Zurück auf die Anklagebank
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat die Urteile gegen die neun Angeklagten im BAWAG-Prozess im Dezember 2010 aufgehoben. Damit waren die 117 Verhandlungstage, die Helmut Elsner, Wolfgang Flöttl und Co. im Sommer 2007 im Gerichtssaal auszuharren hatten, bis auf wenige Ausnahmen hinfällig. Beim zweiten Prozess, der am Mittwoch am Straflandesgericht Wien begonnen hat, führt nun Richter Christian Böhm den Vorsitz.
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Angeklagt ist der in New York lebende Investmentbanker Flöttl, Sohn des verstorbenen BAWAG-Generaldirektors Walter Flöttl. Wolfgang Flöttl soll BAWAG-Gelder in Milliardenhöhe verspekuliert haben. Weiters auf der Anklagebank sitzen die früheren Vorstände Peter Nakowitz, ehemals „rechte Hand“ von Ex-Chef Elsner, und die Bankvorstände Christian Büttner, Hubert Kreuch und Josef Schwarzecker. Auch Ex-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger und Ex-Wirtschaftsprüfer Robert Reiter sind noch immer beschuldigt.
Flöttl erwartet fairen Prozess
Der Saal 203 im Straflandesgericht füllte sich am Mittwoch bis auf den letzten Platz. Neben zahlreichen Journalisten sitzen auch „Gerichtskiebitze“ wieder im Publikum. Die Angeklagten gaben sich vor Prozessbeginn eher schweigsam. Flöttl sagte, er erwarte sich „einen fairen Prozess“. Sein Anwalt Herbert Eichenseder hofft, dass die anberaumten 20 Tage Prozessdauer ausreichen werden. Weninger sagte: „Ich erwarte mir einen Freispruch, weil ich unschuldig bin.“ Er hoffe auf einen raschen Prozess. Weningers Teilgeständnis im ersten BAWAG-Prozess habe nur ein Vergehen nach dem Aktiengesetz betroffen, beim Anklagevorwurf Untreue sei sein Mandant unschuldig, ergänzte sein Anwalt Richard Soyer.
Staatsanwältin: Widersprüche in Ersturteil
Staatsanwältin Sonja Herbst, die schon im ersten Verfahren neben Staatsanwalt Georg Krakow tätig war, begann zu Verhandlungsbeginn mit ihrem Plädoyer. Zuvor wurden noch die Personalien und Vermögensverhältnisse der Angeklagten aufgenommen. Der in New York lebende Flöttl sagte, er besitze rund eine Million Euro „in liquiden Anlagen“.
Herbst gestand ein, dass das Ersturteil in der Causa BAWAG an Widersprüchen leide. So habe es, wie der OGH feststellte, eine unzureichende Beweisaufnahme vor allem hinsichtlich der subjektiven Tatseite gegeben. Es gebe formale Mängel, der Sachverhalt an sich sei aber klar. Daher gehe es aus Sicht der Staatsanwältin vor allem auf die Beweislage. Herbst erklärte auch, dass die neuerliche Anklage auf Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien erfolgt sei. Die Untreue war nach Ansicht der Staatsanwaltschaft spätestens am 29. Oktober 1998 vollendet.
Subsidiaranklage gegen Elsner
Der Hauptangeklagte des ersten Prozesses, Elsner, steht diesmal nur wegen einer Subsidiaranklage der BAWAG wieder vor Gericht. Er kann keine zusätzliche Haftstrafe bekommen, da er bereits rechtskräftig zur Höchststrafe verurteilt wurde. Die BAWAG will sich Elsners Pensionsabfindung zurückholen und erhofft sich von der Subsidiaranklage Unterstützung für ihr zivilrechtliches Anliegen.
Elsner wird erst am vierten Prozesstag, dem 2. Mai, erstmals bei der Verhandlung dabei sein. Im ersten Verfahren war er zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, von denen er unter Einberechnung der U-Haft viereinhalb Jahre absaß. Aus gesundheitlichen Gründen wurde der heute 76-Jährige im Juli 2011 für haftunfähig erklärt, eine Prüfung seiner Haftunfähigkeit läuft gegenwärtig noch.

APA/Georg Hochmuth
Während Zwettler (l.) nicht mehr vor Gericht steht, erwarten Flöttl Verhandlungen
Zwettler nicht mehr angeklagt
Johann Zwettler, Elsners Nachfolger an der BAWAG-Spitze, ist als einziger der ursprünglich neun Angeklagten diesmal nicht mehr angeklagt. Er wurde im ersten Verfahren rechtskräftig zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Im Gefängnis saß er nicht, da er aus gesundheitlichen Gründen für haftunfähig erklärt wurde. Für den 4. Mai ist er als Zeuge zum neu aufgerollten Prozess geladen.
Vorwurf der Untreue
Ermittelt wird zum Vorwurf der Untreue beziehungsweise Beihilfe zur Untreue: Die frühere Gewerkschaftsbank hatte Flöttl bzw. dessen Karibik-Firma Gelder überlassen, die dieser nach eigenen Angaben bei riskanten Finanzspekulationen verlor. Flöttl hatte im ersten BAWAG-Prozess beteuert, dass das Geld verschwunden sei. Elsner wirft bis heute dem Sohn seines Vorgängers an der Bankspitze vor, er habe Geld unterschlagen und für sich behalten - ein Vorwurf, den Flöttl entschieden zurückweist.
Das Ausmaß des Schadens, der durch die Untreue begangen wurde, wurde vom OGH reduziert. Elsner war für einen Schaden von 1,2 Mrd. Euro bestraft worden. Ursprünglich war von einem Schaden von 1,72 Mrd. Euro ausgegangen worden. Die BAWAG-Führung hatte versucht, die Verluste zu vertuschen. Als die Karibik-Spekulationen infolge des Zusammenbruchs des US-Brokers Refco überhaupt erst bekanntwurden, führte das letztlich zum Verkauf der Gewerkschaftsbank an den US-Hedgefonds Cerberus.
Elsner: „Könnte wieder zu Nichtigkeit führen“
Im Vorfeld des zweiten BAWAG-Prozesses hatte Elsner den für das Verfahren zuständigen Richter Böhm und die Justiz erneut kritisiert. Konkret warf Elsner dem Richter vor, dass auch im neuen Verfahren keine Fragen oder Beweise zum Verbleib der Gelder zugelassen würden, die die BAWAG dem Mitangeklagten Flöttl überlassen hatte. Das Gericht wolle in Richtung Untreue ermitteln, dafür sei der Verbleib der Gelder irrelevant, heißt es. „Es soll demnach tatsächlich ungeklärt bleiben, wo 1,4 Milliarden Euro verblieben sind“, empörte sich Elsner.
Auch der Ausschluss Elsners von weiten Teilen des Verfahrens wurde von diesem kritisiert. „Diese Abschneidung von Verteidigungsrechten und Einschränkung des Fragerechtes wird ebenfalls zu einer Nichtigkeit des BAWAG-II-Verfahrens führen“, ist der Ex-Bankchef überzeugt. Schließlich führte Elsner erneut eine Befangenheit des Richters ins Treffen, da dieser bereits über seine U-Haft entschieden habe und damit bereits mit dem Fall befasst gewesen sei.
Wieder Megaprozess?
Ob auch das zweite Verfahren wieder zu einem Megaprozess wird, wird wohl an der Verhandlungsführung von Böhm liegen. Im ersten Verfahren hatte Richterin Claudia Bandion-Ortner erst am 117. Prozesstag das Urteil verkündet. Sie hatte von Mitte Juli 2007 bis Anfang Juli 2008 die Causa in vielen Facetten vor Gericht ausgebreitet. Für die Neuauflage sind vorerst nicht mehr als 20 Prozesstage festgesetzt.
Die damalige Zeugenliste war durchaus prominent besetzt, diese reichte von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky über Milliardär Martin Schlaff bis zu den früheren ÖGB-Präsidenten Rudolf Hundstorfer und Fritz Verzetnitsch und dem Ex-BAWAG-Chef und nunmehrigen Nationalbank-Präsidenten Ewald Nowotny.
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