„Symbol der Spaltung“
Der ungarische Staatspräsident Pal Schmitt ist nach einem Plagiatsskandal zurückgetreten. „Das Staatsoberhaupt verkörpert die Einheit der Nation. In der gegenwärtigen Situation fühle ich mich deshalb verpflichtet, das Mandat des Präsidenten zurückzugeben“, erklärte der rechtskonservative Politiker am Montag im Budapester Parlament.
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Er fühle die „Pflicht“, sein Amt niederzulegen, erklärte Schmitt am Montag in Budapest vor dem Parlament. „Gemäß der Verfassung muss der Präsident die Einheit der ungarischen Nation verkörpern. Leider bin ich ein Symbol der Spaltung geworden“, erläuterte der Staatschef.
Rücktritt am Freitag noch abgelehnt
In der Vorwoche hatte die Budapester Semmelweis-Universität Schmitt den Doktortitel aberkannt. Zuvor hatte eine Expertenkommission festgestellt, dass Schmitt fast seine gesamte Dissertation aus dem Jahr 1992 von anderen Autoren abgeschrieben hatte. Schmitt hatte in einem Fernsehinterview am Freitagabend gesagt, er habe seine Doktorarbeit „nach bestem Wissen und Gewissen“ verfertigt. Einen Rücktritt lehnte er da noch ab. Zwischen seiner Doktorarbeit und seiner 18 Jahre später erfolgten Wahl zum Staatspräsidenten bestehe „kein Zusammenhang“.
Orban offiziell hinter Schmitt
Der rechtskonservative Ministerpräsident Viktor Orban hatte zunächst noch versucht, den umstrittenen Präsidenten im Amt zu halten. „Der Staatspräsident ist unantastbar“, hatte Orban Ende vergangener Woche erklärt. Und sogar noch am Montag stellte sich Orban - zumindest offiziell - hinter Schmitt: „Wenn er sich entschieden hat, für seine Wahrheit zu kämpfen, dann kann ihm niemand das Recht dazu nehmen“, erklärte Orban auf einer Sondersitzung der Parlamentsfraktion der rechtskonservativen Regierungspartei FIDESZ (Bund Junger Demokraten) am Montag in Budapest.
Schaden für Orban
Im FIDESZ war zuletzt erheblicher Widerstand gegen den Verbleib Schmitts im Amt aufgekommen. Und vor allem Orban selbst wurde politisch in Mitleidenschaft gezogen: Der Skandal habe die Glaubwürdigkeit Schmitts dessen persönliche Position, dessen Amt, aber auch die Popularität der regierenden Rechtskonservativen, die ihn nominiert hatten, erschüttert, meinte der Politologe Zoltan Lakner im Onlineportal Hvg.hu.
Laut Lakner ist die Affäre auch für Premier Orban „sehr peinlich“, denn es sei Orban gewesen, der Schmitt ins Amt gehoben habe. Orban sei aber vor einem Dilemma gestanden: Wenn Orban weiter an Schmitt festhalte, zerstöre das „seine eigene Glaubwürdigkeit“. Wenn Orban Schmitt zum Rücktritt dränge, würde der Premier wiederum „seine frühere, schlechte Entscheidung eingestehen“. Auch für Peter Kreko, den Direktor des Instituts Political Capital, ist der Skandal in erster Linie für den Premier „negativ“, weil Schmitt sein Kandidat gewesen sei.
Der loyale Präsident
Der frühere Sportfunktionär Schmitt entsprach genau jenem Rollenbild, das Orban für „seinen“ Präsidenten vorschwebte: Er war bedingungslos loyal und setzte sämtliche Gesetze und politische Entscheidungen ohne Widerspruch unterstützend um - ohne kritisches Nachfragen. Das erwies sich angesichts jener Flut von Gesetzen, die die Regierung mit ihrer Zweidrittelmehrheit innerhalb kürzester Zeit im Parlament durchbrachte, als äußerst hilfreich. Schmitt legte selbst international heftig kritisierten Vorhaben wie dem Mediengesetz, rückwirkenden Steuern, der Enteignung der Privatpensionskassen und der Justizreform keine Steine in den Weg.
Rücktrittsforderungen von allen Seiten
In den vergangenen Tagen war jedoch die Rücktrittsforderung quer durch die politischen Lager gegangen. Am Freitag versammelten sich unter anderen liberale Demonstranten vor dem Sandor-Palast, dem Sitz des ungarischen Staatsoberhauptes. Sympathisanten der rechtsradikalen Jobbik-Partei und Vertreter der rechtsextremen Organisation „64 Burgbezirke“ protestierten ebenso. Auf Donaubrücken in Budapest kam es zu einem Sitzstreik von Grünen (LMP) und Jobbik. Die Demokratische Koalition (DK) von Ex-Premier Ferenc Gyurcsany meinte, es wäre die Pflicht des „betrügerischen Diebes“ gewesen, seinen Rücktritt zu erklären.
Orban will Präsident „rechts von ihm“
Das Parlament billigte am Montagnachmittag die Rücktrittserklärung Schmitts mit überwältigender Mehrheit. 338 Abgeordnete stimmten der Demission zu, fünf sprachen sich dagegen aus, sechs enthielten sich der Stimme.
Die Amtsgeschäfte gehen zunächst kommissarisch auf den Parlamentspräsidenten Laszlo Köver über. Den neuen Staatspräsidenten wird Orban als Vorsitzender des FIDESZ bestimmen. Über einen möglichen Nachfolger kursieren bisher nur Gerüchte. In einer FIDESZ-Fraktionssitzung am Montagvormittag soll Orban gesagt haben, dass er jemanden suchen werde, der „politisch rechts von ihm“ stehe, berichtete das Internetportal Index.hu.
Rektor zurückgetreten
Am Sonntag reichte der Rektor der Semmelweis-Universität, Tivadar Tulassay, seinen Rücktritt ein. Seit der Senatsentscheidung, Schmitt den Doktortitel zu entziehen, sei das Vertrauen des zuständigen Ministeriums für Human Resources in seine Person „spürbar geschwunden“, begründete er den Schritt.
Der Senat der Universität sah es als erwiesen an, dass Schmitt mindestens 197 Seiten seiner 215 Seiten umfassenden Dissertation aus dem Jahr 1992 von anderen Autoren abgeschrieben hat. Unter den Plagiatsopfern befindet sich auch der Hamburger Soziologe Klaus Heinemann, von dem Schmitt 17 Seiten „übernahm“, ohne das als Zitat ausgewiesen und die Quelle kenntlich gemacht zu haben.
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