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Mehr Schiffe als Aufträge

Für den Schiffbau stehen die Ampeln auf Gelb. Im vergangenen Jahr haben die Werften weltweit mit mehr als 101 Millionen Bruttotonnen so viele Schiffe hergestellt wie noch nie. Im laufenden Jahr sieht es noch halbwegs gut aus: Die Beratungsfirma Clarkson Research erwartet eine Produktion von 94 Millionen Bruttotonnen. Aber danach wird es finster.

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„Die Werften können das Produktionsniveau nicht über 2012 hinaus aufrechterhalten“, sagt Clarkson-Geschäftsführer Martin Stopford. Schon im nächsten Jahr werde die globale Schiffbauproduktion auf 70 Millionen Bruttotonnen fallen und damit auf das Niveau des Jahres 2008.

Schiffe werden immer größer

Die Reeder brauchen keine neuen Schiffe mehr, weil sie bis zur Krise fleißig bestellt haben. Mit zunehmender Globalisierung legte die Containerschifffahrt Jahr für Jahr mit zweistelligen Wachstumsraten zu. Auch Massengutfrachter für den Transport von Rohstoffen, Getreide und Futtermitteln, Öl- und Chemietanker und Passagierschiffe wurden überall auf der Welt gebraucht und gekauft.

Dabei wurden die Schiffe immer größer. So sieht das Wachstum der Welthandelsflotte zwischen 2007 und 2011 von 97.500 auf 104.300 Schiffe auf den ersten Blick gar nicht so eindrucksvoll aus. Gemessen am Schiffsraum (tdw) betrug der Zuwachs jedoch mehr als ein Drittel.

Charterraten im Keller

Mit der Krise ist die Schifffahrt in eine Schieflage gekommen. Die Fracht- und Charterraten sind im Keller, die Preise für gebrauchte Schiffe auch. In Deutschland sind Schiffskredite inzwischen so schwer zu bekommen, dass Hunderte von Kleinreedereien von der Insolvenz bedroht sind. Sie können kaum noch die Betriebskosten zahlen, geschweige denn Zins und Tilgung.

Und an neue Schiffe ist gar nicht zu denken. Seit 2008 liefern die Werften weltweit mehr Schiffe ab, als neue Aufträge hereinkommen. Das Orderbuch wird immer schmaler, der Auftragsbestand schmilzt dahin. Im ersten Halbjahr 2012 wurden weltweit 485 neue Aufträge an Werften erteilt.

Langfristige Wachstumsbranche

Die weltweit bedeutende Schiffbaumesse SMM, die bis Sonntag in Hamburg stattfand, versank dennoch nicht in Pessimismus. Es gibt auch positive Perspektiven. „Schiffbau und Meerestechnik geben uns Antworten auf die zentralen Zukunftsfragen Klimawandel, Energiewende und Rohstoffversorgung“, sagte der maritime Koordinator der deutschen Bundesregierung, Hans-Joachim Otto (FDP). Der Schiffbau habe zwar kurz- und mittelfristige Probleme, sei aber langfristig eine Wachstumsbranche. Die Insolvenz der P+S-Werften in Wismar und Stralsund sei ein bedauerlicher Einzelfall und kein Menetekel für die gesamte Branche.

China und Korea schwerer betroffen

Tatsächlich ist es denkbar, dass die gigantischen Schiffsfabriken in Korea und China härter von der bevorstehenden Krise getroffen werden als die kleineren europäischen Werften mit ihrem hohen Anteil an Ingenieurleistungen. Im Bereich der Offshore-Technik ist nicht nur der Ausbau der Windenergie auf See eine große technische Herausforderung. Auch die Förderung von Öl und Gas und vielleicht auch anderen Bodenschätzen auf See wird in den nächsten Jahren noch zunehmen. „Das sind Herausforderungen für den Spezialschiffbau“, sagte Otto.

Neue Umweltanforderungen

Die zweite große Herausforderung ist die Entwicklung sparsamerer und sauberer Schiffe. Die Reeder wollen die hohen Treibstoffpreise im Griff behalten, zumal diese wohl noch weiter steigen werden. Deshalb fordern sie von den Werften sparsamere Schiffsdesigns und Antriebssysteme. Das ist relativ neu; jahrzehntelang war der Brennstoff so billig, dass die Reeder sich kaum Gedanken darum machten. Seit einigen Jahren lassen sie sogar ihre Schiffe langsam fahren, um Treibstoff zu sparen.

Zudem werden auch für Schiffe die Umweltanforderungen in den kommenden Jahren immer strenger, das ist bereits beschlossen. Auch darauf muss die Branche Antworten finden. „Wir setzen den Fokus auf saubere, sichere und energieeffiziente maritime Technologien“, sagte der Vizechef des neuen europäischen Branchenverbandes SEA Europe, Dirk Lehmann. Wie die Reeder hoffen die Werften, dass für die gesamte Branche der Wind bald wieder dreht. In ein bis zwei Jahren, so lauten die meisten Prognosen, sind die globalen Transportmärkte wieder im Gleichgewicht. Und dann brauchen die Reeder auch wieder neue Schiffe.

Eckart Gienke, dpa