Wunderfasern aus dem Labor
„Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur falsche Kleidung.“ Damit sich dieser Spruch bewahrheitet, forschen Outdoor-Firmen laufend an Materialien, die nicht nur Wind, Wasser und Sonne abhalten, sondern auch hohe Atmungsaktivität garantieren. Doch angesichts der Fülle an Bezeichnungen wie Dry.Q und Active Shell fällt es schwer, den Überblick zu wahren.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Wie findet man die perfekte Jacke für die kommende Outdoor-Saison? Zunächst einmal schränkt natürlich das Wetter die Jackenwahl ein. Will man sich gänzlich von Wind und Regen unabhängig bewegen, dann braucht es eine wasserfeste Oberschicht. Hardshell-Klassiker wie Gore-Tex Pro Shell und Sympatex Performance erreichen Wassersäulen von 20.000 bis 30.000 Millimeter. Damit dringt auch nach stundenlangen Märschen im strömenden Regen keine Feuchtigkeit ein. Doch die Robustheit geht meist auf Kosten der Bequemlichkeit und Atmungsaktivität.

Fotolia/PiLensPhoto
Was ist wasserfest?
Die Wasserfestigkeit wird getestet, indem ein Stoff 24 Stunden lang einem Wasserdruck ausgesetzt wird. Ab 1.300 Millimeter gilt ein Gewebe als wasserdicht, die Eidgenössische Materialprüfanstalt (EMPA) im Schweizer St. Gallen gibt für Funktionsmaterial eine Wasserdichtheit ab 4.000 Millimeter an, da durch das Sitzen oder Knien auf nassem Untergrund der Druck auf das Gewebe entsprechend größer ist.
Hardshell meets Softshell
Hier kommt dann Softshell ins Spiel. Es ist weicher, elastischer und atmungsaktiver als Hardshell, hält dafür aber Regengüssen meist nur kurz stand. Bisher galt daher die Regel: bei Regen eine Hardshell-Jacke, bei schweißtreibenden Aktivitäten Softshell, denn Schweiß und Wärme wird durch die höhere Luftzirkulation rasch nach außen abgegeben. So weit, so gut. Doch die Outdoor-Industrie wollte sich nicht mit dieser Zweiteilung begnügen und hat daher im Herbst gleich vier neue Materialien auf den Markt gebracht, die die Vorteile von Hard- und Softshell kombinieren.
Die neue Form der Leichtigkeit
Polartec hat im Herbst des Vorjahres NeoShell vorgestellt. Das Material ist weich und dehnbar, gleichzeitig mit einer Wassersäule von 10.000 Millimeter absolut wasserdicht. Der Vorteil liegt darin, dass damit alle Wettervarianten abgedeckt werden können. Das neue Material wird als eigene Membran zwischen Außenhaut und Innenfutter eingearbeitet und ermöglicht so auch eine Anwendung bei sehr leichten Jacken.
Die ersten Testberichte zu Polartec NeoShell lesen sich durchwegs positiv. Sowohl für den Tragekomfort als auch die Robustheit werden Bestnoten vergeben. „Da es bisher aber nur wenige Jacken mit dem Material gibt, und die ersten erst diesen Winter auf den Markt gekommen sind, fehlen hier noch die Erfahrungswerte“, erklärt Robert Gruber, Experte bei Bergsport Schwanda, gegenüber ORF.at. Preislich liegen die Jacken (je nach Produzent) im oberen Bereich.

Adidas
ActiveShell-Jacke von adidas
Der robuste Begleiter
Auf der ISPO 2011 im vergangenen Februar hat auch die Firma Gore seine jüngste Entwicklung, das Gore-Tex Active Shell Laminat, vorgestellt. Durch die besondere Verarbeitung, bei der auf die sonst übliche Klebeschicht verzichtet wird und das Futter direkt auf die wasserfeste Polyurethan-Membran aufgetragen wird, sind diese Hardshell-Jacken ebenfalls leicht und lassen sich platzsparend zusammenlegen. Auch hier hatte in der Wintersaison erst eine Handvoll Hersteller Jacken mit Active Shell im Angebot.
Gregor Schwenk, Geschäftsführer von Bergfuchs, legt Active Shell vor allem Ausdauersportlern wie Radfahrern und Läufern ans Herz: „Durch die hohe Atmungsaktivität ist die Jacke für leistungsorientierte Geher, aber auch für Radfahrer und Läufer ideal.“ Doch gerade beim Thema Atmungsaktivität schieden sich bei den ersten Tests die Geister. Während die Website ausgeruestet.com bei heißen Temperaturen die Ableitung von Feuchtigkeit bemängelte, berichten die Tester von Bergfreunde.de überwiegend von positiven Erfahrungen.

Mountain Hardwear
Dry.Q Elite von Mountain Hardware
Die Membran aus dem eigenen Labor
Der dritte Neuling ist Dry.Q von Mountain Hardware. Als Eigenentwicklung deckt Dry.Q in Elite-, Active- und Core-Qualität das komplette Sortiment von Soft- und Hardshell-Jacken ab. Auch hier punktet das Material mit seiner hohen Atmungsaktivität. Durch die Membran kann die Luft zirkulieren und braucht daher zum Wärmeaustausch kein großes Temperaturgefälle. Empfohlen werden vor allem die Elite-Jacken bei extremen Belastungen, wie etwa mehrtägige Bergtouren. Preislich liegen die Jacken mit rund 500 Euro aber ebenfalls im anspruchsvollen Bereich.
Japanische Technologie mischt mit
Mit Dermizax NX der Firma Toray spielt auch eine japanische Firma im Outdoor-Spiel mit. Die Membran ist ebenfalls vollständig wasser- und winddicht und doppelt so atmungsaktiv wie das Vorgängermodel Dermizax EV. Als einer der ersten verarbeitete der norwegische Outdoor-Experte Bergans die neue Faser in der Jacke Isogaisa (mit 566 Euro einer der teuersten auf dem Segment). Auch hier hielt das Material, was es verspricht: Die Tester vom Magazin „Outdoor“ blieben trocken und warm, befürchteten jedoch wegen mangelnder Robustheit Schäden durch das lange Tragen von Rucksäcken und empfehlen Jacken aus Dermizax NX eher für Tagesausflüge.

Bergans of Norway
Bergans Funktionsjacke aus dem Material Dermizax NZ
Grün ist die Modefarbe des Sommers
Optisch dominiert bei den Jacken heuer Grün in allen Schattierungen. „Aber auch knallige Farben von Gelb bis Blau sind heuer gefragt. Manche Jacken kombinieren mehrere Farben in Streifen“, erklärt Gruber von Bergsport Schwanda. Und auch bei Bergfuchs sind Schwarz und Grau längst passe, wobei man dort auf das Comeback des einstigen Klassikers Blau im Outdoor-Sektor noch wartet. Aber abgesehen von Farbe und Material ist noch immer die Funktionalität das ausschlaggebende Verkaufsargument - gefolgt von Preis und Marke.
Wobei der Trend weg von großen Herstellern hin zu weniger bekannten Marken wie Montura, Mountain Equipment und Arc’teryx geht, erklärt Schwenk. Und auch ökologische Aspekte wie die Herstellung unter fairen Bedingungen oder Produktionsstätten in Europa werden immer öfter nachgefragt. „Die Firmen reagieren mit einer Reihe von Ökosiegeln darauf“, bestätigt auch Gruber. „Bei der Kaufentscheidung spielt das aber nur eine bedingte Rolle. Wenn der Preis so hoch ist, dann wird auch eine umweltfreundliche Jacke nicht gekauft“, so Gruber.
Vom Wienerwald bis zu den Alpen
Und letztlich - da sind sich die Outdoor-Experten einig - müssen sich die Kunden selbst eine Frage ehrlich beantworten: Wofür wird die Jacke tatsächlich gebraucht, und wie häufig wird sie genutzt? Natürlich kann man auch für eine Wanderung im Wienerwald eine gute Jacke benötigen, sagt Schwenk, doch sich für solche Unternehmungen über Gebühr auszustatten, davon rät Schwenk ab. Bei Extrembelastungen, wie bei mehrtägigen Touren durch die Alpen, machen gute Funktionsjacken jedoch sicher Freude.
Gabi Greiner, ORF.at
Links: