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Ansprüche nach 500 Jahren

Vielleicht sind sie durch die Feiern zum 60. Thronjubiläum der britischen Queen Elizabeth II. im Juni auf die Idee gekommen: Die französische Stadt Angers fordert die britischen Kronjuwelen zurück. Auf der Website der Stadt hat man eine Onlinepetition dafür gestartet. Dem aus Angers stammenden Herrschergeschlecht Plantagenet sei 1485 der englische Thron gestohlen worden, argumentiert die Stadt.

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Über 300 Jahre hatten die Plantagenets beziehungsweise die Nebenlinien Lancaster und York den britischen Thron inne. Doch 1485 schlug das Heer von Heinrich Tudor im „Rosenkrieg“ die Truppen von König Richard III., er starb bei der Schlacht von Bosworth Field.

Tudors beenden eine Ära

Heinrich VII. bestieg den Thron trotz unklarer Ansprüche, indem er sich einfach vom Parlament bestätigen ließ. Der Sohn von Richard III. war bereits zuvor ums Leben gekommen, sein einziger Erbe blieb sein Neffe, der zehnjährige Edward Plantagenet, Earl of Warwick.

Edward wurde 1485 in den Londoner Tower gesperrt. 14 Jahre später wurde er gemeinsam mit dem Hochstapler Perkin Warbeck, der den Thron für sich beanspruchte, hingerichtet. Historiker meinen, Heinrich VII. wollte alle Unklarheiten bei der Thronfolge beseitigen. Akut wurde die Problematik, als er seinen Sohn Arthur in das Herrscherhaus Aragon für eine Allianz mit Spanien einheiraten lassen wollte.

Stadt hofft auf Entschädigung

Der Earl of Warwick sei der Einzige gewesen, der „berechtigterweise den britischen Thron beanspruchen konnte“, heißt es nun auf der Website von Angers. Die Herrschaft der Plantagenets sei durch „Staatsverbrechen“ beendet worden. Als „Entschädigung für die Enteignung der Rechte“ der Dynastie und den „politischen Mord“ an ihrem letzten direkten Nachkommen fordert die Stadt die Kronjuwelen, heißt es weiter. Sie sollen dann in der Abtei Saint-Aubin ausgestellt werden. 80.000 Unterschriften hofft man sammeln zu können, diese sollen im Herbst dann der Queen präsentiert werden. Auch eine Facebook-Seite wurde eingerichtet - mit bisher mäßigem Erfolg.

Legitimer Thronanspruch?

Ob Edward tatsächlich Anspruch auf den Thron gehabt hätte, ist aber umstritten. Sein Vater George war wegen Hochverrats hingerichtet worden, was auch seinen Sohn von der Thronfolge ausschloss. Das hätte durch das Parlament rückgängig gemacht werden können. Richard III. hatte Edward tatsächlich kurz als Thronfolger bestimmt, laut Historikern aber nur, um seiner sterbenden Frau Queen Anne einen Wunsch zu erfüllen.

Nach deren Tod änderte er die Nachfolgeregelung wieder. Unklar ist auch Edwards Geisteszustand: Manche Historiker meinen, der junge Mann sei geistig behindert gewesen, andere führen seine mangelnden intellektuellen Fähigkeiten auf seine lange Isolation in Haft und fehlende Bildung zurück.

Großreich in Frankreich und England

Dabei konnten die Plantagenets auf eine durchaus glänzende Zeit auf dem britischen Thron zurückblicken. Die Grafen und Herzöge von Anjou bauten ab 992 ihre Macht in Westfrankreich auf. Gottfried V. heiratete die Erbin des anglonormannischen Reiches Mathilde und setzte damit den ersten Fuß auf die Insel. Deren Sohn Heinrich profitierte im tobenden Erbfolgekrieg und übernahm 1154 von Stephan von Blois den englischen Thron.

Der erst später verwendete Dynastiename Plantagenet stammte von der Helmzier seines Vaters, einem Ginsterzweig. Das „angevinisches Reich“ erstreckte sich über weite Teile Frankreichs und Englands. Schon Richard Löwenherz konzentrierte sich zunehmend auf England, nach seinem Tod 1199 zerfiel das Reich in Kontinentaleuropa nach und nach. Bis 1399 behielten die Plantagenets selbst den Thron, dann folgten die Nebenlinien Haus Lancaster und York.

Neue Kronjuwelen seit Herrschaft

In den britischen Medien nimmt man die Ansprüche der Stadt nicht ganz ernst. „Was ist mit den Franzosen los?“, fragt etwa das Boulevardblatt „Daily Mail“. Da hätten sie zuerst Francois Hollande, „einen zwergenhaften gallischen Gockel“, zum Präsidenten gewählt, der im Privatleben zwischen zwei Sozialistinnen hin- und hergerissen wird - und jetzt wollten sich auch noch die Kronjuwelen.

Historiker weisen zudem darauf hin, dass die Kronjuwelen heute nichts mehr mit denen aus der Herrschaftszeit der Franzosen zu tun hätten. Schließlich habe Oliver Cromwell im 17. Jahrhundert diese zerstört beziehungsweise verhökert, um zu Geld zu kommen und alle Symbole des Königtums auszurotten.

Wiederum andere Kommentatoren meinen, die Franzosen könnten die Juwelen gerne haben, dann sollen aber die Gebiete des angevinischen Reiches in Frankreich auch bitteschön wieder an Großbritannien fallen. Allzu große Hoffnungen dürfte sich Angers aber ohnehin nicht machen. Die Petition habe wohl geringe Chancen auf einen Erfolg, sagte ein Sprecher der Stadt. Aber es sei es schon wert, auf die „Verbrechen“ gegen die Dynastie hinzuweisen.

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