Themenüberblick

Die Konfliktpunkte bei ELGA

Der Elektronische Gesundheitsakt (ELGA) soll Mitte nächsten Jahres starten, dann schrittweise ausgebaut werden und 2017 in Vollbetrieb gehen. Als Erstes soll ab 1. Juli 2013 die E-Medikation verfügbar sein, so der Gesetzesentwurf von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ). Doch die Debatte über ELGA ist auch durch den klaren Zeitplan nicht vom Tisch. Wer will was rund um den E-Gesundheitsakt?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Stöger versucht es nun mit einem neuen Gesetzessentwurf zu ELGA, gut eineinhalb Jahre nach dem ersten Entwurf, der viel Staub aufgewirbelt hat. Man habe „die Anmerkungen aller Partner berücksichtigt“, sagte der Minister. Doch die Debatte geht unvermindert weiter. Ob sich ein Gesetzesentwuf vor dem Sommer ausgeht, hängt auch von der Ärztekammer ab, dem Hauptgegner von ELGA. Der Nachfolger von Walter Dorner als Präsident der Kammer wird am 22. Juni gewählt. Bis dahin ist ein Entgegenkommen der Ärzte wohl nicht zu erwarten.

Gesundheitsminister Alois Stöger

dapd/Hans Punz

Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ)

Unter den ELGA-Befürwortern finden sich neben dem Gesundheitsminister der Hauptverband und die in ihm organisierten Krankenkassen sowie die Patientenanwaltschaft. Gegner des Entwurfs sind auf der anderen Seite Ärztevertreter und Datenschützer. Im Folgenden ein Überblick über die Argumente pro und kontra ELGA:

Pro ELGA

Der Gesundheitsminister

  • ELGA soll als Informationssystem für berechtigte Spitäler, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Apotheken, Pflegeeinrichtungen sowie Patientinnen und Patienten einen gesicherten, orts- und zeitunabhängigen Zugang zu wichtigen Gesundheitsdaten ermöglichen.
  • Vorbefunde aus ganz Österreich und eine Medikationsübersicht können, wenn sie gebraucht werden, einfach und schnell abgerufen werden. Die Befunde haben eine einheitliche Optik und einen strukturierten Aufbau und können automatisch in das eigene Dokumentationssystem übernommen werden.
  • ELGA ist einfach zu bedienen, da es in die bestehende Software integriert wird, aufwendige Patientenbefragungen und Recherchen können deutlich verkürzt werden.
  • Patientinnen und Patienten haben persönlich über Internet Zugriff auf ELGA oder werden dabei von Ombudsstellen unterstützt. Sie können Befunde aus- und einblenden, wenn sie eine unbefangene Zweitmeinung einholen wollen, oder überhaupt der Speicherung von Behandlungsfällen in ELGA widersprechen (z. B. Schwangerschaftsabbruch).
  • Patientinnen und Patienten, die nicht an ELGA teilnehmen wollen, können aus diesem System auch austreten. Sie dürfen von ihren Kassen aber nicht schlechter gestellt werden.
  • Auf ELGA können ausschließlich Ärztinnen und Ärzte sowie Gesundheitseinrichtungen zugreifen. Der Zeitraum soll vier Wochen umfassen. Apotheken haben nur Zugriff auf die Medikamentenübersicht. Für Arbeitgeber, Behörden, Versicherungen und Chefärztinnen und -ärzte ist der Zugriff auf ELGA verboten und technisch, wie das Gesundheitsministerium sagt, nicht möglich.
  • In einer volkswirtschaftlichen Betrachtung listet das Gesundheitsministerium für die österreichweite ELGA-Einrichtung bis 2017 Kosten von 130 Millionen Euro auf und für den Betrieb ab dann jährliche Kosten von 18 Millionen Euro. Die erwartete Kostendämpfung für das Gesundheitswesen beträgt 129 Millionen Euro jährlich und soll für die Stabilisierung und den Ausbau der Gesundheitsversorgung in Österreich genutzt werden, so das Ministerium.

Der Hauptverband

Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger begrüßt den neuen Entwurf von Stöger. Die Argumente des Hauptverbands über die des Gesundheitsministeriums hinaus:

  • Erhöhung der Patientensicherheit
  • Verbesserung der flächendeckenden medizinischen Versorgung durch die E-Medikation
  • Gute Annahme unter den teilnehmenden Patientinnen und Patienten beim Pilotprojekt E-Medikation.

Die Patientenanwaltschaft

Die Patientenanwälte, die auf Landesebene organisiert sind, begrüßten schon im Vorjahr die Einführung von ELGA. Zahlreiche Patientenbefragungen ergaben ein klares Ja zu ELGA. Bei der letzten Tagung der ARGE Patientenanwälte dominierten in Statements nach außen die Pro-Stimmen zu ELGA:

  • ELGA ermöglicht eine rasche und umfassende Dateninformation über Patienten und trägt entscheidend zur Beseitigung von Doppelgleisigkeiten bei.
  • Der verstärkten Einsatz von E-Health bringt eine wesentliche Verbesserung für die Patienten hinsichtlich Behandlungsqualität und Behandlungssicherheit.
Ärztekammer-Präsident Walter Dorner

APA/Roland Schlager

Ärztekammer-Präsident Walter Dorner

Kontra ELGA

Die Ärztekammer

  • Die Ärztekammer hegt Zweifel an den versprochenen Einsparungen, die ELGA bringen soll.
  • ELGA stellt für die Ärzte einen Angriff auf die ärztliche Verschwiegenheitspflicht dar. Nur ein Arzt soll entscheiden dürfen, welche Daten im Sinn des Patienten weitergegeben werden dürfen.
  • Den Ärzten fehlt die aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderliche freiwillige Teilnahme von Patienten und Ärzten ebenso wie die Zuordnung klarer Verantwortlichkeiten.
  • Kritisiert wird von den Ärzten, dass die hochsensiblen Gesundheitsdaten der Österreicherinnen und Österreicher unverschlüsselt in ELGA gespeichert werden.
  • Der medizinische Nutzen und die Kostenfrage von ELGA sind nach wie vor ungeklärt. Das System der E-Medikation ist nicht praktikabel, sagt Ärztekammer-Präsident Walter Dorner. Sein Vize Artur Wechselberger findet den Grundgedanken der E-Medikation „richtig“, aber: „Die Überfrachtung mit zu vielen Funktionen macht die Sache nicht praktikabel.“
  • An ELGA stört die Ärztevertreter auch, „in einem Müll an schriftlichen Informationen unterzugehen“.
  • Neben der „Unmenge an Bürokratie“, die man via ELGA-Daten über sich ausgewälzt sieht, wird ein Argument, nicht direkt vonseiten der Ärztevertretern, aber von Gesundheits- und Rechtsexperten ins Treffen geführt: Ärzte fürchten einen Anstieg von Schadenersatzklagen. Das Haftungsrisiko würde, so die Meinung der Ärzteversicherung, tendenziell steigen. Nicht nur der gläserne Patient, auch ein gläserner Arzt, dessen Behandlungsschritte genau dokumentiert werden, würde mit ELGA ein Stück Wirklichkeit. Streng genommen muss jeder Arzt vor der Behandlung eines Patienten dessen ELGA penibel durcharbeiten.

Datenschützer

  • Der Obmann der ARGE Daten, Hans Zeger, kritisiert vor allem einen Passus, wonach ELGA-Gesundheitsdaten „zum Zweck der Gesundheitsvorsorge“ weitergegeben und verwendet werden dürfen.
  • Im Abschnitt „Nutzungsrechte“ des Stöger-Entwurfes wird festgehalten, dass ELGA-Daten „als Teil der öffentlichen Gesundheitsinfrastruktur unentgeltlich zur Verfügung zu stellen“ seien. Der Begriff der Vorsorge bleibe dabei undefiniert und könne alles umfassen, so Zeger (im Gesundheitsministerium hält man dem entgegen, dass unentgeltlich vor allem den Austausch der Daten unter Ärzten ohne Zusatzkosten garantieren soll).
  • Mit dem Argument der Gesundheitsvorsorge kann im Grunde jeder Anspruch auf Gesundheitsdaten erheben, etwa zur Berechnung von Versicherungsrisiken und zur Vermarktung von Medikamenten. Persönliche Daten werden so zu einer öffentlichen Angelegenheit.

Der Zeitplan des Ministers

Nach Wunsch des Gesundheitsministers soll ELGA Mitte nächsten Jahres starten, dann schrittweise ausgebaut werden und 2017 in Vollbetrieb gehen. Als Erstes würde ab 1. Juli 2013 die E-Medikation verfügbar sein, geht aus dem nun veröffentlichten Entwurf hervor.

Der Gesundheitsminister hat bis 30. Juni 2013 das Zugangsportal für die zu speichernden Gesundheitsdaten, die Widerspruchsstellen für Patienten, die ihre Daten nicht oder nur teilweise gespeichert haben wollen, sowie eine ELGA-Ombudsstelle „nach Maßgabe der technischen Verfügbarkeit“ zu errichten. „Ab diesem Zeitpunkt kann ELGA verwendet werden“, heißt es in dem Entwurf. Von 1. Juli 2013 bis 31. Dezember 2014 hat der Hauptverband der Sozialversicherungsträger die E-Medikation - also die Speicherung von Arzneimitteln, um Wechselwirkungen und Mehrfachverordnungen zu verhindern - stufenweise einzurichten.

Spätestens ab 1. Jänner 2015 müssten sich auch die Apotheken an dem System beteiligen. Ab dem gleichen Datum haben öffentliche Spitäler und Pflegeeinrichtungen die Gesundheitsdaten ihrer Patienten zu speichern. Spätestens ab 1. Juli 2016 - und damit eineinhalb Jahre später als im ersten Entwurf Stögers vorgesehen - müssen dann auch die niedergelassenen Vertragsärzte an ELGA teilnehmen. Die privaten Spitäler hätten spätestens ab 1. Jänner 2017 die Gesundheitsdaten zu speichern. Ebenfalls spätestens ab diesem Zeitpunkt müssen die Patientenverfügungen, die Vorsorgevollmachten und die medizinischen Register in ELGA zur Verfügung stehen. Damit soll 2017 laut Gesetzesentwurf das erste „Vollbetriebsjahr“ für ELGA sein.

Links: