Fischbestand zunehmend gefährdet
Die Gewässer der EU sind zum Großteil überfischt. Umso wichtiger wurden für Europas Fischereibranche die Fangrechte außerhalb der EU - vor allem vor der Küste Westafrikas. Die Fischereirechte dort lässt sich die EU Millionen kosten. Ein Viertel der Fische für die EU kommt von Fängen vor Entwicklungsländern.
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Lokale Fischer und Umweltschutzorganisationen kritisieren, dass die europäische Fischereiflotte doppelt bis dreimal größer sei als notwendig, um nachhaltig zu fischen. Dabei komme auch Korruption ins Spiel, zitiert die „Zeit“ den Generalsekretär des westafrikanischen Kleinfischerverbands, Gaoussou Gueye. Im Senegal etwa hätten Minister Fischereirechte an mehr als 20 ausländische Schiffe „verkauft“, um den eigenen Wahlkampf zu finanzieren.
Immer wieder werden internationale Schiffe beim illegalen Fischen erwischt, darunter auch ein Schiff unter litauischer Flagge und damit von einem EU-Staat. Strafen werden bezahlt, es wird aber weiter gefischt. „Regierungen wurden abhängig von dem Einkommen, dass sie aus dem Verkauf von Fischereirechten an ausländische Unternehmen und Länder erwerben“, sagt Samb Ibrahim, Manager von Senegals größtem Fischerhafen Joal im Interview mit dem „Guardian“.

Greenpeace/Pierre Gleizes
200 Tonnen Fisch und mehr fangen die europäischen Trawler am Tag
Geld gegen Fangrechte
Geld gegen Fischereirechte lautet auch der Deal bei den offiziellen Abkommen, die die EU mit den Staaten Westafrikas schließt. Allein Mauretanien würde über 86 Millionen Euro pro Jahr von der EU erhalten, um zwischen 2006 und 2012 den Zugang zu seinen Gewässern zu garantieren.
Diese Finanzmittel würden neben den Fangrechten auch für die Fischereiwirtschaft dieser Länder und den Aufbau der Fischbestände investiert, argumentiert die EU. Dieser zweite Teil sei aber meist schiefgegangen, sagt die Greenpeace-Meeresexpertin Antje Helms gegenüber ORF.at: „Gelder sind oft verschwunden. Da hat sich die EU selbst in die Tasche gelogen.“
Lokale Vertreter der Fischer und Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace kritisieren die Auswirkungen dieser Fangabkommen als dramatisch. Die hoch technisierten europäischen Fangflotten bedrohen demnach einheimische Fischbestände und dadurch die lokale Fischereiwirtschaft. Einige Fischer müssten bereits auf Wale und Delfine zurückgreifen, um nicht zu verhungern, so Helms.
„Versorgen afrikanischen Markt“
Der Vorsitzende des deutschen Hochseefischerverbands, Uwe Richter, betont, dass die Fische ohnehin wieder auf dem afrikanischen Markt landen: „Wir versorgen Afrika mit lebenswichtigem Protein“, argumentiert er gegenüber der „Zeit“. Die Abkommen wiederum ermöglichten es den Reedereien, die Fangflotte das ganze Jahr hindurch auszulasten.
Kritiker sehen das anders. Sie bemängeln, dass durch die Überfischung nicht nur die Bestände gefährdet seien, sondern dass diese Fische wieder zu Dumpingpreisen auf dem lokalen Markt landen würden. Denn während ein europäischer Fischtrawler rund 200 Tonnen pro Tag fischt und auch gleich am Schiff verarbeiten und tiefgekühlt lagern kann, müssen für dieselbe Menge 50 kleine Fischerboote ein Jahr lang fischen gehen.
Nachhaltiges Fischen wieder als Ziel
Bisher investierte die EU in der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) im Zeitraum 2007 bis 2013 4,3 Milliarden Euro. Mit der neuen Förderperiode 2014 bis 2020 sollen 6,5 Milliarden in die Fischereipolitik fließen. Geht es nach der EU-Kommissarin für Fischerei, Maria Damanaki, soll kein Geld mehr für den Bau großer Schiffe bereitgestellt werden. Dafür sollen die kleine Küstenfischerei, die Kontrolle und die Sammlung von Daten gestärkt und der Blick mehr auf Umweltschutz und nachhaltigen Fischfang gerichtet werden. Fischer sollen dafür bezahlt werden, weniger zu fangen.
Beim Treffen der EU-Fischereiminister Mitte März einigten sie sich auf Schlussfolgerungen zum Fischen in außereuropäischen Gewässern. Demnach sollen künftig in fremden wie in EU-Gewässern die gleichen Standards gelten, illegale Fischerei bekämpft und nur noch der Überschuss abgefischt werden. Helms sieht das als Schritt in die richtige Richtung. Skeptisch gibt sie sich aber bezüglich der Umsetzung: „Es gibt keine konkreten Zugeständnisse, wie die bestehenden Überkapazitäten abgebaut werden können.“ Reduktionspläne hatte zuvor schon die UNO gefordert. Aber der Widerstand vieler Länder vor allem von Frankreich und Spanien sei zu groß, so Helms.
Überkapazität nicht abgebaut
Der nachhaltige Fischfang galt schon bisher als Ziel. Geschehen ist wenig. Denn die ebenfalls von der EU finanzierte Stilllegung von Schiffen wurde durch die Modernisierung der Flotte wieder wettgemacht, Überkapazitäten bestehen weiter, wie auch der Europäische Rechnungshof Ende vergangenen Jahres feststellte: Die Überkapazität der Fangflotte sei nach wie vor einer der Hauptgründe für das Scheitern der EU-Fischereipolitik „hinsichtlich der Gewährleistung einer nachhaltigen Fischerei“.
Aber auch das Interesse an der Erhaltung der Arbeitsplätze in der EU spielt dabei eine Rolle. 6,4 Mio. Tonnen an Fisch werden jährlich in der europäischen Fischwirtschaft produziert. Vom Fang bis zur Verarbeitung bietet sie rund 400.000 Menschen einen Arbeitsplatz.
Steuergelder für Fischindustrie
Wie der Bericht „Plündern um jeden Preis: EU-Fischerei in Westafrika“ der Umweltschutzorganisation Greenpeace zeigt, wurde die Pelagic Freezer-Trawler Association (PFA), eine Unternehmensgruppe mit 34 Schiffen unter niederländischer, deutscher, französischer, britischer und litauischer Flagge, zwischen 1994 und 2006 mit 46,8 Mio. Euro Fördergeldern unterstützt.
Die milliardenschweren Subventionen für Europas Fischereibranche machen Kritiker ebenfalls für die Überfischung verantwortlich. Zudem würden diese Industrieschiffe zu einem Großteil von europäischen Steuergeldern finanziert, kritisierte Greenpeace. Reedereien beteiligten sich demnach hingegen kaum an den Kosten, würden dafür aber mit hohen Subventionen unterstützt.
Abkommen ausgesetzt
Das EU-Parlament setzte bereits im Dezember einen ersten Schritt und lehnte eine Verlängerung des Fangabkommens mit Marokko aufgrund der Besatzung der Westsahara ab. Marokko verwies nach der Ablehnung die EU-Fangflotte aus seinen Hoheitsgewässern. Die EU hatte zuvor im Gegenzug für Fanggenehmigungen vor Marokko 36,1 Mio. Euro pro Jahr gezahlt. Eine Verlängerung des Abkommens liegt nun auf Eis.
Viel Entscheidungsspielraum für oder gegen ein Abkommen mit der EU haben die EU-Partnerländer nicht, sind die Finanzmittel doch lukrative Einnahmequellen. Der Senegal etwa hatte dennoch bereits 2006 das Fischereiabkommen mit der EU gekündigt. Nun werden die Fangrechte direkt an Staaten wie Russland und China vergeben - ohne Abkommen, die zumindest auf dem Papier für Mindeststandards bei Transparenz und Quoten sorgen könnten.
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