Kampf gegen Terror als Gratwanderung
Die ausklingende Amtszeit von US-Präsident Barack Obama soll im November bei den Präsidentschaftswahlen aus Sicht der Demokraten möglichst in eine weitere münden. Dabei unterliegt gerade sein Vorgehen auf Kriegsschauplätzen wie Afghanistan, Irak und Pakistan besonderer Bewertung. So profiliert sich Obama zunehmend als Kriegsherr mit starker Entscheidungsgewalt.
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Gerade erst Ende Mai konnte der Wahlkämpfer Obama im Anti-Terror-Krieg wieder einen außerordentlichen Erfolg vermelden lassen. Die Botschaft der Tötung von Al-Kaidas Topterroristen Abu Jahja al-Libi, offenbar immerhin Nummer zwei des Terrornetzwerks, wurde durch einen Sprecher des Weißen Hauses verkündet. Es sei ein „bedeutender Schlag“ gegen die Terrorgruppe gelungen - gleichzeitig sah er Al-Kaida „näher als jemals zuvor an ihrem ultimativen Untergang“.

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Erfolg für Obama: Der getötete Al-Kaida-Topterrorist Libi
Doch wie die Verkündung eines großen Triumphes über das Böse wirkte der Auftritt des Sprechers nicht. Kein Wort verlor er darüber, dass die USA für die Tötung verantwortlich sind, genaue Details über die Operation wurden nicht kommuniziert.
Drohnen als umstrittenes Mittel
Fast könnte man annehmen, als sei es der US-Regierung unangenehm, den Topterroristen mit einem ihrer berüchtigten Drohnenangriffe in Pakistan ausgeschaltet zu haben. Jenen Attacken mit unbemannten Flugzeugen, die Obama in den Augen vieler Kritiker wie einen erbarmungslosen Kriegspräsidenten aussehen lassen.
Und die Debatte über den Einsatz von Drohnen, die nach Ansicht vieler Beobachter fast schon ein Markenzeichen für die Amtszeit Obamas geworden sind, hält dabei schon länger an. Etwa eine Woche vor der gezielten Tötung Libis veröffentlichte die „New York Times“ einen Bericht, wonach Obama persönlich die Auswahl der Ziele für die Drohnenangriffe gegen Anhänger von Al-Kaida und anderer Terrorgruppen überwache - der Präsident segne laut Angaben ehemaliger Berater und Spitzenbeamten final ab, welche Verdächtigen auf die „Todesliste“ kommen. Wird also eine Profilierung Obamas als harter Vollstrecker doch gewünscht?
Obama trifft Entscheidungen
Im Lagezentrum des Weißen Hauses studiere der Präsident Fotos und Kurzbiografien der Verdächtigen - dabei stelle er Fragen und entscheide schließlich über Leben und Tod, wie es heißt. „Er ist entschlossen, dass er die Entscheidungen für das Ausmaß der Operationen trifft“, wird Obamas Berater für Nationale Sicherheit, Tom Donilon, zitiert. Erstmals bestätigte Obama im Jänner öffentlich den Einsatz der Drohnen in Pakistan. Dabei hatte er seit seinem Amtsantritt die Frequenz der Drohnenangriffe massiv ausgeweitet.

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Unbemannte Drohnen: Umstrittener Einsatz in Ära Obama deutlich verstärkt
Angeln in konservativen Gewässern
Weit mehr als 2.000 Terroristen sollen die USA durch die von zu Hause aus ferngesteuerten Kampfmaschinen getötet haben - im Jemen, in Somalia und vor allem in Pakistan. Aus diesen Ländern kommt immer heftigerer Widerstand gegen die offiziell nicht genehmigten Attacken - doch auch in den Vereinigten Staaten selbst erweist sich die Kriegsführung Obamas als zweischneidiges Schwert. Die Erfolge im Anti-Terror-Kampf bescheren ihm laut Beobachtern zweifelsohne Sympathien bei konservativen Wählern, ein bedeutender Anteil derer hält die Tötungen gemäß ihrer „Krieg gegen den Terror“-Ausrichtung für die größten sicherheitspolitischen Errungenschaften des demokratischen Präsidenten.
Liberale Demokraten nicht vergrämen
Doch ganz anders äußert sich Obamas liberale Parteibasis. Die Angriffe fänden außerhalb jeglicher Gesetze und des Völkerrechts statt, lautet vielfach der Tenor. Und mit seinen Anhängern kann es sich der Präsident im Wahljahr keinesfalls verscherzen. Obama versuchte in letzter Zeit immer wieder, eine Abkehr von US-Kriegseinsätzen zu kommunizieren. So betonte er zuletzt bei seiner Rede anlässlich des Veteranengedenktags (Memorial Day) Ende Mai, US-Truppen nur noch in „absolut notwendige“ Kriege schicken zu wollen.

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Obama am Memorial Day: „Nur mehr in notwendige Kriege ziehen“
„Wir hassen den Krieg“
Überhaupt war auch innerhalb der Bevölkerung in den USA die Unterstützung für die verlustreichen und kostspieligen Einsätze zurückgegangen. „Wir hassen den Krieg“, zitierte Obama den ehemaligen Präsidenten Franklin Roosevelt. „Nach einem Jahrzehnt unter der dunklen Wolke des Krieges sehen wir das Licht eines neuen Tages am Horizont“, führte Obama mit Blick auf den bereits abgeschlossenen Truppenabzug aus dem Irak und dem nahenden Ende des Afghanistan-Einsatzes aus. Zudem betonte er, am Vorhaben festzuhalten, die begonnenen Kriege seines Vorgängers George W. Bush zu beenden.
Veröffentlichung brisanter Daten lanciert?
Zuletzt war Obama aber ins Zwielicht geraten, denn wiederholt waren Regierungsinterna an US-Medien durchgesickert. Innerhalb weniger Wochen waren in den USA mehrmals vertrauliche Infos an die Öffentlichkeit gelangt. So gab es Berichte, Obama haben den Angriff auf iranische Atomanlagen mit dem Computervirus „Stuxnet“ vor zwei Jahren persönlich angeordnet. Auch dass der Präsident selbst tödliche Drohnenangriffe gegen Terroristen freigebe, wurde durch den besagten „New York Times“-Artikel bekannt. Zudem fanden sich Details über einen vereitelten Anschlag der Terrorgruppe Al-Kaida mit einer „Superbombe“ in den Zeitungen.
Republikanische Kongressmitglieder äußerten darauf den Verdacht, das Weiße Haus selbst könne hinter Lecks stecken, um Obama im laufenden Präsidentschaftswahlkampf als harten Sicherheitspolitiker zu profilieren. Es sei „schwierig, der Schlussfolgerung zu entkommen“, dass hinter den Enthüllungen eine „politische Motivation“ stecke, sagte Senator John McCain, der 2008 gegen Obama im Zweikampf ums Weiße Haus unterlegen war. Er rief nach einer „Sonderermittlung“.
Bin-Laden-Film sorgt für Aufregung
Auch auf die Fahnen heften kann sich Obama seit Mai 2011 die Tötung des ersten Mannes von Al-Kaida, Osama bin Laden, durch die Eliteeinheit Navy SEALSs. Ein Erfolg, den Hollywood als verfilmenswert erachtete. Entsprechend sollte die Regisseurin des Films „Zero Dark Thirty“ auf ihr Gesuch an den Geheimdienst CIA hin ausführlichste Informationen bekommen, um die spektakuläre Tötung Bin Ladens möglich realitätsgetreu nachstellen zu können.
Auf einen Antrag der rechten Aktivistengruppe Judicial Watch mussten US-Verteidigungsministerium und CIA die Korrespondenz zwischen der Regisseurin und den Regierungsstellen schließlich freigeben. Eine peinliche Affäre, die wiederum auf Obama zurückfallen sollte. Denn Republikaner unterstellten ihm umgehend die Absicht, den Film, der noch vor den Wahlen hätte anlaufen sollen, als Imageschub „verwenden“ zu wollen.
„Wespennester“ Syrien und Iran
Abwartend gibt sich Obama in der Syrien-Frage. In einem vor zwei Wochen erschienenen Artikel des „Wall Street Journal“ musste sich der Präsident dafür harte Kritik gefallen lassen. „Syriens Srebrenica“ titelte die Zeitung den Kommentar, in dem sie Obama vorwirft, den Vereinten Nationen zu folgen, „die zum Komplizen von Baschar al-Assad geworden sind“.
So sei es Obamas Hauptanliegen, „die Wahl hinter sich zu bringen, ohne erneut amerikanische Militärmacht einsetzen zu müssen“, hieß es. Das bosnische Srebrenica, wo 1995 UNO-Truppen zuschauten, als Serben Tausende Bosniaken töteten, in einem Atemzug mit dem US-Präsidenten zu nennen, scheint selbst für das Obama-kritische Blatt ungewöhnlich hart. Nicht zuletzt gibt es darüber hinaus die schwelende Krise mit dem Iran, mit ebenfalls unkalkulierbarem Risiko. Der Abzug aus den Brandherden Irak und Afghanistan hat für Obama Priorität - sich auf neue Kriege einzulassen hingegen offenbar ganz und gar nicht.
Obamas Popularität gesunken
Umfragen sehen indes den Vorsprung Obamas schmelzen, so hält er gegenwärtig beim schlechtesten Wert seit Jahresbeginn: Nach einer zuletzt veröffentlichen Umfrage von „Reuters/Ipsos“ zeigten sich angesichts der schwachen Wirtschaftslage lediglich 47 Prozent mit der Amtsführung des Demokraten zufrieden. 63 Prozent der Befragten waren der Ansicht, das Land befinde sich auf dem falschen Weg - ein Zuwachs von sechs Prozentpunkten gegenüber der vorherigen Erhebung.
Im direkten Vergleich mit seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney schmolz der Vorsprung Obamas seit Jänner von sieben auf einen Prozentpunkt. 45 Prozent der Befragten sprachen sich für den Amtsinhaber aus, 44 Prozent für Romney.
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