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Mitfahren als „Massenverkehrsmittel“

Um trotz steigender Spritkosten mobil zu bleiben, verzichten immer mehr Menschen auf das eigene Auto und fahren stattdessen bei anderen mit. Onlinemitfahrbörsen sind gefragter denn je, und auch im Sozialen Netzwerk Facebook finden sich Fahrgemeinschaften in eigenen Gruppen.

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Alleine die Onlinemitfahrbörse Mitfahrgelegenheit.at verzeichnete im Februar fast 75 Prozent mehr Besucher als im Februar des Vorjahres, so Simon Baumann, Sprecher der Plattform, im Gespräch mit ORF.at. Den Anstieg führt Baumann einerseits auf die steigenden Spritpreise zurück, andererseits werde auch das Thema insgesamt immer bekannter.

„Ökologisch und ökonomisch sinnvoll“

Immer mehr Menschen würden sehen, dass das gemeinsame Fahren eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Form der Fortbewegung sei, die sich für Fahrer und Mitfahrer lohne, so Baumann. Mitfahren sei zu einem „Massenverkehrsmittel“ geworden. Während das Angebot anfangs eher Studierende nutzten, seien die Nutzer heute in der Mehrzahl Berufstätige zwischen 20 und 35.

Im gesamten Carpooling-Netzwerk, das neben Österreich Plattformen in acht weiteren europäischen Ländern betreibt, werden nach eigenen Angaben pro Monat rund eine Million Mitfahrer vermittelt. Im Moment funktioniert das Angebot laut Baumann vor allem zwischen Städten. Er ist aber zuversichtlich, dass es in der Zukunft auch auf dem Land immer besser funktionieren wird.

Mitfahrbörse für Snowboarder

Auch auf Facebook gibt es immer mehr Gruppen zu unterschiedlichen Fahrzielen, etwa die Gruppen „Mitfahrbörse Innsbruck-Bozen“ und „Mitfahrbörse Steyr-Wien-Steyr“. Dass es nicht nur zwischen größeren Städten eine Nachfrage gibt, zeigen Gruppen wie „Mitfahrbörse Waldviertel“. Die Gruppe „Mitfahrbörse Österreich“ hat fast 3.800 Mitglieder und eine hohe Postingfrequenz.

Immer mehr Mitfahrbörsen im Netz richten sich an ganz bestimmte Zielgruppen. So gibt es in Deutschland seit 2006 das Internetportal Frauenfahrgemeinschaft.de, das Fahrgemeinschaften ausschließlich für Frauen vermittelt. Und mit RideWithMe riefen fünf Tiroler Studenten eine Mitfahrbörse von und für Wintersportler ins Leben. Das Portal richtet sich an Snowboarder, Skifahrer und „alle anderen, die einfach mal ins Freie wollen“.

Kfz-Haftpflicht reicht

Die konventionelle Kfz-Haftpflichtversicherung des Lenkers ist auch für spontane Fahrgemeinschaften ausreichend, hieß es vonseiten des Autofahrerclubs ÖAMTC gegenüber ORF.at. Diese hafte für alle Mitfahrer. Fahrer ,die auf Nummer Sicher gehen wollen, können sich aber vor Fahrtantritt auch eine formlose Erklärung vom Mitfahrer unterschreiben lassen, dass dieser auf über die Versicherungssumme hinausgehende Schadenersatzforderungen verzichtet.

Autohersteller kooperieren mit Mitfahrzentrale

Am Freitag gaben der Autohersteller BMW und der Autovermieter Sixt bekannt, über ihre Carsharingtochter DriveNow ins Geschäft mit Mitfahrgelegenheiten einsteigen zu wollen. Das gemeinsam betriebene Unternehmen DriveNow werde demnach künftig mit der deutschen Mitfahrzentrale Flinc kooperieren. Ab April können Nutzer der DriveNow-Fahrzeuge Flinc-Mitgliedern online Mitfahrgelegenheiten anbieten. Umgekehrt werden Mitfahrgesuche automatisch in die Autos übertragen. Wer das Angebot nutzen will, muss bei beiden Unternehmen registriert sein.

Hohe Spritpreise treiben Autokosten in die Höhe

Hauptgrund für den Trend zum Mitfahren ist für viele der hohe Spritpreis. Dieser erreicht derzeit neue Rekordwerte. Die Gesamtkosten für die Nutzung eines privaten Pkw sind laut ÖAMTC so hoch wie nie zuvor. Im Februar stieg der Pkw-Index um 3,8 Prozent, das allgemeine Preisniveau erhöhte sich im Vormonat „nur“ um 2,6 Prozent. Größter Preistreiber waren die hohen Spritkosten: Ein Liter Diesel kostet im März im Schnitt 1,429 Euro, um 5,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Superbenzin verteuerte sich um 6,5 Prozent auf 1,461 Euro.

Immer mehr verzichten aufs Auto

Die gestiegenen Spritpreise bremsten das Verkehrswachstum in Österreich laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) deutlich. Eine VCÖ-Analyse von 43 Zählstellen auf Autobahnen und Schnellstraßen zeigte, dass 2011 bei zwölf Zählstellen weniger Kfz unterwegs waren als im Jahr davor. Vor allem in den großen Städten leben laut VCÖ zunehmend mehr Menschen ohne eigenes Auto. In Wien sei die Zahl der autofreien Haushalte in den vergangenen fünf Jahren um rund 17.000 gestiegen.

Das gemeinsame Nutzen von Autos, sei es privat im Bekanntenkreis oder organisiert als Carsharing, werde in Zukunft in den Städten an Bedeutung gewinnen, so der VCÖ in einer Aussendung. In Österreich kommen mehr Haushalte ohne eigenes Auto aus, als allgemein angenommen wird, wie eine aktuelle VCÖ-Untersuchung zeigt. 820.000 Haushalte in Österreich haben kein Auto. Am höchsten ist der Anteil der autofreien Haushalte in Wien, wo 41 Prozent ohne Auto leben, am niedrigsten in Niederösterreich mit 14 Prozent.

Romana Beer, ORF.at

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