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Breivik hörte per Videoschaltung zu

Im Prozess gegen den norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik haben am Montag erstmals Überlebende ausgesagt, die sich schwer verletzt von der Insel Utöya retten konnten. In der sonst sehr gedrückten Atmosphäre sorgte dabei die 20-jährige Frida Holm Skoglund für einen kurzen Moment befreiten Lachens.

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Auf die Frage, was sie Breivik mitteilen wolle, sagte sie im Prozess deutlich: „Junge Norweger können schwimmen. Wir haben gewonnen, er hat verloren.“ Skoglund wurde von einer Kugel in den Oberschenkel getroffen, die sie sich selbst entfernte. Auf der Flucht vor dem Attentäter war sie ins Wasser gesprungen und in Sicherheit geschwommen. Mit ihrer Aussage bezog sich die 20-Jährige auf eine frühere Aussage Breiviks, dass er vorgehabt habe, 100 Teilnehmer des sozialdemokratischen Sommerlagers auf der Insel in den Fjord zu treiben und bei ihren Fluchtversuchen ertrinken zu lassen.

Flucht im eiskalten Wasser

Der als Polizist verkleidete Breivik habe weiterhin auf die Flüchtenden geschossen und gerufen: „Stopp! Kommt zurück!“ Sie selbst war sich zunächst ihrer Verletzung gar nicht bewusst: „Ich dachte, es sei ein Scherz; dass es keine echte Munition war“, erzählte Skoglund beim Prozess. Sie wurde von einer Freundin auf ihre Verletzung aufmerksam gemacht.

Auch die 21-jährige Silja Uteng erzählte, dass sie nach einem Schuss in den Arm noch über eine Stunde im eiskalten Fjord ans Festland geschwommen sei. Der gleichaltrige Lars Gönnestad versteckte sich, verletzt durch einen Schuss, der durch Schulterblatt und Rippen bis in die Lunge ging, über eine Stunde in einem Waldstück und blieb dort hilflos liegen.

Verzweifelter Angehöriger als Schuhwerfer

Breivik hörte den Aussagen der Überlebenden unbewegt zu. Er verfolgte den Prozess per Videoschaltung aus einem eigenen Raum. Skoglund hatte als erste der Zeugen verlangt und durchgesetzt, dass Breivik während ihrer Aussage den Gerichtssaal verlassen und aus einem Nebenraum zuhören muss.

Bei den Angehörigen, die dem Prozess beiwohnen, gehen allerdings die Wogen hoch. Erst vergangene Woche sorgte ein verzweifelter Angehöriger eines der 77 Todesopfer für Aufregung, als er bei der Verlesung der Obduktionsberichte einen Schuh auf den rechtsradikalen Attentäter warf und rief: „Mörder! Du hast meinen Bruder getötet. Fahr zur Hölle!“

Der Schuh verpasste sein Ziel und traf stattdessen Breiviks Anwältin Vibeke Hein Baera. Einige Zuschauer applaudierten dennoch. Auch hier reagierte Breivik ohne jegliche emotionale Regung: „Wer immer etwas nach mir werfen will, sollte das tun, wenn ich das Gericht betrete oder verlasse.“

Verbrechen „notwendig“

Dass im vergangenen Juli 69 meist jugendliche Teilnehmer auf der Insel Utöya getötet wurden und zuvor noch acht Menschen bei einer von Breivik gelegten Bombe in Oslo gestorben waren, bezeichnete der Attentäter selbst als „notwendig“ im Kampf gegen islamische Zuwanderer und die Befürworter einer multikulturellen Gesellschaft. Ende Juli soll das Urteil verkündet werden.

Ein Schuldspruch gilt als sicher. In dem zehnwöchigen Prozess soll nun aber die komplexe Frage geklärt werden, ob Breivik zurechnungsfähig ist oder nicht. Davon hängt ab, ob er in ein Gefängnis oder eine psychiatrische Anstalt eingeliefert wird.

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