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Sparkurs vs. Wachstumspfad

Im Wahlkampf vor der französischen Präsidentschaftswahl hat sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) klar für den nun abgewählten Nicolas Sarkozy ausgesprochen. Ins Elysee zieht allerdings Sarkozys sozialistischer Herausforderer Francois Hollande ein - und Deutschland muss sich neu orientieren.

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Einige Medien sprechen bereits von dem neuen Duo „Merkollande“, das nun das bisherige, nicht immer einige Krisenmanagement-Team „Merkozy“ - Merkel und Sarkozy - ablösen sollte. Einfach wird das nicht. Die deutsche Kanzlerin trug Hollandes Wahlsieg mit Fassung, beglückwünschte ihn zu seinem Sieg und betonte am Montag erneut, dass sie schnell zu einem guten Arbeitsverhältnis kommen wolle: „Die deutsch-französische Zusammenarbeit ist essenziell für Europa. Da wir alle den Erfolg Europas wollen, wird diese Zusammenarbeit schnell beginnen.“

Sie werde Hollande in Deutschland auf jeden Fall „mit offenen Armen empfangen“. Sie sprach bereits eine Einladung nach Berlin aus. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt am 15. Mai oder noch am selben Tag soll es ein Treffen geben. Auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) gratulierte dem neuen Präsidenten und betonte: „Europa ist unsere gemeinsame Bestimmung.“

Abstimmung schwieriger

CSU-Chef Horst Seehofer hingegen erwartet schwierige Verhandlungen in der EU aufgrund der Wahlergebnisse in Frankreich und Griechenland: „Ich denke, die deutsch-französische Achse wird weiter funktioniere, das ist die Staatsräson.“ Die Abstimmung der Inhalte und die Kompromissfindung würden aber schwieriger werden.

Die Voraussetzungen für eine gemeinsame Gesprächsbasis zwischen Merkel und Hollande sind tatsächlich nicht einfach - zu groß sind die Widersprüche in einigen Fragen. Hollande will den von Berlin eingeschlagenen Kurs in der Euro-Krise nicht eins zu eins übernehmen. Während Merkel als Sparmeisterin Europas und bei vielen Griechen als Symbol eines rigiden Spardiktats gilt, setzt Hollande mehr auf staatliche Ausgaben, der strenge Sparkurs ist für ihn kein Schicksal, die Vereinbarungen über Haushaltsdisziplin seien zu streng.

Den vorrangig von Sarkozy und Merkel ausgehandelten Fiskalpakt will er aufschnüren und eine Wachstumskomponente hinzufügen. Auch die im Pakt vorgesehene Schuldenbremse lehnt er ab. Für Merkel sind Neuverhandlungen an dem teilweise bereits ratifizierten Pakt allerdings ausgeschlossen.

Gegenpol zu Deutschland

Dass Hollande den eingeschlagenen Sparkurs völlig verlässt, gilt als unwahrscheinlich. Er bekannte sich schließlich ebenfalls zum Defizitabbau. Allerdings könnte er einen Gegenpol zum harten deutschen Sparkurs darstellen und gemeinsam mit anderen Ländern neue Schwerpunkte setzen, so Beobachter. So erwartet etwa der deutsche SPD-Chef Sigmar Gabriel eine politische Kursänderung in Europa.

Der europäische Fiskalpakt müsse ergänzt werden, auch in Griechenland müsse man den Sparprozess sozial abfedern. Eine ähnliche Sichtweise vertritt Kanzler Werner Faymann (SPÖ). Es gebe zwar keinen Politiker, der das Sparen beenden kann, sagte er im Ö1-Morgenjournal: „Aber es muss auch gleichzeitig investiert werden in Beschäftigung“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Auch Italiens Regierungschef Mario Monti will mit Hollande eng für mehr Wachstum zusammenarbeiten - „mit dem Ziel einer immer effizienteren und auf Wirtschaftswachstum ausgerichteten Union“. Auch die Skandinavier, darunter die dänische Regierung und der schwedische Außenminister Carl Bildt, sehen im Hollande-Sieg eine Chance für eine an Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen orientierte Politik.

Zurückhaltung bei Konservativen

Weniger euphorisch geben sich die konservativen Regierungen. Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) sieht in dem Wahlergebnis „eine Entscheidung, die wir zu akzeptieren haben“. Ein Aufschnüren des Fiskalpakts kommt für ihn aber ebenfalls nicht infrage. Sachlich gibt sich auch Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy: „Ich stehe in der Pflicht, mich mit ihm zu verständigen und zu versuchen, eine Politik zum Vorteil Frankreichs, Spaniens und Europas zu betreiben.“ Einen Gegensatz zwischen der Sparpolitik und der geforderten Förderung des Wirtschaftswachstums sieht Rajoy nicht: „Beide Konzepte sind vollständig miteinander vereinbar.“

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso will Hollande „sehr bald“ treffen und den Kontakt vertiefen. Barrosos Sprecherin betonte, die Kommission habe bereits seit einem Jahr immer wieder Vorschläge für mehr Wachstum vorgelegt. Dieses dürfe aber nicht mit neuen Schulden erkauft werden.

„Realität akzeptieren und anerkennen“

Entscheidend für das Krisenmanagement in Europa wird nun aber sein, ob sich Merkel und Hollande auf ein gemeinsames Konzept verständigen können. Letztlich wird ein Entgegenkommen auf beiden Seiten notwendig sein: „Merkel muss die neue politische Realität akzeptieren, Hollande muss die unveränderte wirtschaftliche Realität erkennen“, analysierte die konservative britische Zeitung „The Times“.

Einen Weg in diese Richtung wies bereits die Aussage des deutschen Regierungssprechers Steffen Seibert: „Beide (Merkel und Hollande, Anm.) sind sich darüber einig, wie wichtig enge deutsch-französische Beziehungen sind, und haben einander versichert, dass sie eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit anstreben.“

Wahlkampfrhetorik wird bleiben

Für die Finanzierung des von ihm vorgeschlagenen Wachstumspakts schlägt Hollande Euro-Bonds für Infrastrukturprojekte, eine größere Rolle der Europäischen Investitionsbank und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer vor. Mit Ausnahme der Euro-Bonds ist dazu eine Einigung mit Deutschland nicht ausgeschlossen.

In Deutschland wird bereits darauf verwiesen, dass bereits an einer EU-Wachstumsstrategie gearbeitet werde und eine deutsch-französische Einigung bei Punkten wie einer größeren Rolle der Europäischen Investitionsbank und bei einer Reform der EU-Strukturfonds erreichbar sei. Ein Aufschnüren des Fiskalpakts komme aber nicht infrage. Spannend bleibt daher, wie sehr einander Merkel und Hollande näherkommen. Denn Hollande wird angesichts der im Juni anstehenden Parlamentswahl in den nächsten Wochen nicht auf Wahlkampfrhetorik verzichten.

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