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SPD favorisiert Gauck

Koalition und Opposition in Deutschland haben am Samstag den Kreis der möglichen Nachfolger des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff enger gezogen. Während SPD und Grüne ein Mitglied der Bundesregierung kategorisch ausschlossen, verwahrte sich die Union gegen Vorfestlegungen der Opposition.

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Koalitionskreisen zufolge waren am Samstag unter anderen Bundestagspräsident Norbert Lammert und der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, im Gespräch. Aus CSU-Kreisen hieß es mittlerweile jedoch, Lammert habe abgesagt. Die SPD hat den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck zu ihrem Favoriten erklärt.

Zwar wurde in allen vier Fraktionen beteuert, der Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten solle von allen vier Fraktionen getragen werden. Allerdings war nach einem Treffen der Spitzen der schwarz-gelben Koalition im Bundeskanzleramt am Vormittag das weitere Vorgehen unklar. Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte der „Bild am Sonntag“, in der Koalition gebe es noch Abstimmungsbedarf. „Erst wenn diese Gespräche abgeschlossen sind, werden wir auf die Opposition zugehen.“ Auch an anderer Stelle der Koalition hieß es, einen Gesprächstermin gebe es noch nicht.

Deutscher Bundespräsident Christian Wulff, seine Frau Bettina und Bundestagspräsident Norbert Lammert

Reuters/Henning Kaiser

Bundestagspräsident Norbert Lammert (rechts) galt als heißer Kandidat für die Wulff-Nachfolge, soll aber bereits abgesagt haben

Beratungen am Sonntagabend?

Dagegen berichteten Oppositionskreise, am Sonntagabend sollten die Spitzen von Koalition und Opposition im Bundeskanzleramt über das weitere Verfahren beraten. Vonseiten der Koalition wurde das Treffen bestätigt. Allerdings hieß es, der Zeitpunkt sei noch nicht sicher. Ein mit den Vorgängen vertrautes Koalitionsmitglied sagte Reuters, Ziel sei es, der Opposition einen Namen vorzuschlagen, der für diese attraktiv sei.

Die Personalspekulationen gingen unterdessen weiter. Vom früheren Chef des UNO-Umweltprogramms, Klaus Töpfer, hieß es in der Koalition, er sei für die FDP untragbar. Zu den möglichen Kandidaten jenseits des politischen Betriebes zählten der Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle sowie der Theologe Huber. Nach einem Bericht des „Spiegel“ (Onlineausgabe) sagte Voßkuhle aber bereits ab.

SPD will kein Kabinettsmitglied als Präsident

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier sagte in der ARD: „Wenn wir uns verständigen wollen, dann kann das kein Mitglied des Kabinetts sein.“ Die Koalition müsse sich mehr Mühe geben und „etwas breiter gucken“. Auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin sagte, es dürfe kein Angehöriger des Kabinetts sein. In der Koalition war unter anderen Verteidigungsminister Thomas de Maiziere als Kandidat gehandelt worden. Genannt wurden auch Finanzminister Wolfgang Schäuble und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und Steinmeier sprachen sich für Gauck aus. „Er ist nach wie vor unser Favorit für dieses Amt“, sagte Gabriel der „Bild am Sonntag“. In den Gesprächen mit der Koalition wolle die SPD für ihn werben, aber nicht auf ihm beharren. Der 72-jährige ehemalige Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde wurde im Jahr 2010 nach dem überraschenden Rückritt von Bundespräsident Horst Köhler von SPD und Grünen als Kandidat gegen Wulff ins Rennen geschickt.

Deutscher Bundespräsident Christian Wulff und seine Frau Bettina

AP/Michael Sohn

Nach dem Rücktritt des deutschen Präsidenten Christian Wulff läuft die Suche nach einem Nachfolger auf Hochtouren

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Altmaier, forderte SPD und Grüne im Deutschlandfunk auf, ohne Vorbedingungen in die Gespräche mit der Koalition zu gehen. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte der „Bild am Sonntag“, einen Kandidaten von Gnaden der SPD werde es nicht geben.

SPD und Grüne suchen Schulterschluss

Während sich CDU, CSU und FDP abstimmten, suchten auf der anderen Seite SPD und Grüne den Schulterschluss. Eine für den Nachmittag angekündigte Pressekonferenz der SPD wurde zu einer gemeinsamen mit den Grünen erweitert. Die Linkspartei blieb bei den gemeinsamen Überlegungen abseits.

In Kreisen der Koalition sowie SPD und Grünen wurde versichert, dass man ein echtes Interesse an einem von allen Parteien getragenen Kandidaten habe. Für Merkel ist ein Konsens in dieser Frage wichtig, da wegen einer hauchdünnen schwarz-gelben Mehrheit in der Bundesversammlung ein nur von ihrer Koalition gestützter Kandidat nicht unbedingt gewählt wird.

Deutsche begrüßen Rücktritt Wulffs

Eine große Mehrheit der Deutschen hält den Rücktritt Wulffs für richtig. In einer Forsa-Umfrage begrüßten 83 Prozent der Befragten diesen Schritt. Auch von den Anhängern der Union hält eine große Mehrheit von 79 Prozent den Rücktritt für richtig. Wulffs Beteuerung, er habe sich rechtlich stets korrekt verhalten, glauben nur 36 Prozent der Befragten, 57 Prozent schenken ihm keinen Glauben. Im ARD-Deutschlandtrend hielten 73 Prozent den Rücktritt für den richtigen Schritt, 21 Prozent meinten, Wulff hätte im Amt bleiben sollen.

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