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Zuerst gefeiert, dann verhaftet

Bis Jänner war der chinesische Geschäftsmann Lin Chunping auch in seiner Heimatstadt Wenzhou ein Unbekannter. Doch dann wurde er von lokalen Medien gefeiert: Er habe eine Bank gekauft, um 60 Millionen Dollar - und das im fernen US-Staat Delaware. Zwei Jahre habe er verhandelt, um die „Atlantic Bank“ zu übernehmen. Erst Monate später wurde eines klar: Die gesamte Story war erlogen.

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Die Bank könne auf eine 85-jährige Geschichte zurückblicken, sei aber 2008 durch die Finanzkrise bankrottgegangen, gab Lin an. Er habe dann die Bank in USA New HSBC Federation Consortium Inc. umbenannt, Einlagen in Höhe von 40 Millionen Dollar lukriert, und ein Jahresgewinn von fünf bis sechs Millionen zeichne sich bereits ab.

Sieg Chinas über die USA

In den staatlichen Medien wurde sein Coup als „legendär“ bezeichnet, in Wenzhou im Osten Chinas wurde er politisch geehrt. Die Geschichte schlug auch deshalb so ein, weil sie die aufstrebende Wirtschaftsmacht China illustrierte, die den Gegner USA schlägt. Der Name erinnerte zudem an die bekannte britische Bank HSBC.

Die Leute seien überrascht gewesen, dass ein obskurer Geschäftsmann eine ausländische Bank und noch dazu eine US-Bank gekauft habe, sagte der Finanzrechtler Zhu Xiaochuan vom CEIBS Lujiazui Institute of International Finance in Schanghai der Nachrichtenagentur AP. Nachdem die Story auch von großen Medien gebracht worden war, kam zunächst kein Verdacht auf. Man wunderte sich nur, dass es in der krisengeschüttelten Stadt Wenzhou so reiche Menschen gibt. Die Zeitung „People’s Daily“ der Kommunistischen Partei porträtierte Lin als cleveren, hart arbeitenden Mann, der schon als Kind Geschäfte gemacht habe, dann eine Kupfer- und Goldmine in Ghana erworben und schließlich mit Reis gehandelt habe.

Alles Lug und Trug

Doch dann prüften Journalisten der Nachrichtenagentur Xinhua die Fakten - und fanden heraus, dass es nie eine „Atlantic Bank“ in Delaware gegeben hatte - im März flog der Schwindel auf. Lin wollte zuerst das ganze Ausmaß nicht zugeben und sprach von einem „Codenamen“ für ein US-Projekt, das noch geheim sei.

Erst eine Woche später entschuldigte er sich gegenüber Medien damit, dass er ein bisschen übertrieben habe, um seinen sozialen Staus und seine künftigen Chancen gegenüber Banken zu steigern. Ob er durch den Schwindel auch Geld eingestreift hatte, blieb zunächst unklar, dennoch hatte er die Wirtschaftspolizei am Hals. Diese nahm ihn im Juni fest - wegen des Verdachts der Bilanzfälschung in Millionenhöhe bei seinen tatsächlich existierenden Firmen. Offenbar hatte er versucht, damit Steuerhinterziehung zu betreiben. Ihm drohen zehn Jahre Haft.

Kein Einzelfall

Die erfundene Bank mag besonders aufsehenerregend sein, ein Einzelfall ist sie aber nicht. Anfang Juni berichteten Zeitungen in der östlichen Provinz Shandong von einem Betrugsversuch mit einer erfundenen Universität. Schüler mit einem zu schlechten Notenschnitt für die staatlichen Universitäten hätten einen Brief erhalten, der ihnen ein Studium am Shandong Institute of Light Industry versprach. Diese Hochschule gibt es tatsächlich - allerdings wusste dort niemand etwas davon. Die Betrüger konnten mit umgerechnet knapp 5.000 Dollar pro Student untertauchen.

Im Vorjahr wiederum schlossen die Behörden in der Stadt Kunming in der Provinz Yunnan fünf falsche Apple-Shops, die detailgetreu den echten Geschäften nachgebaut waren. Experten machen etliche Gründe für die zahlreichen Gaunereien verantwortlich. Um in einer überbevölkerten Gesellschaft erfolgreich zu sein, müsse man mehr als nur konkurrenzfähig sein, heißt es etwa. Auch sei es traditionell so, dass Lügen, um Erfolg zu haben, kulturell akzeptiert werde.

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