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BP bestreitet jeden Zusammenhang

Die Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko, bei der 2010 Unmengen an Öl ins Meer ausströmten, hat offenbar katastrophale Schäden hinterlassen. Im Interview mit dem Sender al-Jazeera berichten sowohl ortsansässige Fischer als auch Wissenschaftler von gravierenden Missbildungen bei den Tieren in den betroffenen Regionen.

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Die Rede ist von unzähligen Fischen mit Deformationen und veränderten Kiemen sowie Garnelen mit fehlenden Augen. Und die Schäden seien enormen und vor allem bleibenden Ausmaßes. Das ausgetretene Öl und die zur Bekämpfung der Ölpest verwendeten Chemikalien des Betreibers BP hätten das gesamte Ökosystem der betroffenen Region geschädigt. Die Belege dafür sind vielfältig: Neben mutierten Garnelen wird von Fischen mit Geschwüren und deformierten Blaukrabben mit fehlenden Scheren berichtet.

BP-Desaster „Deepwater Horizon“

Bei der Explosion der Ölplattform „Deepwater Horizon“ am 20. April 2010 waren elf Menschen ums Leben gekommen. 87 Tage lang liefen bis zu 4,9 Millionen Barrel Öl ins Meer. Ganze Küstenstreifen wurden verwüstet. Viele Menschen klagten, ihre Gesundheit sei durch Öl und Chemikalien geschädigt worden.

Krabben nur noch ein Fünftel so groß

In der Barataria-Bucht, einem Gebiet mit großem Garnelenvorkommen, würden nach Angaben jedem zweiten Exemplar die Augen fehlen - zudem seinen vielfach Deformationen am Panzer im Bereich des Kopfs und der Kiemen zu erkennen.

Erwachsene Krabben würden nur mehr auf ein Fünftel ihrer ursprünglichen Größe kommen. Alarmierend sind diese Zustände nicht zuletzt auch hinsichtlich ökonomischer Gesichtspunkte - schließlich werden im Golf von Mexiko 40 Prozent aller Meeresfrüchte für den US-Markt gefangen.

Erbgutverändernde Schadstoffe

Nicht nur das in Unmengen ausgetretene Öl sorgt für nachhaltige Probleme, sondern auch jenes Chemikalium, das im Kampf gegen die Ölpest in rauen Mengen eingesetzt wurde - insgesamt handelte es sich um 7,2 Millionen Liter. Dieses Lösemittel ist ein toxischer Schadstoff, der nachhaltig erbgutschädigend und erbgutverändernd wirkt.

Der Lebenszyklus der Garnelen ist derart kurz, dass sich seit dem Beginn der Ölpest bereits drei Generationen fortpflanzten, was den aggressiven Schadstoffen den Eintritt in das Erbgut erleichtert hat. Sogenannte Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) wurden im Zuge der Verbrennung des ausgetretenen Öls freigesetzt, bevor sie sich im Wasser absetzen konnten. Ölschwaden binden diese Schadstoffe, die sich in der Folge auf dem Meeresgrund abgelagert haben.

Verantwortlich für Missbildungen

Diese Kohlenwasserstoffe sammeln sich jedoch nicht nur auf dem Meeresboden, sondern setzen sich auch in der Erde und in der Vegetation fest. In Krabben und anderen, an der Oberfläche aktiven Tieren können diese Ablagerungen festgestellt werden. Im Labor können Wissenschaftler erkennen, dass die Kohlenwasserstoffe entsprechende Genomveränderungen bei Lebewesen herbeiführen.

Laut einer Untersuchung der Universität Südflorida in Tampa bewegt sich die Rate der betroffenen Tiere zwischen zwei und fünf Prozent, über 20 Prozent der Fische sind von Missbildungen betroffen, in manchen Gebieten ist gar von 50 Prozent die Rede.

BP bestreitet Zusammenhang

Die Behörden beteuern unterdessen, dass Meeresfrüchte genau untersucht würden und dass für den Konsumenten keine Gefahr bestehe. Auch der Konzern BP streitet jede Gefahr ab und spricht gegenüber al-Jazeera vom bestgetesteten Gebiet der Welt.

Der Konzern bezieht sich dabei auf Untersuchungen der U. S. Food and Drug Administration (FDA) sowie der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA). Die beiden nationalen Instanzen haben den gleichen Sicherheitslevel wie vor der Ölpest festgelegt. Die Missbildungen stünden mit der Ölpest nicht im Zusammenhang, Fische wären schon vor der Katastrophe davon betroffen gewesen - Auslöser sei in erster Linie Parasitenbefall.

Die Universität von Louisiana hat am Golf von Mexiko vor, während und nach der Ölpest Tests durchgeführt, und der Befund widerspricht der Aussage von BP, aber auch den US-Umweltbehörden klar. Wieder ist von Abnormalitäten und unnatürlichen Mutationen die Rede. Auch seien einige Arten in den betreffenden Regionen bereits ausgestorben.

Gefahr für die Nahrungskette

In dem Bericht der Louisiana-State-Universität rückt auch der Zahnkarpfen in den Mittelpunkt. Der sogenannte Killifisch gilt als Indikatorart, also als Lebewesen, welches auf Einflüsse des Menschen mit Veränderungen in dessen Lebensfunktionen oder dessen Vorkommen reagiert sowie die vom Menschen in die Umwelt eingebrachten Stoffe speichert. Er tritt in diesem Gebiet in sehr großer Anzahl auf. Der Fisch ist für die Nahrungskette bedeutsam, denn für viele Fische, die gemeinhin als Speisefische gelten, gelten Zahnkarpfen als Ernährungsgrundlage.

Aufgrund nachweisbarer Erkrankungen bestehe gerade bei dieser Fischart die Sorge einer unnatürlichen Veränderung. Aufgrund der Bedeutung des Killifisches seien Veränderungen in der Fortpflanzung sofort messbar - was als klarer Beweis für die nachhaltige Verschmutzung durch Öl und Schadstoffe gilt. „Die Population des für die Nahrungskette essentiellen Killifisches gefährden, wäre wohl das Schlimmste, was passieren kann“, so einer der bei der Studie beteiligten Wissenschaftler.

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