Neue Kontrollen angekündigt
Der öffentliche Druck auf die IT-Industrie wegen der Arbeitsbedingungen in ihren Produktionsstätten steigt. Besonders der hoch profitable Hersteller Apple geriet nach US-Medienberichten in die Kritik und setzt nun zusätzliche Beobachter in den chinesischen Fabriken seines Zulieferers Foxconn ein. Doch echte Veränderung können nur die Konsumenten schaffen, so Experten gegenüber ORF.at
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
„Den komplett fair produzierten Computer wird man auf dem Markt nicht finden“, so Christina Schröder von der Organisation Südwind im Gespräch mit ORF.at. Sie hatte im Rahmen der Kampagne „Clean IT“ Produktionsstätten der Elektronikindustrie in Thailand besucht und analysiert. „Die Bedingungen in den Fabriken sind auch dort schlecht, es ist kein rein chinesisches Problem“, so Schröder. „Auch in Thailand gibt es Kettenarbeitsverträge. Außerdem ist es den Arbeitern verboten, sich zu organisieren.“
Im Zentrum der Kritik steht nach wie vor der taiwanesische Konzern Hon Hai Precision Industries, besser bekannt unter seiner Marke Foxconn. Diese Firma hat rund 920.000 Beschäftigte und stellt Computer und Gadgets für große Marken wie Apple, Dell, Hewlett-Packard und Amazon (Kindle) her. Foxconn produziert nicht nur in China, sondern auch in Thailand, Brasilien und Tschechien, die wichtigsten Produktionsstätten des Unternehmens befinden sich im südchinesischen Shenzhen.
Suizide bei Foxconn
2010 mehrten sich die Berichte über Selbsttötungen in den abgeschirmten Fabrik- und Wohnkomplexen des Konzerns in Shenzhen, Foshan, Kunshan und Hsinchu in China. Eine auf der Wissenschaftsplattform Biomed Central publizierte Untersuchung von Experten aus Hongkong und Sydney geht von 13 erfolgten und fünf versuchten Suiziden im Jahr 2010 aus.
Ob die Selbsttötungsrate bei Foxconn über jener der Volksrepublik liegt, ist aufgrund fehlender Daten sowie der Interpretation der spärlichen vorhandenen Informationen umstritten. Je nach Bezugsrahmen - 450.000 oder 200.000 Arbeiter - ist die Anzahl der Suizide bei Foxconn im Schnitt doppelt so hoch wie im WHO-Durchschnitt für das urbane China.
Streit über Löhne
Laut „Business Insider“ verdienen die Arbeiter bei Foxconn derzeit im Schnitt umgerechnet zwischen 150 und 225 Euro im Monat. Tim Worstall, Kolumnist des US-Wirtschaftsmagazins „Forbes“, bezeichnet die Kritik an Foxconn und den Arbeitsbedingungen in China als „Unsinn“, da die Jobs in der IT-Industrie immer noch besser seien als jene in der Landwirtschaft, zudem würden die Löhne ständig steigen. Das Geld reicher westlicher Kunden hebe somit den Lebensstandard der Chinesen.
Ist Foxconn also ein Fall geglückter Entwicklungshilfe? Claudia Sprinz, die sich für die Umweltschutzorganisation Greenpeace mit dem Thema Fair IT auseinandersetzt, würde nicht so weit gehen: „Das sind Pseudoargumente, denn die Gewinne schöpfen immer noch die Markeninhaber ab. Apple könnte bei seinen Rekordgewinnen sehr wohl mehr für die Arbeiter tun.“ Der Konzern verfügt derzeit über eine Bargeldreserve von rund 100 Milliarden Dollar (75 Mrd. Euro), allein im letzten Quartal fuhr Apple einen Nettogewinn von umgerechnet rund zehn Milliarden Euro ein.
Problematische Kontrollen
Seit 2007 führt Apple Kontrollen zu Arbeits- und Umweltschutz bei seinen Zulieferern durch, laut Bericht für 2012 ist die Zahl der Prüfungen von 39 (2007) auf 229 (2011) bei zuletzt 156 Firmen gestiegen. An 93 Standorten wurde demnach die maximale wöchentliche Arbeitszeit von 60 Stunden von über der Hälfte der Arbeiter regelmäßig überschritten, an fünf Standorten fanden die Inspektoren minderjährige Arbeiter vor.
Bei den Kontrollen arbeitet Apple künftig mit der US-Organisation Fair Labor Association (FLA) zusammen, die unabhängig von dem Konzern Berichte über die Zulieferer erstellen soll. Im US-Magazin „Wired“ (Onlineausgabe) kritisierten Sarah Ryan von der Menschenrechtsorganisation Change.org und Taren Stinebrickner-Kauffman von der NGO SumOfUs.org, dass die FLA traditionell den Markenherstellern besonders der Textilindustrie nahestehe und die chinesischen Konzerne angekündigten Kontrollen problemlos ausweichen könnten.
Nachhaltiges Einkaufen
„Die chinesischen Arbeitsgesetze sind sehr gut“, so Sprinz, „aber es wird nur selten kontrolliert, ob sie eingehalten werden.“ Schröder sekundiert: „Die Menschen können es sich nicht aussuchen, ob sie Überstunden machen wollen. Sie verdienen wenig und müssen ihre Familien versorgen.“
Bleibt die Frage, was Konsumenten tun können, um ihren Teil zur Verbesserung der Produktionsbedingungen in der IT-Branche beizutragen. „Man sollte sich zuallererst fragen, ob man ein bestimmtes Gadget überhaupt braucht“, so Sprinz. „Außerdem könnte man seine Computer mit Garantie bei Fachwerkstätten kaufen, die reparierte Maschinen anbieten.“ Denn die Herstellung von Computern verbraucht viel Energie und knappe natürliche Ressourcen wie Edelmetalle und Seltene Erden.
Konsumenten können helfen
Sowohl Sprinz als auch Schröder empfehlen den Bürgern, sich mit Fragen zur fairen Produktion an die Hersteller zu wenden, damit diese ihre Prozesse transparenter gestalten und deutlich machen, unter welchen Umständen ihre Geräte produziert werden. „Die Unternehmen hören auf ihre Kunden, der Einzelne hat durchaus Macht“, so Sprinz.
Dass die IT-Firmen für faire Arbeitsbedingungen sorgen, ist dabei kein Selbstzweck. Denn im harten globalen Wettbewerb schlägt das Niveau des Arbeitnehmerschutzes in China schnell auf die westlichen Länder durch. In der „New York Times“ schwärmte ein Apple-Manager davon, wie ein Vorarbeiter nach einer Änderung am Bildschirm des iPhone sofort nach Ankunft der neuen Bauteile in der Fabrik zu Mitternacht 8.000 Arbeiter aus den Betten rief, um sie in die nächste Zwölfstundenschicht zu schicken. „So etwas ist in keiner amerikanischen Fabrik möglich“, sagte der Manager.
Günter Hack, ORF.at
Links: