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Noch mehr Chaos statt Ordnung

Auf dem internationalen Flughafen von Mexiko-Stadt erschießen Angreifer drei Polizisten, in Panik gehen Touristen in Deckung. Stunden später räumt die Regierung ein: Die Mörder kommen aus den Reihen der Polizei und arbeiten nun für die Drogenkartelle. Der scheidende Staatschef Felipe Calderon ist mit seinem Krieg gegen die Drogenkartelle gescheitert.

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Vor einigen Tagen verkündeten Soldaten die Festnahme eines Sohnes des gesuchten Drogenbarons Joaquin „Chapo“ Guzman, die USA als Empfängerland der meisten Drogen aus Lateinamerika applaudieren prompt. Doch einen Tag später muss die Staatsanwaltschaft erklären: Sie hat den falschen Mann gefasst, es war ein einfacher Autohändler.

Strategie ging nicht auf

Währenddessen liefern einander im ganzen Land täglich Banden rivalisierender Drogenkartelle blutige Kämpfe, Auftragskiller überfallen Hochzeitsfeiern und Entziehungsklinken. Die Leichen ihrer Entführungsopfer tauchen später mit Folterspuren und meist geköpft vor Polizeistationen, Parteizentralen und Zeitungsverlagen auf.

Zwar schickte der konservative Calderon gleich nach Amtsantritt Ende 2006 mehr als 50.000 Soldaten in den Kampf im eigenen Land. Die Armee sollte nun die Arbeit der vielerorts korrupten Polizei erledigen und die Gewalt eindämmen. Doch die Strategie ging nicht auf - im Gegenteil: Mexiko versank in Kugelhagel und Blutvergießen. So starben seit Anfang 2007 mehr als 50.000 Menschen im Drogenkrieg, darunter viele Zivilisten.

Armut als Wurzel des Problems

„Calderon hat sich damals für eine sehr plakative Strategie entschieden, die am Anfang auch viel Applaus erntete“, sagt die ehemalige Staatssekretärin für innere Sicherheit im Bundesstaat Michoacan, Minerva Bautista. Die Linkspolitikerin überlebte 2010 nur knapp einen Angriff, bei dem Auftragskiller ihr gepanzertes Fahrzeug mit mehr als 2.700 Kugeln durchsiebten.

Die Entscheidung, die Armee in den Konflikt hineinzuziehen, habe aber nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. „Es ist nicht der richtige Weg, auch weil die Wurzeln des Problems nicht angepackt werden“, sagt Bautista und verweist auf die immer noch große Armut in vielen Teilen des Landes.

Festnahmen halfen nichts

Calderon weist die Vorwürfe zurück und verteidigt seine Strategie. So wurden unter seiner Amtszeit immerhin 22 der 37 meistgesuchten Drogenbarone festgenommen oder erschossen. Doch es rücken immer neue Anführer nach, zu lukrativ ist einfach das Geschäft mit Kokain und Marihuana. Und die USA verzeichnen nicht wirklich einen Rückgang beim Drogenschmuggel über die Grenze.

Bei der Wahl am Sonntag wird Calderon nicht erneut antreten, die Verfassung verbietet eine zweite Amtszeit. Stattdessen schickt seine Nationale Aktionspartei (PAN) die Geschäftsfrau Josefina Vazquez Mota ins Rennen. Wegen der umstrittenen Bilanz ihres Parteifreundes im Drogenkrieg werden ihr aber kaum Chancen eingeräumt.

Gewalt als „größeres Problem“

Beste Chancen hat dagegen Enrique Pena Nieto von der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI), die bis zu ihrer Machtablöse 2000 Mexiko über 70 Jahre hinweg regierte. Im Wahlkampf bezeichnete Pena Nieto die Gewalt als größtes Problem in Mexiko - und nicht etwa die Drogenkartelle.

„Wir wollen ein Land, das in Frieden lebt, das ruhig und sicher ist“, rief der 45-Jährige Zehntausenden Anhängern bei der Abschlusskundgebung am Mittwoch in der Stadt Toluca zu. In einem Reuters-Interview hatte Pena Nieto zuvor deutlich gemacht: „Auch ich werde mich verpflichtet fühlen, den Drogenhandel zu bekämpfen. Doch wir haben noch ein anderes Thema, das für mich mehr Priorität hat, und zwar die Gewalt.“

Hilfe aus Kolumbien

Zur Wiederherstellung der inneren Sicherheit verspricht Pena Nieto eine umfassende Reform der Polizeikräfte. Als Berater hat er sich dazu den früheren Chef der Bundespolizei in Kolumbien, Oscar Naranjo, ins Boot geholt. Unter dessen Führung gelang es immerhin, die Zahl der Morde und Entführungen in Kolumbien zu verringern. Gleichwohl gilt das Land immer noch als größter Hersteller von Kokain. Und so gibt es die Befürchtung, dass Pena Nieto die Gewalt in Mexiko zwar eindämmen könnte, doch um des Friedens willen faule Kompromisse mit den Drogenkartellen eingehen könnte. Der Kandidat weist das entschieden zurück: „Das Gesetz wird durchgesetzt, es wird nie ausgehandelt.“

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