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Beweismaterial aus Hotelzimmer 317

Fast 25 Jahre nach dem mysteriösen Tod des deutschen Politikers Uwe Barschel (CDU) in einem Genfer Hotelzimmer haben Spezialisten des Kieler Landeskriminalamts den genetischen Fingerabdruck einer unbekannten Person entdeckt. Das dürfte der Vermutung wieder Auftrieb verleihen, bei Barschels Tod handle es sich um einen seit einem Vierteljahrhundert aufklärungsbedürftigen Politmord.

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Barschel war am 11. Oktober 1987 nach seinem durch einen politischen Skandal erzwungenen Rücktritt im Genfer Hotel „Beau Rivage“ tot in der Badewanne von Zimmer 317 gefunden worden. In seinem Blut wurde ein tödlicher Medikamentencocktail nachgewiesen, den er sich zumindest nach der Meinung einiger nur schwerlich eingeflößt haben konnte. Einer der vehementesten Befürworter der Mordthese ist der frühere schleswig-holsteinische CDU-Landtagsabgeordnete Werner Kalinka - er hatte auch die nunmehrige Untersuchung angeregt.

Wiederaufnahme von Ermittlungen gefordert

Kalinka bestätigte am Samstag einen Bericht der Zeitung „Welt am Sonntag“ über die neuen Spuren. Demnach haben die Ermittler DNA-Rückstände einer fremden Person an Kleidungsstücken sichergestellt, die Barschel, der frühere Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, in der Nacht seines Todes im Genfer Hotel Beau Rivage trug. Kalinka forderte die Staatsanwaltschaft Lübeck in einer ersten Reaktion auf, die 1998 eingestellten Ermittlungen wieder aufzunehmen.

Der Leichnam von Uwe Barschel wird aus dem Haus getragen

AP/Pascal Volery

Barschels Leichnam wird aus dem Hotel „Beau Rivage“ weggebracht

Die Ankläger hatten damals in ihrem Abschlussbericht erklärt, es gebe derzeit keine Perspektive für weitere Untersuchungen, sie könne aber jederzeit wieder ermitteln. Im Sommer 2011 schließlich hatte sich die zuständige Staatsanwaltschaft mit einigem Widerwillen zu der DNA-Untersuchung bereit erklärt. Im Zuge dessen war auch offensichtlich geworden, dass einzelne Beweisgegenstände in dem Fall ohne die vorgeschriebene Dokumentation aus der Beweismittelsammlung entnommen worden waren oder überhaupt verschwanden.

Vertuschungsmanöver durch „maßgebliche Kräfte“?

Noch im vergangenen Jahr hatte die Generalstaatsanwaltschaft nach einer Strafanzeige von Barschels Witwe Freya die Kieler Anklagebehörde mit einer Untersuchung beauftragt. In der Anzeige ging es um ein fremdes Haar aus Barschels Genfer Hotelbett, das bei der Staatsanwaltschaft Lübeck verschwunden war. Der Anwalt der Witwe erklärte, das Verschwinden eines solch wichtigen Beweisstücks könne weder „Zufall noch eine Panne der Justiz“ sein, sondern ein Vertuschungsmanöver nicht näher bezeichneter „maßgeblicher Kräfte“.

Kalinka sagte gegenüber der „Welt am Sonntag“, durch die Funde habe sich der Verdacht erhärtet, dass Barschel ermordet worden sei. „Die Staatsanwaltschaft Lübeck ist nun nachdrücklich aufgefordert, die Ermittlungen wieder aufzunehmen.“ In den vergangenen Jahrzehnten sei die Arbeit der Staatsanwaltschaft Lübeck „alles andere als ruhmvoll“ gewesen. „Es drängt sich geradezu die Frage auf, ob an bestimmten Ermittlungen kein oder nur wenig Interesse besteht.“

Spuren verwertbar

Ob der Fall Barschel Mord oder Selbstmord war, konnte bis heute nicht geklärt werden. Das genetische Material des Unbekannten ist - entgegen den öffentlich getätigten Vermutungen der Staatsanwaltschaft - laut dem Zeitungsbericht noch gut genug erhalten, um es mit möglichen Verdächtigen vergleichen zu können. Ein und dieselbe Person habe ihre Spuren auf der Strickjacke, den Socken und der Krawatte des Toten sowie auf dem Handtuch des Hotelzimmers hinterlassen. Die Anklagebehörde war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

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