Der Rattenfänger von Belfast
London feiert Olympia, und ganz Großbritannien macht mit. Zehn Millionen Menschen werden bis Ende 2012 an der Kulturolympiade teilgenommen haben - bei insgesamt 2.713 Projekten. Neben Renommierevents mit Prominenten sind darunter auch zahlreiche Initiativen, bei denen das olympische Motto „Dabei sein ist alles“ gilt.
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Wichtig ist bei solchen partizipatorischen Initiativen, dass sie fest lokal verankert sind - und quer durch Großbritannien verteilt. Eines der unter dem „Inspire a generation“-Label geförderten Projekte ist die Aufführung des „Rattenfängers von Hameln“ in der Waterfront Hall in Belfast, Nordirland. Dutzende Schulen waren daran beteiligt, organisiert wurde das Event vom Ulster Orchestra. Bei der Auswahl der Schulen wurde darauf geachtet, dass sie, so heißt es vonseiten der Organisatoren, den „olympischen“ und „paralympischen“ Gedanken auch im Alltag leben. Die Abende mit dem Stück „The Pied Piper“ sollen schon jetzt ein voller Erfolg sein.
Ein weiteres Projekt wird von der Organisation „Valleys Kids“ in Wales organisiert - die „Operation Zulu“. Dabei koordiniert der walisische Schriftsteller Laurence Allan ein Performancetheaterstück, an dem in Südafrika und in Wales Hunderte Menschen teilnehmen - schwerpunktmäßig solche mit schwierigem sozialen Hintergrund. Dargestellt wird die Lebensgeschichte zweier Burschen, einer aus Südafrika, einer aus Wales, die einander bei den Dreharbeiten für den Film „Operation Zulu“ 1964 kennengelernt hatten.
Heimatbegriff zum Angreifen
Eine der größten Initiativen im Rahmen der Kulturolympiade 2012 ist „On Landguard Point“, das den Osten von England umfasst. Hierbei geht es um die Kartografierung der eigenen Heimat mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln - und auch Migranten sollen aktiv miteinbezogen werden. So entsteht ein Kochbuch mit regionalen und internationalen Rezepten. Verschiedenste Events werden organisiert. Ein Film wird gedreht.
Und die Bewohner der Region wurden dazu angehalten, im eigenen Garten archäologische Grabungen durchzuführen, und alles aufzuheben, was sie dabei finden, das irgendetwas mit dem Begriff „Heimat“ zu tun hat. Auch mit diesen Artefakten entsteht eine Ausstellung. Eine weitere Schau zeigt Fotografien, die von Teilnehmern der Initiativen zum Thema „Heimat“ gemacht wurden.

AP/Kathy Willens
Das Laufrad „Gizmo“ als Kulturprojekt im Rahmen der Olympischen Winterspiele 2010
Nachhaltigkeit und Promifaktor
Sebastian Coe, er sitzt dem Organisationsteam der Olympischen Spiele vor, zeigt sich in einem Statement auf der Website der Kulturolympiade erfreut: „Wir wissen bereits von 78 Prozent unserer Projekte, dass sie auch nach dem Ende der Spiele weitermachen wollen - und 90 Prozent der Organisatoren der Initiativen wollen in Zukunft ähnliche Projekte starten. Die Nachhaltigkeit der Kulturolympiade zeigt sich schon jetzt.“
Coe weiß natürlich auch, dass die Kulturolympiade nicht nur nach innen wirken, sondern auch als Aushängeschild Großbritanniens mit Außenwirkung fungieren soll. Deshalb wurden keine Mühen und Kosten gescheut, Stars und Prominente für die verschiedensten Projekten und Events zu engagieren. Unter anderen mit dabei: die Schauspieler Jude Law und Cate Blanchett, die bildenden Künstler David Hockney, Lucian Freud, Damien Hirst und Tracey Emin, die Designer Vivienne Westwood, Stella McCartney und Paul Smith, die Autorin Toni Morrison, der Filmer Mike Leigh und die Dirigenten Daniel Barenboim und Simon Rattle. Auch die Künstlerin und John-Lennon-Witwe Yoko Ono ist mit an Bord.
Eröffnung wird zum Megaevent
Zur Eröffnung der Spiele treten unter anderem der venezolanische Superstar Gustavo Dudamel und das Symphonieorchester von Simon Bolivar im schottischen Schloss Stirling Castle auf. Eine All-Star-Combo um Jude Law und den Gründer der Stiftung Peace One Day („Eines Tages Frieden“), Schauspieler und Regisseur Jeremy Gilley, bietet gemeinsam mit der Band Massive Attack ein Konzert im irischen Derry. Schauspieler Mark Rylance will mit Performancekunst Shakespeare auf die Straße bringen, Damon Albarn stellt seine Oper „Dr Dee“ vor.
Auch aus Deutschland reist eine Gruppe von Künstlern an, darunter der Tenor Jonas Kaufmann, der in „Die Trojaner“ von Hector Berlioz im Londoner Royal Opera House die Rolle des Äneas übernimmt. Auch das Wuppertaler Tanztheater von Pina Bausch, die Bremer Shakespeare Company und die Ruhrfestspiele Recklinghausen werden vertreten sein. In London wird eines der letzten Projekte der 2009 verstorbenen Choreographin Bausch aufgeführt, eine Reihe von zehn unmittelbar aufeinanderfolgenden Werken, die speziell für die Olympischen Spiele 2012 geschaffen wurden. Aus Österreich ist etwa der Linzer Künstler Kurt Hentschläger mit seiner neuen Installation „CORE“ vertreten.
„Was wir wirklich können“
Das Kulturfest ist der Höhepunkt der insgesamt vierjährigen „Kulturolympiade“. Angesichts der Finanzkrise seien die Feierlichkeiten und Initiativen ein positives Signal, sagte der Vorstandschef der Kulturolympiade, Tony Hall. „Ich denke, wir brauchen alle wieder einen Sinn dafür, was wir in diesem Land wirklich gut können“, betonte Hall. „Wenn man sich die großen Blöcke unserer Volkswirtschaft ansieht - die Kreativindustrie und die Kultur zählen dazu.“ Die Olympischen Spiele laufen von 27. Juli bis 12. August.
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