Besessen von der „Titanic“
Der US-Amerikaner Robert Ballard gilt unter Ozeanforschern als Legende. Zu seinen Entdeckungen zählen die submarinen Vulkane („Schwarze Raucher“), das gesunkene Kriegsschiff „Bismarck“ - und vor allem die „Titanic“. Zwölf Jahre lang verbiss er sich in die Aufgabe und schaffte schließlich, was ihm niemand zugetraut hatte.
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Geboren wurde Ballard am 30. Juni 1942, fernab jeglicher Weltmeere, in Kansas. Die Familie zog aber bald nach San Diego an die Westküste. Ballards Passion für die Tiefsee wurde vom Vater geweckt. Der Chefingenieur bei einem Flugzeughersteller verschaffte seinem 19-jährigen Sohn einen Job bei einem Unternehmen, das Tiefsee-U-Boote herstellte. Ballard studierte schließlich Ozeanographie und machte 1974 seinen Doktor an der Rhode-Island-Universität.
Keiner wollte in das Abenteuer investieren
Schon 1973 hatte er sich in den Kopf gesetzt, die „Titanic“ zu finden. Mehr und mehr konzentrierte er sich auf die Entwicklung von tiefseetauglichen Sonar- und Kamerasystemen, mussten diese schließlich dem enormen Wasserdruck in rund 4.000 Meter Tiefe standhalten. Auch die geologisch bedeutsame Entdeckung der „Schwarzen Raucher“ im Jahr 1977 war für Ballard in dieser Hinsicht nur eine weitere Etappe zum Ziel.

ORF/National Geographic
Der Anker der „Titanic“ heute
Zwar verfügte Ballard zu diesem Zeitpunkt mit der „Alvin“ schon über ein Mini-U-Boot, das er mit einer Titanhülle für jene Meerestiefen tauglich gemacht hatte, in der die „Titanic“ vermutet wurde. Dennoch kamen seine Forschungen nicht vom Fleck. Gescheiterte Experimente mit dem kostspieligen Verlust von Equipment-Prototypen machten Sponsoren keine große Lust auf Investitionen in Ballards „Titanic“-Abenteuer.
Eigennutz der Navy führte zum Durchbruch
Die Wende kam, als die US-Navy Ballard 1985 unter die Arme griff - durchaus im eigenen Interesse: Erstens hatte die Navy in Ballard einen Gratistester des neuen Sonarsystems SAR und des Videoroboters „Argo“; zweitens musste sich Ballard mit Untersuchungen von zwei gesunkenen Atom-U-Booten revanchieren. Am 1. Juli 1985 brach schließlich ein von Ballard und dem Franzosen Jean Jarry geleitetes Team der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) aus Massachusetts sowie dem französischen Institut Francais de Recherche pour l’Exploitation des Mers (IFREMER) zur Expedition auf.
Zwölf Tage lang wurden 520 Quadratmeter Meeresboden mit SAR gescannt, mit den vermuteten Koordinaten des Wracks im Mittelpunkt einer dreieckigen Suchfläche. Berechnet wurden die Koordinaten aufgrund der Angaben des Schiffs „Carpathia“ aus dem Jahr 1912 und Berechnungen über die Drift des sinkenden Schiffs. Die Mission blieb jedoch trotz mehrmaliger technischer Adaptionen erfolglos. Neben technischen Pannen mussten die Forscher auch mit außergewöhnlich schlechtem Wetter kämpfen.
Ballard verschlief eigentlichen Fund
Bei einem neuerlichen Versuch klappte es dann doch noch: Am 1. September um 1.05 Uhr gelang 230 Meilen vor der Küste Nova Scotias der erste Augenkontakt mit der „Titanic“. Michel erkannte auf einem Foto einen Dampfkessel und weckte den schlafenden Ballard. Die Entdecker jubelten und klatschen - bis ihnen auffiel, dass die „Titanic“ vor 73 Jahren exakt zur selben Stunde gesunken war. Um 2.20 Uhr hielten sie eine Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer ab.
TV-Hinweis
Im Zuge eines „Titanic“-Thementages strahlt 3sat am 15. April um 22.35 Uhr die Dokumentation „Mythos Titanic“ aus, die Robert Ballard bei einer Rückkehr zum Wrack begleitet.
Die Forscher sammelten noch weitere vier Tage Bildmaterial und werteten es gleich an Bord aus: Auf den insgesamt 20.000 Fotos erkennt man das Wrack und ringsherum ein riesiges Trümmerfeld mit Überbleibseln, wie Koffern, Kohle, Kupferpfannen, Silberplatten, Sprungfedern, Nachttöpfen und Weinflaschen. Die Rückkehr der Forscher am 9. September geriet zur medialen Sensation.
Auf legendäre Wracks abonniert
Wenig später entbrannte zwischen den beiden involvierten Forschungsinstituten ein heftiger Streit um die Veröffentlichung des Materials und die Finanzierung. Die Folge: Das französische Team war im Jahr darauf bei der Rückkehr Ballards zur „Titanic“ (auf der „Atlantis II“) nicht mehr mit von der Partie. Ballard wiederum wandte sich neuen Zielen zu: Ende der 1980er Jahre entdeckte Ballard das 1941 gesunkene deutsche Kriegsschiff „Bismarck“ sowie den 1942 versenkten Flugzeugträger „USS Yorktown“.

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Ballards neuestes ferngesteuertes U-Boot, die „Hercules“
Außerdem spürte Ballard ein phönizisches Schiff aus dem siebenten Jahrhundert v. Chr. auf, eines der ältesten Wracks überhaupt. Im Jahr 2000 fand er im Schwarzen Meer Überreste einer antiken Siedlung, die als wichtiger Hinweis auf die sogenannte Sintflut-These gilt. Diese besagt, dass der Meeresspiegel nach der Eiszeit dermaßen gestiegen ist, dass er den Damm am Bosporus durchbrach. Abseits der Archäologie entwickelte er das Fernlehresystem für US-Schulen, das eine Million Schüler mit 25.000 lehrenden Wissenschaftlern verbindet.
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