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Besichtigung verdrängter Geschichte

Eigentlich war das Habsburger Reich alles andere als wohlgelitten auf italienischem Boden. Gerade in Gebieten wie der Lombardei und Venetien waren die Habsburger als Fremdherrscher angesehen. Und auch im 20. Jh. tilgte man in Italien lange die Spuren der Habsburger-Geschichte. So auch in Venedig, wo erst jetzt die Kaiserinnen-Appartements als Teil des Museo Correr in neuem Glanz erstrahlen.

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Als Ernst Marischka 1955 seinen „Sissi“-Film drehte und die Italien-Erfahrungen des Kaiserpaares im Jahr 1856 nicht zuletzt dazu nutzte, die Verklärung der jungen Kaiserin voranzutreiben, da konnte er die berühmte Venedig-Episode gar nicht am Originalschauplatz drehen. Der Markusplatz, an dem die Haltung der Italiener gegenüber der Kaiserin der Herzen endgültig umschlägt, musste vor künstlichem Dekor gedreht werden.

Szenen aus dem Museum

Fondazione Musei Civici di Venezia/Graziano Arici

Hinterließ ihr Emblem auch auf italienischem Boden: Kaiserin Elisabeth von Österreich

Als der Kaiser nach Italien fuhr

Kaiser Franz Joseph war seiner Frau nach Italien entgegengereist, die Begegnung mit den Italienern war alles andere als erbaulich für das Herrscherpaar. In der Marischka-Deutung begegnen Franz Joseph und Sisi statt der italienischen Aristokratie den Dienstboten, die anstelle der hohen Damen und Herren zum Empfang geschickt werden.

Sisi gewinnt bei Marischka schon in Mailand die ersten Herzen. Endgültig erobert sie Italien aber in Venedig, als sie auf dem Markusplatz ihr Kind wiedersieht und dieses innig in die Armee schließt, was dem Volk dann doch einiges an Begeisterung entlockt.

Sisi und die Begeisterung für Venedig

Auch wenn man den Überhöhungen Marischkas reserviert gegenüberstehen mag, so war Elisabeth von Österreich im Umgang mit Italien und den Italienern tatsächlich von versöhnender Natur. Während anderen Habsburgern die Ablehnung entgegenschlug, vermochte Sisi einige Sympathien für sich verbuchen - und das auch in Venedig, wo sie nicht nur 1856, sondern von Oktober 1861 bis Mai 1862 in den sogenannten „kaiserlichen Appartements“ zu Gast war.

Szenen aus dem Museum

Fondazione Musei Civici di Venezia/Graziano Arici

Spannungsbogen von offiziell bis ganz privat: Die nun wieder eröffneten Kaisergemächer im Museo Correr

Sisi schwelgte während ihren zwei Venedig-Aufenthalte in der Geschichte der Serenissima und ließ mitunter auch vergessen, dass sie ja hier jene Macht vertrat, die 1797 Venedigs jahrhundertelange Unabhängigkeit beendet hatte (bevor sie diesen Zugriff durch die Folgen von Königgrätz 1866 wieder verlor).

Szenen aus dem Museum

Fondazione Musei Civici di Venezia/Graziano Arici

Mythen der Schönheit und die Sehnsucht einer Kaiserin in ihren venezianischen Gemächern

Neuer Umgang mit der Vergangenheit

Dass sich die Haltung in Italien gegenüber der österreichischen Herrschaft geändert hat, zeigt auch den Umgang des Museo Correr mit seinen Prunkräumen rund um den Dogenpalast. Mit einigem Stolz verweist man nun auf die Wiedereröffnung der Kaisergemächer: nach, wie man scheibt, „einer zehnjährigen Restaurierungsarbeit“. In den italienischen Präsentationen spricht man gar von den „Sissi-Zimmern“ (hier mit Doppel-S, was wohl auch am Verweis auf den Marischka-Film liegen mag, den man hier bemüht).

Szenen aus dem Museum

Fondazione Musei Civici di Venezia/Graziano Arici

Neun Zimmer gibt es insgesamt zu sehen, die allesamt den Geschmack der jungen Sisi belegen - und dabei vor allem ihre Vorliebe für Mythenmalerei. Es gibt kleine Balkone, die zum Bacino des Dogenpalasts weisen. Sisi, so zeigen es die Umbauarbeiten, die man hier hat vornehmen lassen, sollte in den Zimmern ihren Vergangenheitsschwelgereien - ganz ihrer bayrischen Adelsherkunft gemäß - freien Lauf lassen.

Szenen aus dem Museum

Fondazione Musei Civici di Venezia/Graziano Arici

Ein Hauch von Klassizismus

Die Vorstellungswelt der Kaiserin

Das Dekor von Giuseppe Borsato und die Ornamente von Giovanni Rossi erschließen jene Vorstellungswelt der Kaiserin, die man auch aus ihren anderen Residenzen kennt. Hier, in Venedig, liegt der Reiz wohl darin, dass man sich vorstellen kann, wie sich die Edel-Touristin Sisi in Venedig organisiert hat. Überliefert ist jedenfalls, dass sie kaum eine Station in Venedig ausgelassen hat, Armenspitäler ebenso besuchte wie den winterlichen Lido - letzteres angeblich, weil es Lord Byron in der ihm eigenen Vehemenz beschrieben hat.

Ob die Kaiserzimmer in Venedig auch der Ort waren, an dem sich das Kaiserpaar neu ineinander verliebte, müssen sich die Besucher selbst vorstellen - ein bisschen Glorie an einem der schönsten Orte der Welt soll ja schon dem emotional ermüdesten Paar geholfen haben.

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