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Sperma hätte entsorgt werden müssen

Erst verhalfen sie zwei Kindern zum Leben, jetzt müssen sie tief in die Tasche greifen: Fünf Jahre nach einer künstlichen Befruchtung sind zwei Dortmunder Frauenärzte am Donnerstag verurteilt worden, den Unterhalt für die im November 2007 geborenen Zwillinge zu übernehmen.

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Die Mediziner hatten eingefrorenes Sperma benutzt, das längst hätte vernichtet werden müssen. Außerdem hatten sie bei dem Eingriff auf die Anwesenheit des werdenden Vaters verzichtet. Laut Urteil des Dortmunder Landgerichts müssen sie für diese Fehler nun haften. Der Vater der Kinder zeigte sich nach der Urteilsverkündung erleichtert. Er hatte sich von seiner früheren Lebensgefährtin hintergangen geführt und von „Samenraub“ gesprochen.

„Von meiner Seite war damals nie ein Kinderwunsch vorhanden“, sagte der 40-Jährige auf dem Gerichtsgang. Die Beziehung zu seiner früheren Partnerin sei zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung praktisch schon beendet gewesen. Warum sie den Eingriff trotzdem habe durchführen lassen, könne er sich nicht erklären.

Lagerungsvertrag nur für zwölf Monate

Der 40-jährige Verpackungsdesigner aus Hattingen hatte das Sperma 2004 einfrieren lassen. Der Lagerungsvertrag war auf zwölf Monate abgeschlossen. Richterin Gisela Kothe-Pawel sagte in der Urteilsbegründung: „Nach einem Jahr wäre das Sperma zu vernichten gewesen.“ Und: „Wir sind überzeugt, dass der Kläger nicht damit einverstanden war, dass das Sperma für eine künstliche Befruchtung benutzt wird.“ Die Dortmunder Ärzte hatten im Prozess erklärt, dass sie nie mit Problemen gerechnet hätten, weil normalerweise nur Menschen zu ihnen kämen, die schon lange einen großen Kinderwunsch hätten.

Die Unterhaltsverpflichtung beläuft sich laut Urteil auf das gesetzliche Mindestmaß. Die Zahlungsverpflichtung endet mit dem 18. Lebensjahr der Kinder. Weiterreichende Forderungen haben die Richter zurückgewiesen. Der Vater hat die Zwillinge - ein Bub und ein Mädchen - bisher nur einmal kurz gesehen. Ob sich das in Zukunft noch einmal ändern werde, wisse er nicht. „Ich habe Angst davor, dass sie irgendwann fragen, wer ihr Papa ist“, sagte er nach der Entscheidung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Ärzte können Revision zum Bundesgerichtshof einlegen.

Recht auf Anonymität für Spender

Anders liegt der Fall, wenn Männer bei Samenbanken ihren Samen verkaufen. Dann haben Kinder grundsätzlich nicht das Recht, die Identität der Väter zu erfahren. Eine US-Samenbank änderte vor Jahren ihre diesbezügliche Vorgehensweise und sorgte für internationales Aufsehen. Sie startete als erste Samenbank ein Programm, das den Kindern mit 18 Jahren Zugang zu den Daten ihrer Väter verschafft. Allerdings wussten das die Männer schon bei der Abgabe des Samens.

Am Anfang sei die Industrie entrüstet gewesen, weil das Samenspendegeschäft traditionell geheim und streng vertraulich ablauft, heißt es vonseiten der kalifornischen Samenbank. Doch je offener und toleranter die Gesellschaft wird, und je mehr Singles sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden, desto mehr Samenbanken bieten den Service an. Von den Müttern wünschen sich sowieso die meisten, dass ihre Kinder eines Tages die Wahl haben, ob sie ihren Vater kennen lernen wollen.

Kritiker des Angebots argumentierten, dass es potenzielle Spender abschrecken und so den Zulauf verringern könnte. Samenbanken halten dem entgegen, dass der Service freiwillig ist: Wer anonym bleiben möchte, kann einen Vertrag unterschreiben, der strengste Vertraulichkeit garantiert. Da die Spender ihren Kindern gegenüber und umgekehrt keinerlei Rechte haben, kann die Kontaktaufnahme keine juristischen Auseinandersetzungen nach sich ziehen.

Medizinischer Alltag mit neuen Erkenntnissen

Künstliche Befruchtungen sind im medizinischen Alltag jedenfalls längst gang und gäbe - und in die Forschung wird entsprechend viel investiert. Bei der künstlichen Befruchtung können die Chancen auf eine Schwangerschaft vor allem dann steigen, wenn die Embryonen etwas später als üblich in die Gebärmutter eingesetzt werden, zeigte eine aktuelle Studie der Universitätsklinik für Reproduktionsmedizin in Magdeburg.

Entscheidend für die erfolgreiche Schwangerschaft ist die Einnistung des Embryos in die Gebärmutterhöhle. Das geschieht normalerweise am fünften Tag nach der Befruchtung, wenn der Embryo aus rund 200 Zellen besteht. Bei der bisher üblichen In-vitro-Fertilisation wird der Embryo demnach bereits nach drei Tagen in die Gebärmutter eingebracht. Zu diesem Zeitpunkt bestehe er nur aus etwa acht Zellen. Das verschlechtere die Chancen auf eine Einnistung, heißt es in der Studie.

Der zweite Versuch

Um die Embryonen länger im Labor aufzubewahren, sei eine größere Anstrengung der Reproduktionsmedizinischen Zentren nötig, teilte die Universitätsklinik mit. Die Studie zeige aber, dass vor allem Frauen unter 35 Jahren profitierten, sie hätten eine höhere Einnistungsquote der Embryonen und weniger Fehlgeburten.

In Magdeburg werde der sogenannte Blastozystentransfer immer dann eingesetzt, wenn nach einer herkömmlichen künstlichen Befruchtung keine Schwangerschaft eingetreten ist.

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