„Außerdem, was bringt es noch?“
Deo, Windeln, Toilettenpapier - in den Schlecker-Filialen gehen die Kunden auf Schnäppchenjagd. Für die Mitarbeiter der insolventen Drogeriekette beginnt mit dem Ausverkauf der letzte Akt. Sie wissen, dass mit dem Verkauf des letzten Deos ihre Schicht für immer endet.
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Bis zum Rand des Einkaufswagens stapeln sich die Shampoo-Flaschen. Wofür er so viel Haarwaschmittel braucht, will der Kunde in einer Schlecker-Filiale in Stuttgart nicht sagen. Hinter ihm drängen sich am Freitag andere Schnäppchenjäger, die Schlange windet sich durch die engen Gänge des Drogeriemarkts.
Die Kassiererin ist genervt, über zehn Minuten braucht sie, um die Barcodes einzulesen. Auch sie will nicht gerne reden. „Sie sehen ja, was hier los ist“, sagt sie und wischt sich den Schweiß von der Stirn, brütend heiß ist es in dem kleinen Geschäft. „Außerdem, was bringt es noch?“
„Ohne Dank rausgesetzt“
Ihre Kollegin Irina Fröhlich will etwas sagen, will sich den Frust von der Seele reden. „Seit mehr als zehn Jahren habe ich hier als Verkäuferin gearbeitet, und jetzt wird man einfach so ohne Dank rausgesetzt, unglaublich ist das“, sagt die Mutter von drei Kindern und stellt zwei XXL-Packungen Waschmittel ins Regal. Eigentlich hätte die 49-Jährige ihren freien Vormittag genießen wollen. Doch zum Start des Ausverkaufs in den rund 2.800 noch verbliebenen Schlecker-Märkten in Deutschland wurde auch ihre Hilfe gebraucht.
Vor vielen Filialen der insolventen Drogeriemarktkette bildeten sich schon vor Geschäftsöffnung lange Schlangen. „30 Prozent auf alles, Einzelartikel bis zu 50 Prozent reduziert“ wird auf roten Rabattschilder in den Schaufenstern verkündet. In den nächsten Tagen sollen die Preise weiter reduziert werden, je nachdem, wie der Abverkauf läuft. Die Kunden greifen bei reduziertem Spülmittel und Duschgel kräftig zu. In Dresden musste eine Filiale sogar zeitweise geschlossen werden, weil im Laden kein Platz mehr war.
„Wenn das so weitergeht, haben wir bald keine Ware mehr“, sagt auch Monika Hornung, Leiterin einer Schlecker-Filiale im Stuttgarter Zentrum. „Eben hat ein Kunde für seinen vollen Einkaufswagen fast 250 Euro bezahlen müssen. Der hat von allem was mitgenommen.“
„Wahrscheinlich der letzte Einkauf“
Auch Richard Bosser greift beherzt zu. Rasierklingen und Shampoo stapeln sich in seinem Einkaufswagen. „Das wird wahrscheinlich der letzte Einkauf sein, da muss ich noch mal zuschlagen“, sagt der 78-Jährige. Seit mehr als 20 Jahren kaufe er nun schon hier ein. Das Ende der insolventen Drogeriekette bezeichnet er als „Katastrophe“, besonders für die Mitarbeiter. „Bewundernswert, wie die Schlecker-Frauen hier noch schaffen“, sagt Bosser. „Die arbeiten ja jetzt an ihrem eigenen beruflichen Ende.“
Gut 13.000 Mitarbeiter sind bei Schlecker noch beschäftigt. Ihre Kündigung zum Monatsende ist beschlossene Sache. Dennoch: Die große Rabattaktion mache fast ein wenig Spaß, sagt Filialleiterin Monika Hornung. Endlich sei ordentlich zu tun. „Aber im nächsten Moment wird einem wieder klar, dass mit jedem verkauften Shampoo das Ende näher rückt.“
Von Söhnke Callsen, dpa