Themenüberblick

Albanien erlaubt Untersuchungen

Organhandel ist nicht nur ein Problem von Entwicklungs- und Schwellenländern: Das albanische Parlament hat Mitte Mai durch ein entsprechendes Gesetz die Grundlagen für Untersuchungen gelegt, die über illegalen Organhandel nach dem Kosovo-Krieg (1998-99) von Ermittlern der Europäischen Union geführt werden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Das vom US-Juristen John Clint Williamson angeführte EU-Ermittlerteam soll die Angaben aus einem Bericht des früheren Schweizer Europaratsabgeordneten, Dick Marty, untersuchen. Dieser hatte Ende 2010 eine Gruppe Krimineller aus der zentralkosovarischen Region Drenica beschuldigt, Zivilisten Organe entnommen zu haben.

Vorwürfe gegen Regierungschef

Der Anführer dieser Gruppe sei der heutige kosovarische Ministerpräsident Hashim Thaci gewesen. Marty hatte den Regierungschef allerdings nicht direkt mit dem Organhandel in Verbindung gebracht, dafür aber einige seiner Mitarbeiter.

Kurz nach Kriegsende im Juni 1999 wurden im Kosovo Dutzende Serben und „nicht loyale“ Albaner entführt und nach Albanien gebracht, wo laut dem Bericht Martys illegale Organentnahmen praktiziert wurden. Das nun verabschiedete albanische Gesetz ermöglicht den EU-Ermittlern, Untersuchungen in Albanien durchzuführen, Beweise zu sammeln und Zeugen vorzuladen. Sowohl die albanischen als auch die kosovarischen Behörden haben die Vorwürfe Martys wiederholt zurückgewiesen.

Zusammenhang zu neuerem Fall?

Marty soll als Zeuge der Anklage am 18. Juni bei einem Prozess in Prishtina angehört werden. Auf der Anklagebank befinden sich sieben Männer, vorwiegend Ärzte, denen illegaler Organhandel, Menschenhandel, Amtsmissbrauch, organisierte Kriminalität und illegale Ausübung medizinischer Tätigkeit angelastet werden.

Der Anklageschrift zufolge rekrutierte die Privatklinik Medicus aus Prishtina in armen Gebieten Osteuropas und Zentralasiens Menschen, denen sie rund 15.000 Euro für ihre Organe bot, die sie anschließend für bis zu 100.000 Euro weiterverkaufte. Die Organspender sollen das versprochene Geld nie erhalten haben.

Inwieweit die Vorwürfe Martys mit den Machenschaften der 2008 nach einer Polizeirazzia geschlossenen Medicus-Klinik in Verbindung stehen, ist unklar. Einen direkten Konnex dürfte es nicht geben, laut Marty gibt es aber einen Zusammenhang zwischen den Vorwürfen gegen Thaci und der Klinik.

Verdächtiger gefasst

Der Prozess hat bereits im Vorjahr begonnen. Angeklagt sind unter anderem der bekannte Prishtiner Urologe Lufti Dervishi und der frühere Leiter der kosovarischen Gesundheitsbehörde, Ilir Rrecaj. Verdächtigt werden auch der türkische Arzt Yusuf Ercon Sönmez, der von kosovarischen Medien als türkischer „Dr. Frankenstein“ bezeichnet wird, sowie der Israeli Mosche Harel, der Empfänger für die Organe gesucht haben soll.

Harel wurde erst vor wenigen Tagen in seiner Heimat gefasst. Neben dem illegalen Organhandel werden ihnen Menschenhandel, Amtsmissbrauch, organisierte Kriminalität und illegale Ausübung medizinischer Tätigkeiten vorgeworfen.

Links: