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Vierjährige „beginnt zu reden“

Im Fall der Bluttat in Ostfrankreich mit vier Toten - drei Mitglieder einer britischen Familie und ein französischer Familienvater - und zwei überlebenden Mädchen deutet laut dem Staatsanwalt von Annecy, Eric Maillaud, alles auf eine „Nummer-eins-Spur“ in die organisierte Kriminalität hin. „Es versteht sich von selbst, dass die kleinen Mädchen beschützt werden“, fügte er am Donnerstag hinzu.

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Laut Medienberichten zog die Polizei einen Schutzring um das Spital von Grenoble, wo die Achtjährige behandelt wird, die die Bluttat nur knapp überlebte. Ihre vierjährige Schwester hält sich möglicherweise ebenfalls dort auf. Die Polizei machte dazu bewusst keine Angaben. Ihr Vater, ihre Mutter und ihre Großmutter wurden am Mittwoch mit einer Vielzahl von Schüssen getötet, ebenso der in der Gegend wohnende Franzose, der in dem Gebiet einen Radausflug unternommen hatte.

„Zum Sterben liegen lassen“

Die Achtjährige ist trotz mehrerer Schädelfrakturen und Schusswunden inzwischen außer Lebensgefahr. Ob sie die Ermittler wie erhofft in einigen Tagen zu dem Verbrechen befragen können, ist allerdings ungewiss. Die Ermittler vermuten inzwischen einen Zusammenhang zu bewaffneten Banden, die in der Gegend Touristen ausrauben. In der Nacht nach dem Verbrechen soll es zwei versuchte Überfälle etwa 50 Kilometer vom Tatort entfernt gegeben haben.

Vorzelt und Wohnwagen der ermordeten britischen Familie

AP/Lionel Cironneau

Das Zelt der Urlauberfamilie auf einem Campingplatz in St. Jorioz bei Annecy

Zeugen wollen zudem unmittelbar nach der Tat ein Auto gesehen haben, das sich mit hoher Geschwindigkeit vom Tatort entfernt habe. Tatsache ist, dass der oder die Täter mit äußerster Brutalität vorgingen: Die Achtjährige wurde etwa schwerstverletzt vor dem Auto ihrer Familie „zum Sterben liegen lassen“, wie es aus Ermittlerkreisen hieß. Das kleinere Mädchen überlebte offenbar nur, weil es für tot gehalten worden war. Der Radfahrer dürfte als zufälliger Zeuge getötet worden sein.

Tat professioneller Killer?

Medien spekulierten angesichts der Kaltblütigkeit der Tat aber auch über eine Tat professioneller Killer, weil die Familie und der Radfahrer auf dem abgelegenen Waldparkplatz etwa Zeugen eines Kriminellentreffens geworden seien. Ob die beiden kleinen Mädchen den Ermittlern weiterhelfen können, ist ungewiss. Man muss davon ausgehen, dass beide schwer traumatisiert sind - vor allem die Vierjährige, die erst rund acht Stunden nach dem Eintreffen der Polizei gefunden wurde.

Staatsanwalt Eric Maillaud

APA/EPA/MAXPPP/Norbert Falco

Staatsanwalt Eric Maillaud

Vor allem wegen des Martyriums des kleinen Mädchens, das laut Maillaud „wie erstarrt“ lautlos unter der Leiche der eigenen Mutter gelegen war, wächst auch die Kritik an den Behörden. Maillaud rechtfertigte sich damit, dass die Polizei das Auto erst öffnete, als Experten der Spurensicherung aus dem 430 Kilometer entfernten Paris eingetroffen waren. Es war jedoch nicht die einzige Panne: Maillaud selbst hatte noch am Mittwoch den vermeintlichen Tod der Achtjährigen offiziell bekanntgegeben.

Behörden schweigsam

Eine mitten in der Nacht eingeleitete Suchaktion mit Hubschrauber und Wärmebildkamera galt jedoch offenbar bereits dem Mädchen. Die Ermittler hatten zuvor herausgefunden, dass sich der 50-jährige, aus dem Irak stammende Familienvater in einem örtlichen Campingplatz angemeldet hatte. Dort befragte Camper sprachen übereinstimmend von einer Familie mit zwei kleinen Mädchen. In der Gegend sorgte auch der Tod des Radfahrers für Bestürzung. Bei ihm handelte es sich offenbar um einen etwa 40-jährigen Vater in Elternkarenz.

Die Behörden geben weiterhin nur wenige offizielle Informationen zu dem Fall heraus, offenbar um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Maillaud sagte lediglich am Donnerstagabend gegenüber dem Fernsehsender BFM TV, alle Opfer seien erschossen worden, jeder der vier habe „mindestens einen Schuss in den Kopf“ bekommen. Das ältere der beiden Mädchen müsse „noch einmal operiert werden“. Das jüngere Mädchen allerdings habe „zu reden begonnen“. Ein Motiv für die Tat sei allerdings weiterhin nicht ersichtlich.

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