„Seriös und sachlich“
SPÖ-Parteichef und Kanzler Werner Faymann hat am Montag im ORF-„Sommergespräch“ die Schaltung von Inseraten von ÖBB und ASFINAG in seiner Zeit als Infrastrukturminister verteidigt. Inserate zu schalten, sei nicht verboten, so Faymann. Faymann verteidigte im Gespräch mit Armin Wolf im Wiener Gartenhotel Altmannsdorf auch den Schwenk der SPÖ bei der Wehrpflicht.
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Es gebe keine Anklage, insofern stelle sich die Frage, ob er im Fall einer Anklage zurücktreten müsse, nicht. Eine generelle Linie, wie sich Politiker bei einer Anklage zu verhalten hätten, wollte Faymann nicht festlegen: Man müsse sich immer den individuellen Fall anschauen. Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) hatte im „Sommergespräch“ gemeint, dass Faymann „sein Amt nicht mehr weiter ausüben“ könnte.
Berufung auf Gutachten
Faymann sagte, er sei als Verkehrsminister dafür verantwortlich gewesen, wie das Image der Bahn und der ASFINAG aussehe. 40.000 Jobs seien davon abhängig. Er berief sich auf ein Gutachten, wonach bei der Kampagne die ÖBB seriös und sachlich dargestellt worden seien. Auch dabei Prominente - wie ihn selbst - zu verwenden, sei sinnvoll. Dass einige bezahlte Anzeigen nicht als solche ausgewiesen worden seien, dafür sei er nicht verantwortlich. Faymann berief sich zudem auf andere Ministerien, die ebenfalls Inserate schalten - und auch der ORF würde seine Sendungen ja in Zeitungen bewerben.

ORF
Faymann und Wolf bei ihrem Gespräch
Dass SPÖ und ÖVP derzeit die Weiterführung des U-Ausschusses, bei dem die Inseratenaffäre das nächste Thema wäre, blockieren, verneinte Faymann. Wenn er von den Abgeordneten eingeladen würde, würde er auf dem U-Ausschuss Rede und Antwort stehen. Von angeblichen Drohungen der SPÖ gegen die ÖVP, wenn diese einer Ladung von ihm zustimmen, wollte Faymann nichts wissen.
Meinungsschwenk bei Wehrpflicht
Den Meinungsschwenk der SPÖ in Sachen Berufsheer begründete der Kanzler u. a. damit, dass viele Länder ihre Armee umgestellt hätten. Diese Meinungsänderung sei aber nicht vom Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) diktiert worden. Schon vor Häupls Forderung nach einer Volksbefragung über die Wehrpflicht wenige Tage vor der Wien-Wahl 2010 habe es parteiintern diesbezügliche Gespräche gegeben.
Er sei aber „überrascht gewesen vom Zeitpunkt“, zu dem der Vorstoß des Bürgermeisters gekommen ist, sagte Faymann. Dass Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) drei Monate vor Häupls Ansage ein Berufsheer noch für doppelt so teuer gehalten und den Katastrophenschutz im heutigen Umfang ohne Grundwehrdiener für nicht machbar gehalten hatte, begründete Faymann damit, dass der Verteidigungsminister damals noch nicht so weit gewesen sei wie heute. Der Entscheidung bei der Volksbefragung habe sich Darabos jedenfalls zu beugen. Faymann verwies auch auf Deutschland, wo der Umstieg weg vom Präsenzdienst entgegen vielen Voraussagen auch funktioniert habe.
Gegen Studiengebühren, aber für Debatte
Zu den Rufen nach Studiengebühren aus seiner eigenen Partei sagte Faymann, er sei überzeugt, dass es derzeit kein Modell gibt, das den Unis zusätzliche Einnahmen beschert. Die Diskussion an sich sei wichtig, er werde sich mit seinem Standpunkt auch beteiligen.
Auf eine mögliche Regierungszusammenarbeit mit der Partei Frank Stronachs wollte Faymann nicht eingehen. Er wisse nicht einmal, ob Stronach antrete. „In aller Gelassenheit“ wolle er die Frage an sich herankommen lassen, ob der Austrokanadier kandidiert und wie die Wähler und Wählerinnen entscheiden.
Euro-Schutzschirm als „Investition“
Zur Euro-Krise sagte Faymann, der Beschluss des Euro-Schutzschirms sei keine wesentliche EU-Vertragsänderung - und daher sei auch keine Volksabstimmung notwendig gewesen. Das Teuerste für Österreich wäre, „wenn der Euro zusammenbricht, sich die Arbeitslosigkeit vervielfacht und die Wirtschaft in eine tiefe Rezession kommt“. Die niedrigen Zinsen könnten Österreich aufgrund seiner Stabilität derzeit jährlich zwei bis vier Milliarden bringen. Die Schutzschirme seien quasi eine Investition in einen Markt, von dem Österreich lebt.
Sollte Griechenland aus dem Euro austreten müssen, würde es die Falschen - die Armen und die Arbeiter - treffen, so Faymann. Alle anderen hätten ihr Sparbuch ohnehin schon ins Ausland gebracht. Daher müsse man Griechenland ermuntern, die strengen Bedingungen einzuhalten.
„Wäre auch ohne ‚Krone‘ Kanzler“
Er wäre auch ohne die „Kronen Zeitung“ heute Kanzler, sagte Faymann zu dem Naheverhältnis zwischen ihm und dem ehemaligen Chef der Boulevardzeitung, Hans Dichand. Er halte die „Krone“ für ein erfolgreiches Medium. Die personellen Verwicklungen Faymanns mit der „Krone“ und anderen Zeitungen sah Faymann als nichts Besonderes. Dass jemand, der lange in der Politik tätig ist, viele Bekanntschaften und Freundschaften habe, sei nicht außergewöhnlich. Und der Boulevard sei nur so mächtig, wie ihn der Leser mache, so Faymann.

APA/BKA/Andy Wenzel
Von Faymann erfuhr man, dass er den Taxischein gemacht hat, aber kaum als Taxler unterwegs war
Dass ihm laut Umfragen wenig Durchsetzungsfähigkeit zugetraut wird, erklärt Faymann damit, dass er als Regierungschef in einer Koalition auch auf andere Interessen Rücksicht nehmen muss: Kompromisse zu suchen sei eine „harte Arbeit“.
Live ausgestrahlt
Dazu, dass in seinen Lebensläufen das Studium der Rechtswissenschaften auftaucht, meinte der Kanzler, dass er inskribiert gewesen sei und einzelne Vorlesungen gemacht habe. Er habe aber nie angegeben, Prüfungen absolviert zu haben. Nach seiner Matura 1978 sei er in der Sozialistischen Jugend engagiert gewesen, meinte er auf die Frage, warum über diese Jahre so wenig bekannt sei.
Im Gegensatz zu den „Sommergesprächen“ mit den anderen Parteichefs, die jeweils einige Stunden vor Sendung aufgezeichnet worden waren, wurde das Interview mit Faymann live ausgestrahlt. Vonseiten der SPÖ hieß es, dass das aus „Termingründen“ nicht anders möglich gewesen sei. Ursprünglich war von einem Auslandstermin des Kanzlers die Rede gewesen.
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