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Saubere Spiele - zumindest auf der Haut

Die in unseren Breiten als Nena-Achsel bekanntgewordene Zurschaustellung des Busches unter dem Arm hat nun wohl auch beim Sportsmann ausgedient. So viele körperrasierte Männer wie nie zuvor gab und gibt es in London 2012 zu sehen. Die Industrie dürfte das freuen, promoten die großen Konzerne doch die Super-Trimm-und-Rasier-Geräte für den Mann und haben auch so manchen Sportstar unter Vertrag.

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„Die Zeit, die die Menschen dafür aufwenden, ihr Haar vom Körper zu bekommen, ist mittlerweile astronomisch“, kommentiert Emily Gibson vom „Guardian“ auf dem Blog der Zeitung - und binnen 24 Stunden hat sie gut 1.000 Kommentare auf ihren Beitrag.

Der Trend zu „sauber und blank“ sei am Boomen, so Gibson - und auch wenn sie dabei nicht auf Olympia blickt, sind die Olympischen Spiele doch der beste Beweis dafür. Nämlich gerade unter Männern: Immer mehr Athleten treten rasiert an. Und das heißt bei jedem Jubelbild bei Sportarten mit knappen Trikots: Mit dem Flausch in der Achsel ist es vorbei.

Der Spanier Javier Garcia Gadea gegen Vjekoslav Paskovic (Montenegro) im Wasserball-Viertelfinale

AP/Sergio Moraes

Ein Sport, zwei Kulturen, zumindest, was das Körperhaar beim Mann anbelangt

Die Pioniere der glatten Haut

Die Pioniere glatter Brust, Beine und Achseln unter den Männern im Sport waren zweifellos die Schwimmer - und zwar vor der Zeit, als sie in die, mittlerweile wieder abgeschafften, Ganzkörperschwimmanzüge geschlüpft waren. Von besserer Gleitfähigkeit war da die Rede.

Im Internet boomen Foren in der „Wer weiß was“-Kategorie, in denen „Experten“ diskutieren, warum man sich in manchen Sportarten wo rasiert. Etwa: „Warum rasieren sich Radfahrer die Beine?“ Antwortvariationen: „Um keinen Strömungsverlust durch den Fahrtwind zu erleiden.“ Und: „Damit bei Wunden die Heilung schneller voranschreitet.“ Oder: „Weil Radfahrer nach den Rennen oft massiert werden, und beim Massieren stören die Haare.“ In einem Schwimmforum wusste ein User, dass zu viel Haar am Körper zur Ermüdung des Schwimmers auf langen Strecken führen könne.

Effekt ist psychologisch

Der deutsche Schwimmer Paul Biedermann verriet etwa der „Bild“, warum er mit wenig Haar an den Start gehe: Der Effekt ist vor allem ein psychologischer. „Ohne Haare ist kein Widerstand da, man fühlt sich schnittiger im Wasser. Ein Bart kostet aber nur einige Tausendstel“, konstatiert Biedermann, der trotzdem nie wie Michael Phelps mit Bart ins Becken steigen würde: „Ein Bart vermittelt den Eindruck: ‚Mir ist alles egal.‘“

Den Aspekt, dass es in manchen Sportarten nicht zuletzt um einen ästhetischen Effekt geht, thematisieren die selbst ernannten Experten nicht. Denn warum soll es beim Sport anders sein als bei gesellschaftlichen Trends - und die zeigen, dass nicht nur Frauen, sondern immer mehr Männer ihr Körperhaar entfernen (dafür mitunter aber einen getrimmten Bart stehen lassen).

„Alles wird glatt“

Dass sich immer mehr Menschen nicht nur ihrer Scham, sondern zugleich ihrer Schamhaare entledigten, konstatierte die feministische Zeitschrift „Emma“ bereits 2008. „Alles wird glatt“, das interpretierte man als grundsätzliche Unterwerfung an einen massenkompatiblen Geschmack. Und das schloss auch nicht aus, dass sich der Mann zu diesem Trend hin öffnete.

Der Kugelstoßer Reese Hoffa (USA)

APA/EPA/Kerim Okten

Getrimmt oder nur zartes Wachstum? Manch nachdenklicher Sportler lässt auch andere rätseln.

Dass der Mann eine wichtige Zielgruppe für die Kosmetik- und Konsumgüterbranche ist, zeigen Marketing- und Sponsoringaktionen großer Konzerne rund um die olympischen Spiele wie Procter & Gamble. So hat man eine Reihe männlicher Sportler unter Vertrag, die für die Multifunktionsrasierer werben. Und hat sich der Sportler früher den Bart rasiert, nimmt er nun den ganzen Körper ins Visier. Auch hier wieder des Motto: oben Dreitagesbart, in den Etagen darunter ganz glatt.

Es sei Zeit, eine „Maginot-Linie“ rund um die Bikinizonen zu ziehen, findet jedenfalls Emily Gibson vom „Guardian“. Der Trend zum Rasieren mache Menschen anfälliger für Infektionen, argumentiert sie für eine Rückkehr zu mehr natürlichem Haar.

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