in den Ruin und „zu einem zweiten Griechenland“, wie es in einer der ersten Folgen heißt, heruntergewirtschaftet wird.
Um den Ort und seine eigene Haut zu retten, braucht der Ortshäuptling ein Wunder, das er kurzerhand mit Hilfe seines Freundes und dauerbetrunkenen Ortsdiscobesitzers Richard Pfeisinger (Nicholas Ofczarek) selbst inszeniert. Die beiden fingieren eine Marienerscheinung, und damit das Wunder tatsächlich ein Wunder wird, kommt die wundersame Wiederauferstehung eines „Todgeweihten“ genau richtig.

ORF/Superfilm/Ingo Pertramer
Mit einer billigen Marienstatue fingieren Bürgermeister Tschach (Palfrader) und Discobesitzer Pfeisinger (Ofczarek) ein Wunder
Nicht nur Pilger stürmen daraufhin den Ort, in den sich bis dahin allenfalls Schwammerlsucher hinverirrten, auch der Vatikan und die allmächtige unter dem Synonym „St. Pölten“ firmierende Landespartei mit dem unsichtbaren, aber omnipräsenten „Onkel“ im Hintergrund stehen vor der Tür. Danach läuft alles aus dem Ruder. „Sex and Crime, großes Drama und kleines Glück. Alles in der Nussschale eines kleinen Dorfs“, wie es ORF-Filmchef Heinrich Mis nennt.
Vom Marienwunder zum Atomunglück
Gegen Ende wird „Braunschlag“ immer abgedrehter - als würde sich David Lynch in die Tiefen der österreichischen Seele und Provinz begeben. Im fulminanten Finale des Achtteilers geht es schließlich um Leben und Überleben in einem niederösterreichischen Kellerverlies, und Braunschlag wird vom Marienwunder zum „neichen Amstetten“, ehe auch noch ein Atomunglück den Ort heimsucht.
„Braunschlag“ ist witzig, authentisch, ernüchternd realistisch, hochkarätig besetzt und politisch unkorrekt. Es wird Kette geraucht, betrunken Auto gefahren, gekokst, mit der Autorität des Heiligen Vaters und der des Landesvaters gespielt. Was „Braunschlag“ so besonders macht, sind das hervorragende Drehbuch und die ausgefeilten Charaktere bis in die kleinsten Nebenrollen. Neben Palfrader und Ofczarek agiert ein kongeniales Ensemble mit bekannten Schauspielern wie Maria Hofstätter, Nina Proll, Sabrina Reiter, Manuel Rubey, Raimund Wallisch, Simon Schwarz, Chistopher Schärf, Branko Samarovski, Thomas Stipsits, Gabriela Schmoll, Liebgart Schwarz, Karlheinz Hackl, und Johannes Krisch.

ORF/Superfilm/Ingo Pertramer
„Braunschlag ist ein Ort, der in einem dunklen, abgelegenen Winkel des österreichischen Herzens liegt“
„Kein Abbild der Realität“
„Wir erzählen eine satirisch witzige, fiktive Geschichte - kein Abbild der Realität. Braunschlag ist scharf, situativ, witzig, hat Tiefe und eine durchgehende Geschichte“, fasste Ofczarek die Arbeit des Teams um Drehbuchautor und Regisseur David Schalko zusammen. „Braunschlag ist ein Ort, der in einem dunklen, abgelegenen Winkel des österreichischen Herzens liegt“, so Schalko, der schon für Erfolgsproduktionen wie „Aufschneider“ und „Willkommen Österreich“ verantwortlich zeichnete.
Versuche, die Ausstrahlung der Groteske noch zu verhindern, gab es laut ORF-Chef Alexander Wrabetz nicht. In Niederösterreichs Politik nimmt man die Satire, in der es an einer Stelle „Tschach, sei net deppat, sonst schick ma di in Nationalrat“ heißt, offenbar mit Humor, und in der niederösterreichischen Landesregierung soll der eine oder andere sich am Telefon inzwischen mit dem „Braunschlag“-Zitat „Hallo, hier St. Pölten“ melden.
Kritik von Kirchenvertretern
Erregungsverlass war hingegen auf die katholische Kirche. Eine „schändliche Klamaukkomödie, die anti-kirchliche Klischees bedient“, nannte Pater Karl Wallner, Gründungsrektor der Theologischen Hochschule von Heiligenkreuz, die Serie im aktuellen „News“. ORF-Chef Wrabetz sprach da lieber von der Darstellung „österreichischer Phänomene“, und Fernsehdirektorin Kathrin Zechner, die ihrem Vorgänger Wolfgang Lorenz für das „güldene Geschenk“ dankte, sagte, dass es sich nicht ausschließe, die Serie fantastisch zu finden und ein gläubiger Mensch zu sein.
TV-Hinweis
„Braunschlag“ startet am Dienstag um 20.15 in ORF eins mit einer Doppelfolge. In den kommenden Wochen ist die Serie dann jeden Dienstag um 21.05 Uhr zu sehen.
Quotenerwartungen wollte man bei den ORF-Verantwortlichen nicht äußern. Lediglich „Braunschlag“-Bürgermeister Palfrader wagte sich vor: „Wenn wir unter 400.000 Zusehern sind, bin ich beleidigt. Dann überlege ich, nach Nordschweden auszuwandern.“
Eine Fortsetzung von „Braunschlag“ wird es laut Filmchef Mis übrigens nicht geben. An einem ähnlich gelagerten Projekt mit Schalko und den „Braunschlag“-Protagonisten werde aber gearbeitet. „Um das zu überbieten, muss man anders antreten, und das werden wir tun. Es gibt den Schwur mit Schalko und Palfrader, wieder etwas zu machen, aber es wird etwas Anderes sein“, so Mis.
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