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EU will Pensionsalter anheben

Angesichts steigender Lebenserwartung der Europäer schlägt die EU-Kommission vor, in der EU das Pensionsantrittsalter anzuheben. Entsprechende Vorschläge macht die Brüsseler Behörde in einem neuen Weißbuch für „angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen“, das der für Beschäftigung zuständige Kommissar Laszlo Andor am Donnerstag offiziell vorstellte.

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Die Kommission ruft die EU-Staaten unter anderem auf, das Pensionsantrittsalter an die steigende Lebenserwartung ihrer Bevölkerung zu koppeln, die Möglichkeiten zur Frühpensionierung einzuschränken und das bisher im Durchschnitt kürzere Arbeitsleben von Frauen an das der Männer anzugleichen. Die Lebenserwartung der Männer werde bis 2060 um 7,9 Jahre steigen - damit müsste das Pensionsantrittsalter bis dahin von 65 auf fast 73 Jahre erhöht werden.

„Anhebung allein reicht nicht“

Allerdings vermied es Andor am Donnerstag, eine konkrete Zahl zu nennen. „Die Anhebung des Rentenalters allein reicht nicht“, sagte er. Außerdem verwies er immer wieder auf die Kompetenz der EU-Länder in dieser Frage. Jedenfalls gelte es zu berücksichtigen, dass bis 2020 die Zahl der über 60-Jährigen in der EU um 20 Millionen steigen werde. Gleichzeitig nehme die Zahl der Erwerbstätigen bis dahin um sechs Millionen ab. Um das gute Funktionieren der Pensionssysteme zu gewährleisten, müssten daher mehrere Maßnahmen getroffen werden.

Konkret werden die Sozialpartner aufgefordert, die Arbeitsplatzsituation zu verbessern, um bessere Chancen für ältere Arbeitskräfte zu schaffen. Der Zugang zum frühzeitigen Ruhestand müsste eingeschränkt und das Antrittsalter von Frauen dem der Männer angepasst werden. Ferner gehe es um private Zusatzvorsorgesysteme und die EU-weite Einrichtung von Pensions- und Rentenaufzeichnungsdiensten.

Haushalte unter Druck

Die EU-Kommission kann den Mitgliedsstaaten in der Pensionspolitik allerdings keine Reformen vorschreiben. Andor will mit seinem Papier aber Vorschläge machen, wie die EU-Länder ihre Pensionssysteme sicher für die Zukunft machen können. Besonders in Zeiten leerer Kassen setzten die Pensionszahlungen nationale Haushalte unter Druck, heißt es in den Unterlagen der Kommission.

Wie viele von der Pension leben

Pensionen sind den EU-Kommissionsunterlagen zufolge die Haupteinkommensquelle für rund ein Viertel der EU-Bevölkerung, ohne ein stabiles Pensionssystem droht demnach Millionen Menschen Altersarmut.

Sie machen demnach derzeit im Durchschnitt zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, dieser Anteil werde bis zum Jahr 2060 auf 12,5 Prozent steigen, erwartet die Kommission. Während im Jahr 2008 noch vier Menschen im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre) auf einen EU-Bürger im Alter von 65 Jahren oder älter kamen, wird sich dieses Verhältnis bis zum Jahr 2060 auf zwei zu eins ändern.

Unterschiede trotz ähnlicher Herausforderungen

Dabei gibt es den Angaben zufolge jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern, obwohl die EU-Länder „ähnlichen demografischen Herausforderungen“ gegenüberstehen. Demnach machen die Pensionszahlungen in Irland sechs Prozent des BIP aus, in Italien jedoch 15 Prozent.

Andor ruft die Sozialpartner in den EU-Ländern auf, die Bedingungen an Arbeitsplätzen und auf den Arbeitsmärkten an ältere Erwerbstätige anzupassen. Auch Gelder aus dem EU-Sozialfonds sollen demnach eingesetzt werden, um ältere Menschen ins Arbeitsleben einzubinden

Rang neun bzw. vier für Österreich

Männer können ihre Pension in der EU zwischen 13,5 Jahre in Rumänien und 24,2 Jahre in Luxemburg genießen. Die jüngsten Zahlen der EU-Kommission von Donnerstag zeigen, dass die Pensionszeit für Frauen - ab dem derzeitigen tatsächlichen Antrittsalter sowie mit Berücksichtigung der Lebenserwartung ab 65 Jahren - zwischen 17,9 Jahre in Bulgarien und 29,6 Jahre in Luxemburg beträgt.

Österreich liegt bei den Männern mit zu erwartenden 20,3 Pensionsjahren an neunter Stelle, bei den Frauen mit 27,0 Jahren auf Rang vier. Nicht berücksichtigt in der Tabelle ist das derzeitige gesetzliche Pensionsantrittsalter. Dieses liegt in 15 der 27 EU-Länder für Männer derzeit bei 65 Jahren, bei den Frauen ist das in zehn Staaten der Fall. In Schweden ließ der konservative Premier Fredrik Reinfeldt zuletzt mit einer provokanten Forderung die Emotionen in der Bevölkerung hochgehen. Das reguläre Pensionsantrittsalter will Reinfeldt sogar auf 75 erhöhen.

Unterschiedlicher Reformbedarf

Andor sagte, obwohl die Kompetenz bei den EU-Ländern liege, könne die Europäische Union unterstützend eingreifen. Die Pensionsreformen würden im Rahmen der Strategie Europa 2020 evaluiert. 2011 hätten 16 EU-Länder länderspezifische Empfehlungen zu den Pensionen erhalten.

Angesprochen auf Länder, in denen es einen besonders dringenden Bedarf für Reformen gebe, nannte Andor Slowenien, Luxemburg, Zypern und Polen. In Italien habe sich die Situation verbessert, Frankreich stehe vor Wahlen, und „die Kommission mischt sich nicht ein“. Bei Frankreich merkte der Sozialkommissar an, dass der „Druck“ auf eine Anhebung des Pensionsalters deshalb „nicht so groß“ sei, weil das „demografische Fundament“ gut sei, also die Geburtenrate relativ hoch.

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