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Verbote stachelten Clubs auf

Geringe Strafe für einen Hauptbelastungszeugen gegen die Hells Angels: Ein Gericht im deutschen Kiel sprach gegen den Ex-Chef der inzwischen aufgelösten Rockerbande Legion 81 ein mildes Urteil. Der 40-Jährige, der mit den Hells Angels gebrochen und über deren kriminelle Machenschaften detailliert ausgepackt hatte, wurde am Donnerstag zu vier Jahren und vier Monaten Haft verurteilt.

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Zur Last gelegt wurden ihm in erster Linie Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, Zuhälterei, schwere Körperverletzung und versuchte Erpressung. Möglich wären bis zu zehn Jahren Haft gewesen. Der Ex-Rocker muss zusätzlich mit gut zwei weiteren Jahren Gefängnis rechnen, weil die Bewährung einer früheren Strafe widerrufen wurde.

Bandidos vs. Hells Angels: Delikte nehmen zu

Das Urteil ist nur einer der Höhepunkte des seit langem schwelenden Kampfes der Behörden gegen die kriminellen Machenschaften der großen Rockerclubs. In den vergangenen Wochen waren Ermittler in Deutschland mehrfach massiv gegen untereinander traditionell verfeindete Rockerclubs wie die Bandidos und Hells Angels vorgegangen.

Der Hintergrund sind Verfahren wegen Drogen- und Waffenhandels und Gewalttaten sowie behördliche Verbote einzelner Ableger. Internationale Rockerclubs wie die Hells Angels und Bandidos sind nach den Erkenntnissen deutscher Sicherheitsbehörden zumindest teils der organisierten Kriminalität zuzurechnen und etwa im Rotlichtmilieu und Drogenhandel aktiv.

„Serie erheblicher Straftaten“ befürchtet

Mit dem Urteil droht der Rockerkrieg zu eskalieren: Die Staatsanwaltschaft hatte vor dem Urteil die Befürchtung geäußert, dass nach den Durchsuchungen von Rockerheimen und den Schüssen auf einen Berliner Hells-Angels-Chef weitere schwere Straftaten folgen. „Aufgrund der jüngsten Entwicklungen im Rockermilieu befürchten wir, dass es zu einer ganzen Serie erheblicher Straftaten kommt. Das gab es in dieser Form vorher noch nicht“, sagte der Leiter der neu gegründeten Task-Force Rocker der Behörde, Jörg Raupach, der „Berliner Morgenpost“ (Donnerstag). Die Berliner Task-Force war für alle Fälle mit Bezug zur Rockerszene gebildet worden.

Die Polizei spricht davon, dass die Rivalitäten unter den Clubs zugenommen hätten. Sie geht allein in der Hauptstadt Berlin von etwa 300 Hells Angels und etwa 500 Bandidos aus. Erst kürzlich wurde ein führendes Hells-Angels-Mitglied in Berlin angeschossen. Der Mann wurde lebensgefährlich verletzt - die Sicherheitsvorkehrungen vor dem Krankenhaus sind enorm, da die Polizei fürchtet, dass ein weiteres Attentat auf den Rocker verübt werden könnte.

Mächtige Rockerclubs mit Wurzeln im US-Militär

Die Hells Angels gelten als mächtigster und mitgliederstärkster Rockerclub der Welt. Sie wurden 1948 von Kriegsveteranen in Kalifornien gegründet, der Name stammt von einer Bomberstaffel. Aus der Gruppe von Harley-Davidson-Fans wurde eine straff geführte Organisation mit Mitgliedern in rund 30 Ländern. Der erste deutsche Ableger entstand 1973. Auch die 1966 in Texas als Motorradclub entstandenen Bandidos haben Wurzeln im US-Militär. Die meisten Gründungsmitglieder dienten als Marines im Vietnam-Krieg. Die erste deutsche Sektion tauchte Ende der 1990er Jahre auf.

Mitglieder der Hells Angels auf ihren Motorrädern

APA/Markus Leodolter

2.000 Rocker versammelten sich Anfang Juni am Schwarzlsee nahe Graz

Belastende Aussagen: Prostitution, Waffen, Drogen

Die Legion 81 war laut den Angaben des Angeklagten eine Hilfstruppe für die Hells Angels im Drogen- und Waffengeschäft, bei Prostitution, Schutzgelderpressungen und Gewaltdelikten. Den Chef der Hannover’schen Hells Angels beschuldigte der 40-Jährige, einen Mord an einem Türken in Auftrag gegeben zu haben. Der Mann wird seit zwei Jahren vermisst. Die Polizei sucht dessen Leiche in einer Lagerhalle in Altenholz bei Kiel - bisher ohne Erfolg.

Für Aufsehen hatten die Hells Angels kürzlich auch in Österreich gesorgt. Nahe Graz fand Anfang Juni beim Schwarzlsee der „World Run 2012“ statt, zu dem rund 2.000 Rocker anreisten. Das Treffen verlief abgesehen von mehreren kleineren Zwischenfällen ruhig - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

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