EU-Fiskalpakt als Streitthema
Der neue französische Präsident Francois Hollande reist direkt nach seinem Amtsantritt am Dienstag zu einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel nach Berlin. Auch wenn die Begegnung dazu dienen soll, sich gegenseitig kennenzulernen, wie betont wird, dürften im Zuge dessen schon einige Streitpunkte zur Sprache kommen.
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Beim ersten Treffen von Bundeskanzlerin Merkel mit Frankreichs neuem Präsidenten Hollande soll es aber jedenfalls noch keine konkreten Beschlüsse geben. So war die deutsche Bundesregierung am Montag bemüht, die Erwartungen zu dämpfen. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von einer „ersten ausführlichen Gelegenheit, einander kennenzulernen“. Das sei kein „Gipfel der Entscheidungen, sondern ein erstes Kennenlerntreffen“.
Hollande legt Forderungen dar
Doch erst am Sonntag hatte sich alles - zumindest seitens der Franzosen - noch ein wenig forscher angehört. Schon unmittelbar nach der erfolgreich geschlagenen Wahl begannen die Sozialisten im Winde des Triumphs Grundsatzdiskussionen, im Schatten derer auch der erste Auslandsbesuch Hollandes als Präsident steht.
Ein Diskussionspunkt ist dabei der bereits beschlossene europäische Fiskalpakt - Hollande will diesen Pakt zur Haushaltsdisziplin in Europa um eine Wachstumskomponente ergänzen. So pochte Paris auf eine Neuverhandlung, „damit die Wirtschaft über Wachstum wieder in Schwung kommt“, sagte Sozialistensprecher Benoit Hamon am Sonntag. Merkel könne „nicht alleine über das Schicksal Europas entscheiden“, legte er nach.

Reuters/Jean-Paul Pelissier
Sozialisten-Sprecher Hamon schlug zuletzt scharfe Tönen in Richtung Merkel an
Eine Schuldenbremse, wie sie im Fiskalpakt vorgesehen ist, lehnt Hollande ab. Doch bekannte sich auch der Sozialist zum Sparen - wobei er im Jahr 2017 gleichermaßen zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen will. Merkel schließt unterdessen eine Neuverhandlung des unterzeichneten und in einigen Ländern bereits ratifizierten Pakts aus.
Keine „EU-Präsidentin namens Merkel“
Aus den Reihen seiner Sozialisten kommen indes schärfere Töne: „Wir waren nicht bei der Wahl, um eine EU-Präsidentin namens Frau Merkel zu bekommen, die souverän über das Schicksal aller anderen entscheidet“, sagte Hamon im Sender France 3. Die Sparpolitik, auf die der Fiskalpakt setze, habe im Falle Griechenlands „zum Scheitern geführt“, und jetzt breite sich die Krise „in Spanien, in Portugal, in ganz Europa“ aus. Deshalb müsse „Schluss sein mit dem Sparen“, forderte Hamon. Niemand kaufe wegen des Sparkurses in Europa mehr ein. „Wir wollen, dass Frau Merkel diese Botschaft hört, sonst wird der Vertrag (zum Fiskalpakt, Anm.) nicht ratifiziert.“
Jedoch ist von Hollande betonte Diplomatie zu erwarten, wenn er erstmals seine Anliegen auf offizieller, europäischer Ebene vorbringt. Zuletzt äußerte er sich jedoch auch in puncto Fiskalpakt zurückhaltender als Vertreter seiner Partei.

dapd/dapd/Clemens Bilan
Merkel war im Vorfeld des Treffens um gute Stimmung bemüht
Merkel erwartet „gute Zusammenarbeit“
Der Tenor aus Deutschland ist unterdessen ein wenig geschmeidiger und stimmt sich auf das zu erwartende Gesprächsklima am Dienstagabend ein: Merkel betonte im Vorhinein, sie erwarte eine „gute Zusammenarbeit“ mit Hollande. „Wir wissen seit Bestehen der Bundesrepublik, dass eine gute deutsch-französische Beziehung einfach ganz wichtig ist - für beide Länder“, sagte die Kanzlerin in ihrer am Wochenende veröffentlichten wöchentlichen Videobotschaft.
Zuletzt lehnte Merkel wiederholt jede Änderung am ausgehandelten europäischen Fiskalpakt ab. Die deutsche Regierung ist aber zu einem zusätzlichen „Wachstumspakt“ bereit, um die Wirtschaft in Europa anzukurbeln. Auch Merkel gab jüngst allerdings ihr Einverständnis dafür, während Hollandes Berater in Wirtschaftsfragen, Michel Sapin, der deutschen Bundeskanzlerin insofern recht gab, als man zur Konjunkturankurbelung nicht das öffentliche Defizit anheben dürfe. Sapin wird bereits als neuer Finanzminister gehandelt.
Französische Zuversicht
Indes zeigte sich Pierre Moscovici, einer der engsten Mitarbeiter Hollandes, zuversichtlich, mit Deutschland einen „Kompromiss“ über die Mittel zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise in Europa zu finden. „Es ist bekannt, dass die deutsch-französische Freundschaft die politischen Änderungen überwindet. Es ist nicht immer leicht, man muss neue Kompromisse finden und errichten, aber ich hoffe, dass dies wie immer der Fall sein wird“, sagte der ehemalige Europaminister am Samstag im Sender BFM TV.

dapd/AP/Christophe Ena
Hollande-Intimus Moscovici bringt sich für ein hohes Amt in Stellung
„Ich glaube, das Wichtigste ist, dass sie sich treffen, dass sie ihre Ideen austauschen, und dass man weiterkommt“, betonte der sozialistische Abgeordnete, der für einen wichtigen Ministerposten in Hollandes künftiger Regierung gehandelt wird.
Grundsätzlich sind sich Hollande und Merkel in Sachen Wachstumsförderung einig, nur bei den Wegen dorthin gibt es große Differenzen. Merkel besteht auf Strukturreformen, „Wachstum auf Pump“ lehnt sie ab - Hollande will neue Konjunkturprogramme. Zudem plädiert er für gemeinsame Staatsanleihen, die für Verkehrs- und Energieinvestitionen genutzt werden.
Auch EZB-Zinssätze umstritten
Auch hinsichtlich der Zinssätze der Europäischen Zentralbank (EZB) gibt es Uneinigkeit. Hollande ist nämlich dafür, dass die EZB mittels niedrigerer Zinssätze das Wachstum ankurbelt. Außerdem solle die Frankfurter Institution den Ländern direkt Geld leihen können statt nur den Banken. Dadurch könnten Zinssprünge für Staaten wie Spanien verhindert werden, die hohe Sätze zahlen müssen. Merkel hält dagegen die Unabhängigkeit der EZB hoch. Zuletzt hatte sie aber marktstützende Aktionen stillschweigend hingenommen. Ähnlich könnte es letztlich auch in Sachen Fiskalpakt sein.
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