Themenüberblick

„Die Gegenwart feiern“

Mit fünf Oscars, darunter in den Kategorien „Bester Film“, „Beste Regie“ und „Bester Hauptdarsteller“, war der Stummfilm des französischen Regisseurs Michel Hazanavicius klarer Gewinner der Galanacht. Fünf Preise gingen auch an Martin Scorseses „Hugo Cabret“.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Die Gegenwart feiern und auf die glorreiche Vergangenheit zurückschauen“: Unter diesem Motto setzte Hollywood in Zeiten filmischer und technologischer Umbrüche bei der 84. Oscar-Verleihung auf Nostalgie und Tradition. Überraschende Showelemente blieben bei der von Moderationsurgestein Billy Crystal kommentierten Gala aus, stattdessen waren es wiederholte stehende Ovationen und die witzigen und zugleich berührenden Dankesreden von Christopher Plummer über Meryl Streep bis Jean Dujardin, die dem Abend Glanz verliehen.

Regisseur Michel Hazanavicius mit Oscar

AP/Mark J. Terrill

Michel Hazanavicius: Oscar als bester Regisseur für „The Artist“

Die „beflügelte Fantasie“ der Stars

Inspiriert von „The Artist“ und „Hugo Cabret“, zwei Filmen, die sich als Hommage an das frühe Kino verstehen, stand die Gala ganz im Zeichen einer Jahrzehnte andauernden Liebe zum Film. In Einspielungen erzählten Stars wie Edward Norton, Hilary Swank, Tom Hanks und Philip Seymour Hoffman von ihren frühesten Erinnerungen an das Kino und ihre dabei „beflügelte Fantasie“, wie Tom Cruise es audrückte.

„Ich hatte niemals solche Gefühle“, scherzte Billy Crystal, der bei seinem neunten Oscar-Einsatz vor einer Kulisse eines alten Kinoeingangs erst mit einer Gesangseinlage und später mit gewitzten Sprüchen einen kurzweiligen Abend bescherte.

Dujardins Dank an Billy Wilder

Ihren Idolen aus den glorreichen Anfängen des Films huldigten auch „The Artist“-Regisseur Hazanavicius und dessen Hauptdarsteller Dujardin. „Ich danke Billy Wilder, Billy Wilder, Billy Wilder“, sagte Hazanavicius, der nach seinem Regie-Oscar bei der Prämierung zum besten Film ein zweites Mal vor das Mikrofon trat.

Dujardin würdigte jene Leinwandlegende, die ihm als Vorbild für seine Rolle des Stummfilmstars George Valentin gedient hatte. „1929 war es nicht Billy Crystal, sondern Douglas Fairbanks, der die erste Oscar-Verleihung moderierte“, so Dujardin. „Der Eintritt hat fünf Dollar gekostet, und das Ganze hat 15 Minuten gedauert. Die Zeiten ändern sich.“

Muppets und Zirkuseinlage

Tatsächlich hätten sich die Gäste der ersten Oscar-Zeremonie wohl kaum vorstellen können, dass eines Tages Muppets und „Cirque du Soleil“-Artisten Teil der Gala sein würden. „Wir sind nur noch ein Pony entfernt von einer Bar Mizwa“, stellte Crystal fest.

Für mitunter etwas bemühte komische Momente sorgten die Laudatorenduos, etwa Gwyneth Paltrow und Robert Downey Jr., der vorgab, live auf der Bühne die Doku „The Presenter“ zu drehen, Ben Stiller und Emma Stone, die ihren ersten Auftritt als Laudatorin absichtsvoll übertrieben divenhaft genoss. Der Cast von „Brautalarm“ verfolgte auf der Bühne sein „Scorsese“-Trinkspiel, während Sandra Bullock mit einigen Brocken Deutsch überraschte.

Oscar für 82-jährigen Christopher Plummer

Die großen Momente galten jedoch nicht den durchgeplanten Starauftritten, sondern den berührenden Dankesreden verdienter Gewinner. Nach einer 60 Jahre andauernden Karriere als Film- und Theaterschauspieler kam Christopher Plummer für seine Nebenrolle in „Beginners“ endlich zu Oscar-Ehren - und ist mit 82 Jahren nun der älteste prämierte Schauspieler in der Geschichte der Academy Awards.

„Du bist nur zwei Jahre älter als ich, Darling, wo warst du mein ganzes Leben lang?“, scherzte Plummer mit Blick auf die langersehnte Trophäe in seinen Händen. Seine Dankesrede wurde zur humorvollsten des Abends - aber diese habe er immerhin schon seit seiner Geburt geplant.

Schauspielerin Meryl Streep

Reuters/Gary Hershorn

Meryl Streep: die beste Hauptdarstellerin, zu Tränen gerührt

Berührende Rede von „Veteranin“ Streep

Ihre bereits dritte Dankesrede auf der Oscar-Bühne hielt Meryl Streep, die für ihre beeindruckende Darstellung der britischen Premierministerin Margaret Thatcher in „Die Eiserne Lady“ ausgezeichnet wurde. Ihre Liste an Danksagungen war lang - „weil ich weiß, dass ich nie wieder hier oben stehen werde“, so die Schauspielerin, die mit 17 Nominierungen einen Oscar-Rekord hält.

TV-Hinweis

„Kultur.montag“ zeigt am Montag um 23.15 Uhr in ORF2 die Highlights der Oscar-Gala - mehr dazu in tv.ORF.at.

Mit Tränen in den Augen dankte sie ihren „Kollegen und Freunden“ im Publikum. „Ich schaue auf euch hinunter und sehe mein Leben vor meinen Augen vorbeiziehen - ich sehe meine alten Freunde, meine neuen Freunde“, so Streep. Die Auszeichnung sei zwar eine große Ehre, was aber am meisten zähle, seien „die Freundschaften, die Liebe und die große Freude, die wir beim Filmemachen teilen“.

Tränen und stehende Ovationen

Einmal flossen an diesem Abend die Tränen: Die sichtlich überwältigte Octavia Spencer sehnte bei der Annahme ihres Oscars für ihre Nebenrolle in „The Help“ förmlich jene Musik herbei, die ausufernde Dankesreden unterbricht. „Bitte beendet das, es tut mir leid, ich flippe aus“, sagte Spencer, die an diesem Abend ebenso stehende Ovationen erhielt wie Plummer und Streep.

Politische Ansprache von Asghar Farhadi

Als bester nicht englischsprachiger Film wurde „Nader und Simin - Eine Trennung“ mit einem Oscar prämiert. Regisseur Asghar Farhadi widmete seinen Preis dem iranischen Volk, das unter Einschüchterung und Aggression zu leiden habe. Mit Blick auf den eskalierenden Atomstreit zwischen Teheran und dem Westen seien die Iraner „ein Volk, das alle Kulturen und Zivilisationen respektiert und Feindseligkeit und Ressentiments verachtet“, so der Filmemacher.

Links: