Wenn Wörter zu Bildern werden
Seit 20 Jahren wird in Wien wild getextet: Mit der Gründung der schule für dichtung (sfd) durch den im Februar verstorbenen Christian Ide Hintze hat Wien eine Institution bekommen, die sich mit allen Formen von Poesie beschäftigt.
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Auf die Idee für seine Dichtkunstschule kam Hintze 1990, als er auf Einladung von Allen Ginsberg die „Jack Kerouac School of Disembodied Poetics“ besuchte. Nachdem er 1992 in Wien sein eigenes Institut begründet hatte, wobei ihm zahlreiche Kollegen zur Seite standen, gewann er klassische Dichter wie H. C. Artmann, Wolfgang Bauer und Gerhard Rühm, aber auch Popliteraten wie Blixa Bargeld, Nick Cave und Falco als Lehrkräfte.

APA/Barbara Gindl
Robert Schindel, Roland Neuwirth, Marlene Streeruwitz, Rudolf Muhr und sfd-Gründer Christian Ide Hintze
Buchstaben- und Sprechlautforschung
Die schule für dichtung besteht nun seit 1992 als „autonom verwaltetes Lehr- und Lerninstitut für Literatur“, „Akademie für Buchstaben- und Sprechlautforschung“ und „Laboratorium zur Verwandlung literarischer Impulse in kommunale Ereignisse“ und veranstaltet seit 1996 neben den klassischen „analogen“ auch „digitale“ Klassen.
„Viele Leute sind skeptisch und glauben nicht, dass man Schreiben lernen kann“, sagte etwa Autor und Unterstützer Robert Schindel. „Genauso wie Malen ist auch das Schreiben erlernbar.“ Dichten und Schreiben sei nicht bloß „therapeutisches Zeug, um an der Welt zu genesen, an der man verzweifelt“, fuhr Schindel fort und räumte ein, dass „Therapie zum Teil sogar Voraussetzung von Literatur“ sei.
Neuer Leiter gibt anfängliche Skepsis zu
Auch Hintzes Nachfolger, Radiomacher, Autor und Journalist Fritz Ostermayer, gibt in Interviews unumwunden zu, dass er der Gründung der Schule vor 20 Jahren skeptisch gegenüberstand. Das habe sich mittlerweile aber geändert, sehe er die sfd doch vor allem als „Ort der Inspiration“. Der „überzeugte Teamspieler“ sei er bei allem, was er macht, der „Tradition des Dilettantismus“ verpflichtet. Als künftige Lehrende schweben ihm etwa Jonathan Meese, der über Manifeste referieren könnte, und Franz Schuh mit einem Kurs über „The Art Of Polemik“ vor.
Gleichzeitig will er die sfd auch weiter öffnen: Dazu wäre etwa der österreichische Filmemacher Martin Arnold ein geeigneter Kandidat für eine Kombination aus Film und Text zu visueller Poesie oder eine Zusammenarbeit mit dem Donaufestival in Krems. „Eine Sichtbarmachung in diese Richtung halte ich für wünschenswert“, so Ostermayer.
„Bilder lingualisieren“
Der zunehmenden Deutungs- und Diskurshoheit von Bildern im Zeitalter von YouTube, YouPorn und Co. will Ostermayer begegnen, „indem wir das Wort auch als Bild nehmen. Und umgekehrt Bilder lingualisieren“, erklärte er im Interview mit der Zeitschrift „The Gap“.
„Ich könnte mir z. B. gut eine Ausstellung mit aufgeladenen four-letter-words vorstellen, bei der es zu spannenden audiovisuellen Synergien rund um das Wörtchen FUCK kommt. Oder, wenn’s beliebt: DICK, COCK, CUNT, SLUT, BUTT, FART, CRAP, DARN, DUNK, HECK usw.“
Unsichere finanzielle Lage
Noch etwas unsicher ist zum 20-jährigen Jubiläum die finanzielle Lage. Gespräche mit den Subventionsgebern stehen erst an, bisher habe man jährlich 140.000 Euro vom Bund und 87.000 Euro von der Stadt erhalten. Laut sfd-Mitglied Orhan Kipcak hofft man, in den kommenden ein, zwei Monaten Genaueres zu wissen.
Davor wird aber erst einmal gefeiert: Am 2. Juni gibt es im Kasino am Schwarzenbergplatz eine Festveranstaltung, bei der die Burgschauspieler Brigitta Furgler, Dorothee Hartinger, Jürgen Maurer und Moritz Vierboom Texte von sfd-Lehrenden wie Blixa Bargeld, Nick Cave und Allen Ginsberg vortragen werden.
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