„Mittelmeer in 30 bis 40 Jahren tot“
2010 hat der französische Wissenschaftler Bruno Dumontet das Projekt Mediterranean EnDangered (M.E.D.) ins Leben gerufen. Ziel des Projekts ist es, Mikromüll - Plastikteile in der Größe von Plankton - im Mittelmeer aufzuspüren. Bis 2013 soll eine riesige Müllkarte für das gesamte Mittelmeer entstehen.
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Das auf den ersten Blick klare Wasser an den Stränden der Türkei, Griechenlands, Italiens oder Spaniens täuscht. Im Mittelmeer treibt ein gigantischer Müllberg aus großen bis mikroskopisch kleinen Plastikteilchen, der immer mehr zur Gefahr für Mensch und Tierwelt wird. Seit 2010 ist das Projekt „Mittelmeer in Gefahr, Expedition 2010 - 2013“ dem Plastikmüll auf der Spur, und die Ergebnisse sind alles andere als beruhigend.

APA/EPA/EFE/Toni Albir
Verschmutzter Strand von Barcelona
Erste Müllkarte vor der Cote d’Azur
Ende Juli wollen freiwillige Helfer entlang dem ligurischen Meer vor der italienischen Küste und der französischen Cote d’Azur damit beginnen, Wasserproben einzusammeln. Damit könne der Anteil von Müllteilchen pro Quadratmeter gemessen werden, erläuterte Expeditionschef Dumontet der Nachrichtenagentur AFP. Durch Analysen von Satellitenaufnahmen sollen Strömungen ausgemacht werden. Damit soll die Art und Weise bestimmt werden, wie sich die Müllteilchen fortbewegen und im Meer verteilen.
Mehr Müll als Fische in den Netzen
Durch diese Müllkarten sollen Kommunen an der Küste, wo die Müllbelastung besonders hoch ist, darauf hingewiesen werden, effizienter gegen die Verschmutzung vorzugehen. Außerdem könnten dank der Karte gezielt Kontrollposten errichtet werden, betonte Gabriel Gorsky vom Meeresobservatorium im südfranzösischen Villefranche-sur-Mer, das die Mission koordiniert.

Sea Education Association, Woods Hole, MA
Die Plastikteilchen im Meer sind oft nur millimetergroß
Besonders stark sei die Verschmutzung naturgemäß in der Nähe größerer Städte oder nahe von Flussmündungen, erläuterte Gorsky. Ausgesprochen dramatisch sei die Lage zudem an der südlichen Mittelmeerküste, warnte Dumontet gegenüber AFP. Im Golf von Bejaia etwa hätten die Fischer je zur Hälfte Fische und Müll in ihren Netzen.
Mikromüll laut EU keine Verschmutzung
Kritisiert wird zudem, dass der mikroskopisch kleine Müll laut dem Regelwerk der Europäischen Union gar nicht als Verschmutzung angesehen wird. „Obwohl das Problem für jeden sichtbar ist und sich leicht eindämmen ließe, wird das Problem nicht angegangen“, warnen die Wissenschaftler. Gemeinsam mit Umweltorganisationen, Wissenschaftlern, Politikern und Ökonomen soll nun die Problematik der Öffentlichkeit bekanntgemacht werden.
Appell an die Europäische Union
Zudem hat die Aktion „Mittelmeer in Gefahr“ ein Ausbildungsprogramm speziell für die südlichen Anrainerstaaten lanciert. Ziel sei es, künftig auch dort Müllkarten zu erstellen, sagte Dumontet. Es sei höchste Zeit zum Handeln: „Wenn die Verschmutzung im gegenwärtigen Tempo weitergeht, ist das Mittelmeer in 30 bis 40 Jahren tot.“

Reuters/Ali Hashisho
Von den riesigen Müllbergen an der libanesischen Mittelmeerküste brechen immer wieder Teile ab und stürzen ins Wasser
Das Mittelmeer weist auf der einen Seite eine besonders hohe Artenvielfalt auf, gleichzeitig sind die Verschmutzungen größer als im Atlantik oder Pazifik. Eine vollständige Säuberung des Meeres sei unmöglich, heißt es in einem Bericht der M.E.D. Expedition. Die Kosten wären gigantisch, und kein Land wolle derzeit die Verantwortung übernehmen. Nun soll gemeinsam der Druck auf die EU erhöht werden, die bestehenden Abfallregelungen zu verschärfen. Eine entsprechende Petition ist in Arbeit.
Plastik landet auf dem Teller
Dass die Müllproblematik nicht auf das Mittelmeer beschränkt ist, zeigt ein UNO-Bericht aus dem Jahr 2009. Im Pazifik gibt es Regionen, in denen die Plastikkonzentration die des Planktons um ein Sechsfaches übersteigt. Insgesamt wird geschätzt, dass in den Weltmeeren 100 Millionen Tonnen Plastikmüll treiben. Die Wissenschaftler sprechen bereits von einem „Müllkontinent“, der bunt schillernd über die Ozeane treibt.
Das Plastik wird von Wassertieren wie Schildkröten, größeren Fischen und Vögeln gefressen, die dann an dem unverdaulichen „Futter“ zugrunde gehen. Mittlerweile gilt es als gesichert, dass auch Kleinstlebewesen, die sich nur von Plankton ernähren, mikroskopisch kleine Plastikteile fressen. Über die Nahrungskette landet das Plastik letztendlich auch beim Konsumenten auf dem Teller. „Letztlich essen wir unsere eigenen Müllsäcke auf“, so Gorsky.
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