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Die Liebe ist ein seltsames Spiel

Bei Frederic Beigbeder denken viele heute immer noch an Radikalität und Skandal. 2000 schrieb er mit „39,90“ den einen, großen, bösen Poproman Frankreichs. Außerdem soll er (einem PR-Gerücht zufolge) mit Michel Houellebecq als Sextourist in der Karibik unterwegs gewesen sein. Nun kommt von ihm mit „Das verflixte 3. Jahr“ - ausgerechnet - eine Romantikkomödie ins Kino.

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Die Popliteratur beschrieb in den 90er Jahren eine Welt der Oberflächen. So wimmelte es auch in „39,90“ von Markennamen, Statussymbolen und Typen, die, um sich spüren zu können, extrem sein mussten: Drogen nehmen, Gewalt ausüben - Bret Easton Ellis hatte mit „American Psycho“ den Ton vorgegeben. Beigbeder wusste, wovon er schrieb - schließlich hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Jahre in der Werbebranche hinter sich.

Er entwarf von sich als öffentliche Figur das Bild des genialen Arschlochs: ein Dandy, ein Werbefuzzi, aber gleichzeitig belesener Schriftsteller mit Tiefgang. Die Freundschaft mit Houellebecq passte gut in dieses Bild, und der Hype um diesen nach seinem Roman „Ausweitung der Kampfzone“ hat wohl auch nicht geschadet. Aber was befindet sich hinter Beigbeders Oberfläche? Jedenfalls nicht besonders viel Tiefgang, wenn man „Das verflixte 3. Jahr“ als Gradmesser nimmt.

Beigbeders gefühlvolle Seite

Beigbeder erklärt in einem Interview, das zum Filmstart an Journalisten ausgeschickt wird, warum er selbst den dritten Teil der in großen Teilen autobiografischen Trilogie rund um den Lebemann, Journalisten und Schriftsteller Marc Maronnier verfilmen wollte. Schließlich war „39,90“ zuvor mit Oscar-Preisträger Jean Dujardin unter der Regie von Jan Kounen erfolgreich in Szene gesetzt worden. Dabei sei allerdings, so Beigbeder, vor allem seine zynische Seite zum Vorschein gekommen.

Marc Marronnier (Gaspard Proust) und Alice (Louise Bourgoin) lachen miteinander

Polyfim

Alice (Valerie Lemercier) tröstet Marc (Gaspard Proust) über die Scheidung hinweg

Beigbeders Bücher (Auswahl):

  • Memoiren eines Sohnes aus schlechtem Hause (1990/auf Deutsch 2001)
  • Ferien im Koma (1994/2002)
  • Die Liebe währt drei Jahre (1997/2003)
  • 39,90 (2000/2001)
  • Die letzte Inventur vor dem Ausverkauf (2001/2002)
  • Windows on the World (2003/2003)
  • Der romantische Egoist (2005/2005)
  • Ein französischer Roman (2009/2010)

„Das verflixte 3. Jahr“ hingegen sollte die gefühlvolle Seite zeigen. Es geht darin um den knapp 30 Jahre alten Maronnier (Gaspard Proust), der nach drei Jahren Beziehung gegen seinen Willen von der geliebten Gattin geschieden wird. Die beiden hatten sich zu langweilen begonnen. Und weil Marc seine Anne (Elisa Sednaoui) betrog, ließ sie ihn für den viel erfolgreicheren Schriftsteller Marc Levy stehen, der sich im Film selbst spielt. Marc ist traurig, sehr traurig.

Deshalb beginnt er zu trinken und schreibt ein Buch darüber, wie beschissen die Liebe an sich ist, und dass sie nach drei Jahren grundsätzlich vergeht. Der Titel wird unerwartet ein Bestseller. Doch inzwischen glaubt Marc wieder an die Liebe - wegen Alice (Valerie Lemercier) - und ist gar kein so zynischer Macho mehr. Aber das Buch stößt Alice so ab, dass sie Marc verlässt. Wird er sie zurückerobern können?

Namedropping als Ersatzdroge

So weit, so banal. Aber Beigbeder will Tiefgang beweisen. Dafür hat er sich bei der Verfilmung der Popliteratur entsonnen und auf Markennamen gesetzt. Es treten namhafte Schriftstellerkollegen und Philosophen auf, mit denen Beigbeder wohl befreundet ist: Marc Levy, Paul Nizon, Pascal Bruckner, Alain Finkielkraut und Nicolas Rey. Sie dürfen eigene Wortspenden zum Thema Liebe abgeben.

Frederic Beigbeder am Filmset

Polyfilm

Frederic Beigbeder als Regisseur - da hilft auch Woody Allen auf dem T-Shirt nicht

Apropos Prominenz, Glanz und Glamour: In „Das verflixte 3. Jahr“ leben alle in schicken Wohnungen und schwimmen offenbar im Geld. Eine zweite Hauptrolle spielt das hübsche Paris, eine dritte der Musiker Michel Legrand, dessen Musik (und am Ende sogar sein Gastauftritt) den Film veredeln. Und die jungen Schauspielerinnen sind allesamt von Illustrierten gefeierte It-Girls. Bis hin zur letzten Statistin durften nur Frauen im Model-Look mitspielen. Die Männer sind vom Typ „intellektuell-schicke Spinner, die trotzdem kumpelhafte Weiberhelden sind, mit beiden Beinen im Leben stehen und unbeirrbar ihren Weg gehen“.

So viel Schönheit so vergeudet

Auf der Habenseite hat Beigbeder bei seinem Film: eine schöne Kulisse, schöne Schauspieler, schöne Musik, romantische Momente, einzelne kluge Sätze über die Liebe (bei den Gastauftritten) und das (wenn auch seltene) Aufblitzen von Humor. Wie Woody Allen soll das alles wirken, nur moderner und französischer. Tut es aber nicht.

Filmplakat "Das verflixte 3. Jahr"

Polyfilm

Ab 19. Juli in den heimischen Kinosälen

Die Charaktere sind aalglatt - und die Schauspieler machen es nicht besser. Drama, das heißt hier: Sie zieht eine Schmollschnute, er hört traurige Musik, lässt sich einen coolen Bart wachsen und betrinkt sich (betont lässig). Humor heißt hier: Der coole Macho-beste-Freund (gespielt von Rap-Star Joeystarr) wird schwul (hihi!); oder: Der Trauzeuge einer Hochzeit ist betrunken (oh!). Romantik und Liebe heißen hier: Kerzenlicht, Schmacht-SMSen und Softporno.

Dabei hätte alles so vielversprechend begonnen. Beigbeder stellt dem Roman eine Interviewsequenz von Charles Bukowski voran. Der definiert Liebe verschmitzt so: „Die Liebe ist ein Nebel, der mit dem ersten Erscheinen des Tageslichts - dem Einzug der Realität - verbrennt.“ Näher wird „Das verflixte 3. Jahr“ dem Thema Liebe nicht mehr kommen. Die Fallhöhe ist zu groß - vor allem, wenn danach ein Kinofilm auf dem Niveau einer deutschen TV-Komödie folgt.

Simon Hadler, ORF.at

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