Mehr als 300 Tote in Daraja
Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat den Aufständischen einen „Kampf um jeden Preis“ erklärt. Zugleich bezeichnete der bedrängte Staatschef am Sonntag in Damaskus die seit 17 Monaten währende Volkserhebung gegen sein Regime erneut als ein vom Ausland gesteuertes Komplott. Bei einem neuen Massaker sollen mehr als 300 Menschen getötet worden sein.
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Ihre Leichen wurden in Daraja, einem Vorort von Damaskus, gefunden, den die Regierungstruppen eingenommen haben. Das berichteten mehrere Organisationen der Gegner des Regimes von Assad am Sonntag übereinstimmend.
Regime macht Rebellen verantwortlich
Der regimetreue Fernsehsender al-Dunja schickte eine Reporterin in den Ort, die dort Schwerverletzte und traumatisierte Kinder interviewte. Außerdem zeigte der Sender Videoaufnahmen von Leichen, die in Autos, auf dem Friedhof und vor Wohnhäusern liegen. Unter den Toten sind auch Frauen und Kinder. „Terroristen“ hätten die Verbrechen begangen, hieß es dort. Die Zivilisten seien Opfer der Regierungstruppen geworden, berichteten hingegen die Revolutionsaktivisten. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben war nicht möglich.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London teilte mit, in der Nähe einer Moschee in Daraja seien am Sonntag die Leichen von weiteren neun Männern entdeckt worden. Damit steige die Zahl der Opfer der fünftägigen Militäroperation in dem Vorort auf 320 Tote. Viele der Opfer von Daraja seien durch die Angriffe der Armee mit schweren Waffen oder im Gefecht ums Leben gekommen. Eine große Anzahl Menschen sei aber auch „ohne Prozess exekutiert“ worden. Daraja war erst am Freitag von den Regierungstruppen zurückerobert worden. Es folgten Razzien.
Immer mehr Opfer
Landesweit seien am Samstag in Syrien etwa 440 Menschen gewaltsam ums Leben gekommen, berichteten die Lokalen Koordinierungskomitees der Revolution. Am Sonntag wurden ebenfalls Dutzende Opfer gezählt. Der US-TV-Sender CNN sprach - unter Verweis darauf, dass sich Berichte aus Syrien derzeit praktisch nicht verifizieren lassen - vom „tödlichsten Tag“ seit Beginn des bewaffneten Aufstands gegen Assad im März 2011. Dasselbe gilt für den ganzen Monat: Im August sollen bei den anhaltenden Kämpfen rund 4.000 Menschen ums Leben gekommen sein - so viele wie nie zuvor in einem Monat.
Laut Berichten äußerte sich Großbritannien besorgt über die Lage in Syrien. Sollten sich die Angaben der Opposition bewahrheiten, wäre das Vorgehen der Regierungstruppen in Daraja eine „Gräueltat neuen Ausmaßes“, die von der internationalen Gemeinschaft verurteilt werden müsse, so Außenstaatssekretär Alistair Burt am Sonntag. Der britische Staatssekretär machte zugleich darauf aufmerksam, dass die Angaben der Opposition schwer zu überprüfen seien.
Nicht das erste Massaker
Je heftiger die Kämpfe in Syrien werden, desto schlimmer werden auch die Massaker an der Zivilbevölkerung. Im Mai waren bei einem Blutbad in dem Ort al-Hula mehr als 100 Zivilisten gestorben. Auch für dieses Massaker wurden regierungstreue Soldaten verantwortlich gemacht. Mitte Juli sorgten Berichte über ein weiteres Massaker in einem Dorf für Entsetzen. Laut Oppositionsangaben sollen damals nahe der Stadt Hama bis zu 250 Menschen von Regimetruppen getötet worden sein.
Assad kündigte den Regimegegner einen rücksichtslosen Kampf um jeden Preis an. Zugleich bezeichnete er den Aufstand gegen sein Regime als ein vom Ausland gesteuertes Komplott. „Das syrische Volk wird nicht zulassen, dass dieses Komplott seine Ziele erreicht“, sagte Assad nach Angaben des syrischen Fernsehen.
Zwei Regierungsmitglieder bei Blockfreien-Gipfel
Syrien schickt zwei hochrangige Regierungsmitglieder zum Gipfel der blockfreien Staaten in Teheran. Ministerpräsident Wael al-Halki und Außenminister Walid al-Muallem würden zu dem Treffen im Iran reisen, teilte der Vorsitzende des Außenausschusses im iranischen Parlament, Alaeddin Boroudscherdi, am Sonntag bei einem Besuch in Damaskus mit. Der Iran ist ein zentraler Verbündeter der Regierung von Assad.
Die Mitwirkung Teherans an der Lösung des Syrien-Problems wird von einem Großteil der internationalen Gemeinschaft bisher abgelehnt. Der wegen seines Atomprogramms selbst mit Sanktionen belegte Iran hat aber angekündigt, bei dem Blockfreien-Treffen einen eigenen „Vorschlag“ zur Beilegung des Syrien-Konflikts vorzulegen. Der zweitägige Gipfel der Blockfreien beginnt offiziell am Donnerstag. Der Gruppe gehören etwa 120 Staaten aus der ganzen Welt an.
Waffenlieferung aus dem Iran?
Muallem sagte bei dem Treffen mit Boroudscherdi laut der amtlichen iranischen Nachrichtenagentur IRNA, Assads Regierung werde erst in Verhandlungen mit der Opposition treten, wenn das Land vollständig von Rebellen „gesäubert“ sei. Boroudscherdi sagte Syrien demnach die Unterstützung des Iran zu. „Syriens Sicherheit ist unsere Sicherheit, deshalb werden wir zu unseren syrischen Brüdern halten“, wurde er zitiert. Der Iran ist der engste Verbündete des syrischen Regimes in der Region.
Die ägyptische Sueskanal-Behörde lehnte indes eine Forderung der USA ab, ein iranisches Schiff auf dem Weg nach Syrien zu stoppen. Das berichteten ägyptische Medien am Sonntag unter Berufung auf Vizeadmiral Mohab Mamisch, der von Präsident Mohammed Mursi erst vor wenigen Tagen zum Präsidenten der Kanalbehörde ernannt worden war. Es wird vermutet, dass sich an Bord des iranischen Schiffes Waffen für die Truppen Assads befinden.
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