Untersuchungsakten füllten 4.000 Ordner
Nach einer Testphase mit „Statisten“ geht am Dienstag auf dem Flughafen Wien-Schwechat der Skylink (neuerdings „Check-in 3“) in Normalbetrieb - gut dreieinhalb Jahre später als vorgesehen. Grund für die Verzögerung waren nicht nur offensichtliche Fehlkalkulationen. Die Baukosten explodierten, die Staatsanwaltschaft ermittelte, der Rechnungshof (RH) stellte dem Projekt ein verheerendes Zeugnis aus.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die erste Planung für einen dritten Terminal war bereits im Jahr 2000 beauftragt worden, die offizielle Ankündigung erfolgte vor ziemlich genau acht Jahren, im Juni 2004. Der damalige Vorstandssprecher der Flughafen Wien AG, Herbert Kaufmann, nannte dabei als Termin für die Fertigstellung 2008. Bei der Grundsteinlegung Ende Jänner 2006 wurden die Gesamtkosten mit rund 400 Mio. Euro beziffert, der Rohbau sollte 2007 fertig sein.
Erster Ärger bahnte sich an, als die EU im April 2007 nachträglich eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für den Flughafenausbau einmahnte. Außerdem stritten Architekten über „abgekupferte“ Pläne für den Bau. Allerdings waren diese Probleme noch harmlos im Vergleich zu jenen, die noch auf das Projekt zukommen sollten, beginnend mit kräftig steigenden Baukosten.
Teurer, später und „Optimierungsbedarf“
Im Sommer 2008 war plötzlich von 657 anstatt rund 400 Mio. Euro und einer schrittweisen Inbetriebnahme ab Oktober 2009 die Rede. Man wolle „langsam, aber sicher“ starten, ein Gepäckchaos solle vermieden werden, sagte der damals für Bau und Finanzen zuständige Flughafen-Vorstand Christian Domany. Als Grund für die höheren Kosten wurden unter anderem höhere Materialpreise genannt.

APA/Flughafen Wien AG
2009 verfügte der Flughafen einen vorübergehenden Baustopp am Skylink
Domany schied im Februar 2009 überraschend aus dem Vorstand aus - offiziell aus familiären Gründen. Allerdings wurde sein Abgang in der Presse recht bald mit der sich abzeichnenden Kostenexplosion in Zusammenhang gebracht, auch weil Domanys Nachfolger Ernest Gabmann eine „unverzügliche“ Statuserhebung ankündigte und die Frage nach „Optimierungsbedarf“ beim Skylink stellte. In den Augen der Öffentlichkeit bestand der jedenfalls dringend.
Wand versetzen mit 337 Stunden Planung
Die „Oberösterreichischen Nachrichten“ („OÖN“) etwa berichteten im März 2009 von der Versetzung einer 60 Quadratmeter großen Wand um einen Meter, die „laut Schätzungen“ 18.000 Euro kosten hätte dürfen. Am Ende seien 337 Stunden Planung zu fast 29.000 Euro und Bauarbeiten für über 124.000 Euro verrechnet worden.
Im selben Monat wurde Skylink-Projektleiterin Andrea Faast wegen „Diskrepanzen“ abgelöst. Gleichzeitig begann sich die Politik, vor allem FPÖ und Grüne, kräftig auf das „Milliardengrab“ Skylink und „rot-schwarzes Missmanagement“ einzuschießen. Die Verträge der drei Flughafen-Vorstände Kaufmann, Gabmann und Gerhard Schmid wurden trotzdem verlängert.
Die Prüfung des Projekts förderte schließlich kalkulierte Kosten von 830, im äußersten Fall 900 Mio. Euro zutage, auf einen Termin für die Inbetriebnahme wollte sich das Management nun nicht mehr festlegen. Stattdessen zog die Flughafen Wien AG Ende Juni 2009 die Notbremse und verfügte einen Baustopp, um die Verträge mit den beteiligten Unternehmen nachzuverhandeln.
Wer wusste von Kostenexplosion?
Das Nachrichtenmagazin „profil“ berichtete damals, der Vorstand habe zu diesem Zeitpunkt längst „detaillierte“ Kenntnis von Termin- und Kostenproblemen gehabt. Außerdem war die Rede von astronomischen Konsulentengagen, die bis zu 25 Prozent der Gesamtkosten ausmachten. Baukosten seien in Sonderbudgets ausgelagert und das Skylink-Budget derart „geschönt“ worden - was der Flughafen dementierte.
Mit den explodierenden Kosten wurde auch der Ruf nicht nur nach einer internen, sondern einer Prüfung durch den RH laut, die vorerst allerdings an einem Kompetenzstreit scheiterte. Der drehte sich um die Frage, ob der RH auch Unternehmen prüfen darf, die - so wie der Flughafen - nicht in Mehrheitsbesitz der öffentlichen Hand sind.
Größe von 17 Fußballfeldern
Mit dem Skylink verdoppelt sich die Terminalfläche des Flughafens Wien-Schwechat. Mit insgesamt 100.000 Quadratmetern ist die Baufläche in etwa so groß wie 17 Fußballfelder. Der Terminal verfügt über bis zu 17 Parkpositionen für Flugzeuge. Ankunft und Abflüge in den Schengen- bzw. Nicht-Schengen-Raum sind über mehrere Ebenen getrennt. Damit soll eine raschere Abfertigung der Passagiere gewährleistet werden.
Gezerre um RH-Prüfung
Grünes Licht für eine RH-Prüfung des Skylink kam schließlich erst nach einem politischen Deal im Nationalrat, bei dem im Tausch gegen eine Lockerung des Bankgeheimnisses (mit der Österreich von einer internationalen „grauen Liste“ der Steueroasen verschwinden sollte) der RH im August 2009 erweiterte Kompetenzen erhielt. SPÖ und ÖVP hatten das anfangs abgelehnt.
Zur selben Zeit war der Skylink schon zum Fall für die Justiz geworden, nachdem im Juli 2009 bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg erst eine Anzeige, später „eine Handvoll“ Sachverhaltsdarstellungen eingingen und diese Erhebungen wegen des Verdachts der Untreue einleitete. Der RH begann seine Prüfung im Oktober, im Dezember 2009 wurde die Entscheidung zum Weiterbau bekanntgegeben - mit Gesamtkosten von schlimmstenfalls 830 Mio. Euro. Am Ende stand die Baustelle siebeneinhalb Monate still.
Streit über Vertuschung
Im Mai 2010 kam es zu Hausdurchsuchungen in Büro- und Firmenräumlichkeiten auf dem Flughafen. Dafür rückten damals 60 Beamte des Landeskriminalamts Niederösterreich (LKA) aus. Nachdem der RH seine Prüfung im Oktober 2010 abgeschlossen hatte, folgte ein Streit über die Veröffentlichung oder Nicht-Veröffentlichung des Rohberichts, Vorwürfe der „Vertuschung“ inklusive. Noch bevor der endgültige Bericht erschien, wurden Forderungen nach personellen Konsequenzen lauter.
Mitte Dezember wurde schließlich nach einem Marathonaufsichtsrat von 14 Stunden die Ablöse von Vorstandssprecher Kaufmann per Ende Dezember 2010 fixiert. Für ihn rückte - interimistisch - der damalige Aufsichtsratschef Christoph Herbst nach. Die Verträge Gabmanns und Schmids wurden ebenfalls vorzeitig, allerdings erst per 31. Dezember 2011, aufgekündigt. Sie wären ursprünglich 2014 ausgelaufen. Nach dem Führungswechsel wurde der Termin für die Inbetriebnahme mit Juni 2012 angesetzt.
Vernichtendes RH-Prüfergebnis
Der RH kam in seinem Abschlussbericht zum Schluss, die explodierenden Kosten hätten das Projekt „an die Grenzen der Wirtschaftlichkeit“ geführt. Schon einleitend bemängelten die Prüfer in dem 296 Seiten umfassenden Papier eine fehlende stabile Projektorganisation, „in Verbindung mit Leistungsmängeln der beauftragten Konsulenten“ seien „erhebliche Projektrisiken schlagend“ geworden.
Und schließlich: „Ungeachtet gravierender Probleme beim Projekt Skylink gewährte der Aufsichtsrat dem Vorstand der Flughafen Wien AG großzügige Bonifikationen.“ Im April und Juni 2011 kam es erneut zu Hausdurchsuchungen, diesmal stand auch der Verdacht des Betrugs im Raum.
Im September 2011 trat das neue Vorstandsduo Julian Jäger und Günther Ofner das Amt an. Beide betonten, dass der Skylink unter 800 Mio. Euro kosten werde. Im Dezember gaben die Justizbehörden nach einer parlamentarischen Anfrage bekannt, dass es bis dahin 35 Hausdurchsuchungen und fast 170 Befragungen gegeben hatte. Die Causa füllte 160 Laufmeter Aktenordner und 14 Terabyte oder 14.000 Gigabyte Speicherplatz für elektronische Daten.

APA/Hans Klaus Techt
Innenansicht kurz vor der Fertigstellung
Aufräumen nach Bauschlamassel
Rechtsstreitigkeiten sind allerdings nach wie vor anhängig. Ex-Vorstand Gabmann will vom Flughafen 573.000 Euro wegen der vorzeitigen Auflösung seines Vertrags. Kaufmann und Schmid hatten nach ihrem Ausscheiden Konsulentenverträge und satte Abfertigungen erhalten, Gabmann sieht sich benachteiligt und klagte. Der Flughafen will nicht zahlen. Vergangene Woche fand in der Causa der erste Termin vor dem Bezirksgericht Korneuburg statt.
Umgekehrt laufen Schadenersatzforderungen des Flughafens. Zuletzt stimmt der Aufsichtsrat einem Versicherungsvergleich zu, der vorerst 14,1 Mio. Euro bringt. Im November hatte die Flughafen Wien AG in einer Presseaussendung von ermittelten Schäden „durch Mängel in der Auftragserfüllung“ bzw. „ungerechtfertigten Kostenerhöhungen“ in einer Höhe von rund 57 Mio. Euro gesprochen und angekündigt, Forderungen weiter „mit Nachdruck“ zu verfolgen. Nicht nur Abschreibungen wegen des teuren neuen Terminals werden noch länger auf die Bilanz drücken, auch Rechtsstreitigkeiten werden den Flughafen damit wohl noch eine Weile beschäftigen - auch unter dem neuen Etikett „Check-in 3“.
Georg Krammer, ORF.at
Links: